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Ausgabe:

1995

Spalte:

1013-1015

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Einheit der Kirche in vorkonstantinischer Zeit 1995

Rezensent:

Staats, Reinhart

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1013

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 1 I

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Abschnitte (meist in der Form von Einzelbeobachtungen) über
die Philosophie zur Zeit des Origenes und über philosophische
Elemente in PA und zweitens über die Wirkungsgeschichte von
PA (Hier einige Fehler: 170 stimmt nicht, daß Plotin nichts
geschrieben hat: 185 Origenes kann nicht Proklos gelesen
haben, weil er im 5. Jh. lebte - L. hat eine Anmerkung von Görgemanns
und Karpp falsch verstanden; 19(M91 statt Eusebius
aus Zypern lies Epiphanius, stall Papst Athanasius lies Anastasius
. Johannes Cassian hat nicht Origenesschriften ins Lateinische
übersetzt).

Die Interpretation von PA ist wiederholt zu einem Gegenstand
des Streits geworden. Für uns ist dies nicht zuletzt deswegen
der Fall, weil wir nicht den griechischen Urtext, sondern
nur die im Sinne der trinitarischen Orthodoxie glättende Übersetzung
Rufins, .Auszüge in der Philokalie und andererseits
Zitate bei Hieronymus und Justinian, die die Absicht haben, die
Häresie des Origenes aufzuweisen, besitzen. Probleme entste
hen vor allem bezüglich der Dreieinigkeitslehre (Subordinatia-
nismus. Rolle des Heiligen Geistes) und der Apokatastasis
(wird die Materie verschwinden, werden wieder neue Welten
entstehen, wird der Teufel gerettet werden?). L. betont, man
müsse ..die gläubige Meinung des Origenes von den Gedanken,
die zu einer dialektischen Übung innerhalb eines möglichen
Denksystems gehören, abheben" (144). Während Hieronymus
berichtet, daß Origenes wie ein ..Behauptender" gesprochen
hätte, wird erst aus Rufin der breitere Zusammenhang der Überlegungen
des Origenes ersichtlich. Im allgemeinen tendiert L.
dahin, die gläubige Meinung des Origenes als im Einklang mit
der Lehre der Kirche bzw. der Heiligen Schrift anzusehen. So
/um Subordinatianismus: ..Wenn auch nicht dem Begriffe nach,
der Sache nach ist das .homoousios' von Nizäa vorhanden"
(55). Origenes hat keinen ..ontisch-ousiologischen Subordinatianismus
". sondern einen „gnoseologisch-ökonomischen Subordinatianismus
" gekannt (60-61). ..Nicht ganz, geklärt ist das
Bestehenbleiben der Materie im Eschaton. Origenes scheint
eine verklärte Leiblichkeit aufgrund des biblischen Kerygmas
anzunehmen" (90). ..Origenes schließt die Möglichkeit eines
neuerlichen Falles faktisch aus. wenngleich die abstrakte und
nicht an den Glauhensquellen gemessene Denkmöglichkeit
bleibt" (148; hier hätte L. die wichtige Behandlung dieser Frage
am Ende des fünften Buches des Römerbriefkommentars des
Origenes heranziehen können). „Die Texte des Origenes behaupten
nicht eine Erlösung Satans. Vielmehr hält der Alexandriner
sich gegenüber den rein theoretischen Überlegungen...
dennoch an die Schrift und scheint eine Rettung Satans abzulehnen
" (153). Man kann diesen Standpunkt von L. mit einer
gewissen Sympathie entgegennehmen.

Zur Bibliographie wäre jetzt hinzuzufügen: Nicola Paee. Ricerche sulla
tradu/ione di Rufino del „De prineipiis" di Origene. Florenz 1990; Elizabeth
A. Clark. The Origenist Controversy. Prineeton 1992.

Cambridge C. P. Bammel

Lilienfeld, Fairy von. u. Adolf Martin Ritter |Hrsg.|: Einheit
der Kirche in vorkonstantinischer Zeit. Vorträge, gehalten
bei der Patristischen Arbeitsgemeinschaft. 2.-4. Januar 1985
in Bern. Erlangen: Lehrstuhl für Geschichte und Theologie
des christlichen Ostens 1989. X. 165 S. gr.8" = Oikonomia.
25.

Durch Versehen des Rez. wurde diese wichtige Vortragsreihe
noch nicht vorgestellt, die. obschon gedruckt, leider nur über
den Erlanger Lehrstuhl für Geschichte und Theologie des
christlichen Ostens zu erhalten ist. und die dennoch den For-
schungsstand der protestantischen Patristik zum Problem der
vorkonstantinischen Ekklesiologie noch heute repräsentiert.

Denn über der von Walter Bauer in ein protestantisch-patristi-
sches Bewußtsein eingeschärften Frage nach der Priorität von
..Rechtgläubigkeit und Ketzerei" darf ja nicht das religionsgeschichtliche
Phänomen einer gewaltlos erreichten Großkirch-
lichkeit unterschätzt werden. Auf dieses gerade evangelischer-
scits interessante Faktum weist Adolf Martin Ritter in seinem
einleitenden Beitrag hm: „Die Einheil der Kirche in vorkon-
stantinischer Zeit". Dem Programm dieses kleinen Bandes legt
R. die Worte Hans von Campenliausens zugrunde: „Harte Auseinandersetzungen
können auch den Ernst der Zusammengehörigkeil
und der Sache zum Ausdruck bringen, und inner
meidliche Absplitterungen, die meist kein größeres Gewicht
und keine Dauerbedeutung gewonnen haben, können die
erstaunliche Tatsache der weiten und bleibenden Einheit der
frühen Kirche nicht aus der Welt schaffen. Sie ist das eigentlich
Uberraschende und Bedenkenswerte in der Alten Welt und
sonst fast ohne Analogie". R. selbst verweis! auf die Tatsache
der Ausscheidung des Gnostizismus im Laufe des 2. und frühen
3. Jh.s - ohne „Heer oder Kraft" (17) und referiert im Anschluß
an seinen Lehrer Campenhausen sehr kritisch zwei markante
Gesprächsbeiträge zum Thema aus neuerer Zeit von Martin
Elze und Norbert Brox. - Alle Vorträge dienen der Erhellung
des Begriffes „Frühkatholizismus". Dieser Begriff taucht übrigens
nicht zuerst in Troeltschs Soziallehren 1911 auf (Ritter
13). sondern schon 1907 in Karl Hcussis „Kompendium der
Kirchengeschichte", dessen seltene und wichtige Werturteile
um so stärker auf Generationen ehemaliger Examenskandidaten
gewirkt haben dürften (vgl. Staats, ZNW 77. 1986, 127).

Die Beiträge von Eric Junod und Hans Christof Brennecke
widmen sieh der Entstehung der Synodalpraxis (Junod). speziell
bei den Antimontanisten. und der Entwicklung zur Reichssynode
im 3. und frühen 4. Jh. (Brennecke). Nach Brennecke
dürfte es nun feststehen, daß sich die vorkonstantinischen Synoden
keineswegs nur mit Fragen der äußeren Kirchenordnunu
und Ethik belaßten (so aber E. Schwartz) und daß sie andererseits
trotz überregionalen Anspruchs im Ergebnis regional
beschränkt blieben. Klassisches Beispiel: Elvira 306 (Datum
von Brennecke ohne Grund bestritten). Das von einer früheren
Forschung schon für das dritte Jh. behauptete „Bedürfnis nach
einer allgemeinen oder ökumenischen Synode, die nur durch
die ungünstigen äußeren politischen Verhältnisse noch verhin
dert wurde", ist aufgrund dieser Beobachtungen „mehr als fraglich
" (37). Und es bleibt eben dabei, daß erst mit der Konstantinischen
Wende das Synodalwesen ganz neu. nämlich „ökumenisch
" organisiert wurde. Eusebs Bemerkung über Konstantin
nach 312 („wie ein von Gott eingesetzter Bischof berief er
Synoden der Bischöfe"; Vita Const. 1.44.2) entsprach also der
historischen Realität. Schalle, daß nicht auch Henry Chadwicks
originelle und ernstzunehmende Beobachtung über "the origin
of the title 'oecumenical Council'" (JTS 23, 1972, 132-135)
herangezogen wurde. Danach wäre der Titel „ökumenische
Synode", wie er zuerst für eine ägyptische Synode 338 und
danach erst im Rückblick für Nizäa 325 bezeugt ist. die ver-
kirchliehte Form von „großen" und „ökumenischen" Synoden
von Schauspielergewerkschaften, Gilden und kultischen Sportverbänden
gewesen, und zwar mit staatlichem Privileg; allein in
Letzterem läge also noch etwas Gemeinsames,

Klaus Koschorke geht der wichtigen Frage nach der „Einheit
der Kirche als Problem der christlichen Gnosis" nach, die in der
Tat ein Problem bleibt, weil hier das „Fehlen überregionaler
Organisationsformen" kennzeichnend ist: „Keine gnostische
Ökumene"! Andererseits vertreten die Gnostiker „ein Konzept
von Einheit, das allen christlichen (tioPOEic abgestuften Anteil
an der Wahrheit zuspricht" (64). l ast möchte man an Zinzcn-
dorfs Tropenlehre und an manches Konzept der versöhnten
Verschiedenheil denken, wenn nicht die Kreuzestheologie
(übrigens erst recht die Inkarnation) verdrängt wurde, wie K.