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Ausgabe:

1995

Spalte:

1012-1013

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lies, Lothar

Titel/Untertitel:

Origenes' "Peri archon" 1995

Rezensent:

Hammond Bammel, Caroline P.

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101 I

Theologische Literatur/.eitung 120. Jahrgang 1995 Nr. I I

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Christus berichteten Wunder" gestellt und hat „keine soteriolo-
gische, sondern eine noetische Funktion" (250). Damit bewegt
sich Gregor ganz in der Tradition des Athenagoras und Methodius
(251). Mehr noch, und hierauf hätte der Vf. hinweisen können
, mit dieser Auffassung steht Gregor in Übereinstimmung
mit der weit verbreiteten altkirchlichen Auferstehungslehre.
Überlegungen, die diesem Ansatz entsprechen, wird man folglich
nicht als „Schwachstellen" (251) bezeichnen dürfen, beispielsweise
, wenn in einer frühen Osterpredigt Gregors (sanet pasch)
von Christi Aulerstehung „nicht einmal die Rede (ist)". Die Frage
, ob und was „am Tag der Auferstehung des Herrn jedem
Hörer der Predigt gegenwärtig" war (251) und demnach vielleicht
nicht ausgesprochen werden mußte, kann nicht aus heutiger
Predigererwartung präjudiziert werden. Ein solcher Anachronismus
verwischt vielmehr wieder die vom Vf. zuvor klar
gezeichnete Entwicklung Gregors. Bezüglich der Geschichte des
Glaubens an die Auferstehung Christi in der Alten Kirche ist
vielmehr zu fragen, inwieweit mit Gregor nicht der Ort greifbar
wird, an dem in antieunomianischer und antiapolinareischer
Reaktion und aufgrund von Gregors „intensiven Studium(s) der
Paulinischen Theologie" (253) die soteriologische Zentralität der
Auferstehung Christi dogmengeschichtlich erstmals prägnant
formuliert worden ist.

Die vorliegende Studie bietet mehr als nur die Darstellung
der Oikonomia Gottes. Mit ihr legt der Vf. vielmehr eine historisch
-literarische und theologische Einleitung in Gregors Oratio
Catechetica vor. Nach einer detaillierten Darlegung von „Anliegen
und Methoden der theologischen Entfaltung in der Oratio
Catechetica" in Teil I (5-38), widmet sich der Vf. in Teil 11 der
„Struktur der Oratio Catechetica" (39-66. ebd. 64-66 eine hilfreiche
Übersicht zu Inhalt und Gliederung). In Teil III vergleicht
er die Oratio „mit literarischen Vorbildern", nämlich
Orig., de princ. (69-78) und Ath., c. gent. und de inc. (78-90).
Am Ende bietet er neben einem Literatur- und einem Quellenverzeichnis
(323-329. 330-336) zwei knappe Indices (338: i.
graecitatis; i. rerum: 3381'.; es fehlen leider Indices zu Schriftstellen
, Quellen und Autoren).

Wie die vorausgegangenen Bemerkungen zu vermitteln suchten
, ist die vorliegende Untersuchung geistreich und aktuell; ihr
Vf. weiß den Leser mit der aus Gregors Oratio Catechetica entfalteten
Fragestellung zu fesseln.

Nur hier und da ließen sich Marginalien anbringen und - etwas häutiger -

Druckfehler berichtigen. An Literatur mag man hinzufügen: L F. Mateo-
Seco, Resucitö al tercer dia Anälysis de la doetrina de San Grcgorio de Nisa
score la resurrecion de Jesucristo: ScrTh 5 (1973) 7-90. und lediglieh angemerkt
sei. daß Frau Prof. Vasiliki Limberis auf der Konterenz der NAPS
1994 ähnliche Feststellungen wie der VI', betreffs der Entwickhing von Gregors
Auferstehungslehre und Soteriologie vorgetragen hat ("The Position of
Christ's [ncarnation in Gregory Nyssa's exposition on Human Death and
Resurrection").

Von Dr. M.Jacob am Sprachenkonvikt.der ehemaligen Theologischen
Ausbildungsstätte der Evangelischen Kirche in Berlin
-Brandenburg im Herbst 1984 angeregt. 1984 bis 1989 mit
Unterbrechung „im ständigen Austausch mit Dozenten und Studenten
" (IX) gereift, über die damalige DDR-Grenze hinweg
gefördert, hatte die vorliegende Arbeit auch noch den „heißen
Herbst 1989" bestanden. Solche wissenschaftlichen Umwege
zu einem geeinten Deutschland dürfen nicht vergessen werden.
Der Vf. hat sie in seiner Studie dankenswerterweise einleitend
vermerkt. Um die Erfahrung von pfarrlicher und wissenschaftlicher
Doppelbelastung des Vf.s wissend liest man zunächst mit
Zurückhaltung, vielleicht aber auch um so skeptischer ein über
viele Hürden hinweggetragenes Produkt. Doch das vorliegende
Buch beweist, daß Seelsorge (vielleicht gar Kirchenpolitik) und
theologische Wissenschaft sich außerordentlich befruchten können
. Die Arbeit ist nicht nur im Blick auf diejenigen geschrieben
, „die sich ohnehin schon mit Gregor von Nyssa und mit den
griechischsprachigen Kirchenvätern beschäftigen, sondern (sie

soll) auch von allen denen gelesen werden (können)..., die einen
ersten Zugang zu den Kirchenvätern des vierten Jahrhunderts
und deren Theologie" suchen. (3) Auch wenn diese Hoffnung
vielleicht ein wenig zu optimistisch klingt, da sich die Argumentation
des Vf.s auf weite Strecken hin auf hohem Niveau
bewegt, so lädt das Buch, das klar, ja an vielen Stellen glänzend
geschrieben ist, jeden Interessierten zur Leküre ein.

Berlin Markus Vinzenl

Lies, Lothar: Origenes' >Peri Archon<. Eine undogmatische
Dogmatik. Einführung und Erläuterung. Darmstadt: Wiss.
Buchgesellschaft 1992. XI, 218 S. 8°. DM 39,80. ISBN 3-
534-10308-4.

Was meint der Vf. mit diesem merkwürdigen Titel? Das große
Werk des Origenes ist undogmatisch, weil seine Methode undogmatisch
ist - er stellt Fragen und schlägt Lösungen vor (8. 91).
Auf der anderen Seite aber handelt das Werk von den „metaphysischen
Grundlagen alles Existierenden", d.h. aber für Origenes
von den Prinzipien des christlichen Glaubens und der Theologie
(9-10). Obwohl das Werk in vier Büchern überliefert ist, zieht
man es vor, seine Themen (die drei göttlichen Personen, die geistige
Schöpfung der vernunftbegabten Wesen, die geschaffene
Welt und ihr Ende) in zwei Hauptteile mit Vorwort und Zusammenfassung
zu gliedern, von denen der zweite Hauptteil die im
ersten behandelten Probleme wiederaufnimmt (15-23). Ein Haupt-
anliegen des Origenes war es. gegen die falschen Vorstellungen
der Markioniten (die zwischen einem gerechten Gott des A l s
und einem guten Gott des NTs unterschieden), aber auch gegen
ilie Valentinianer mit ihrer Dreinaturenlehre (Verneinung der
Willensfreiheit) zu argumentieren (23 f.). Seine Fragestellungen
werden von denjenigen des Piatonismus beeinflußt. Er nimmt
das platonische Abstiegs- und Aufstiegssschema zu Hille (24-
25). Aber er ist „kein zum Christentum bekehrter Philosoph",
sondern „Christ und Lehrer des christlichen Glaubens in einem
intellektuellen Milieu, innerhalb dessen er sich auch mit den Philosophien
seiner Zeil auseinanderzusetzen hatte" (168, 180). Als
solcher prüft er seine philosophischen und theologischen Überlegungen
an der Heiligen Schrift (29 ff.), die im Einklang mit der
kirchlichen .regula fidei' (und nicht nach den falschen Methoden
der Häretiker) auszulegen ist (42 IT.).

Lies hat den großen Vorteil, daß er die Ausgabe von Görgemanns
und Karpp. sowie deren Einleitung und Anmerkungen
seiner Studie zu Grunde legen kann (I, 181). Er hat auch die
Ergebnisse vor allem französischer und italienischer Wissenschaftler
, die in den letzten Jahrzehnten über das Werk geforscht
haben (Crouzel, Hart, Dorival, Simonetti), auswerten
können. Das Buch ist wohl als eine Einführung für Theologiestudenten
gedacht (es hat zwei Untertitel: .Einführung und
Erläuterung' und .Werkinterpretationen'). Der Hauptteil besteht
aus einer abschnittsweise vorgeführten erklärenden Zusammenfassung
des Inhalts des Werkes mit häufigen wörtlichen Zitaten.
Dies wird nicht immer in der Reihenfolge des Textes selbst
durchgeführt. Zum Beispiel wird die wichtige Behandlung der
Inspiration der Heiligen Schrift aus Buch IV vorangestellt. Man
kann sich aber anhand des ausführlichen Inhaltsverzeichnisses
und der Hinweise in den Anmerkungen gul zurechtfinden und
so die Erläuterung von L. entweder statt oder mit dem Text des
Origenes lesen, bzw. zum Nachschlagen heranziehen. Vor dem
Hauptteil des Buches steht eine kurze Einleitung über das
Leben des Origenes (hier müßte man „circa" vor die meisten
Zeitangaben setzen, und irgendwo die Bibelkommentare des
Origenes. die ja seine Hauptleistung waren, erwähnen), über
das Werk „Peri Archon" (PA), seinen Aulbau. seine Methoden
und über Textprobleme. Nach dem Hauptteil berichten zwei