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Ausgabe:

1995

Spalte:

1009-1012

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kees, Reinhard Jakob

Titel/Untertitel:

Die Lehre von der Oikonomia Gottes in der "Oratio catechetica" Gregors von Nyssa 1995

Rezensent:

Vinzent, Markus

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1009

Theologische Lileraturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 11

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Kirchengeschichte: Alte Kirche

Kees, Reinhard Jakob: Die Lehre von der Oikonomia Gottes
in der Oratio Catechetica Gregors von Nyssa. Leiden-New
York-Köln: Brill 1995. X, 339 S. gr.8° = Suppl. to Vigiliae
Christianae, 30. Kart. hfl. 160.-. ISBN 90-04-10200-0.

Die Auferstehung Christi ist, wie es K. Barth bei seiner Auslegung
des Apostolischen Glaubensbekenntnisses einmal klassisch
formulierl hat, das zentrale Momenl christlichen Glaubens
, das ..Zentrum im Zentrum" (K. Barth, Credo. Die Hauptprobleme
der Dogmatik, dargestellt im Anschluß an das Apostolische
Glaubensbekenntnis. 16 Vorlesungen, Zollikon-Zü-
rich 1946, 75). Und auch R. Bultmann gesteht trotz seiner oft
hartnäckigen Bestreitung Bardischer Theologie, daß „Kreuz
und Auferstehung... als .kosmisches Geschehen' eine Einheit
(bilden)." (R. Bultmann. Neues Testament und Mythologie, in:
Offenbarung und Heilsgeschehen [Beiträge zur Evangelischen
Theologie, 7], München 1941, 27-69, 63). Als Vertreter von
katholischer Seite, der die grundlegende historische und heilsgeschichtliche
Bedeutung der Auferstehung Christi heraushebt,
läßt sich beispielsweise auf E. Schillebeeckx (Jesus. Die Geschichte
von einem Lebenden, Freiburg u.a. 31975) verweisen.
Als Erklärung für den Beginn der Jesus-Bewegung nennt er
Jesu Tod am Kreuz und dessen Überwindung durch die Auferstehung
. In diesem einen Ereignis von Tod und Auferstehung
und aufgrund dieses göttlichen Geschehens an dem Einen hat
sich definitiv das Unheil und Leid von allen und allem zum
unzerstörbaren Heil und zum ewigen Leben gewandelt.

Die Christologie (und Ekklesiologie), die mit Ostern als der
Überwindung von Karfreitag anhebt, ohne daß sie darum Leiden
und Tod verharmlost, ist zumindest seit den Streitigkeiten
um die rationalistische Deutung der Auferstehung Christi im
vergangenen Jahrhundert geläufig. Daß sie älter ist, ja eine alte
Tradition darstellt, wird durch das vorliegende Buch zu Gregor
von Nyssa erhärtet. Was die Lehre von der Oikonomia Gottes,
also seinem Heilshandeln mit dieser und in dieser Welt, betrifft,
so legt Gregor von Nyssa in seinem Spätwerk der Oratio Cate-
chetica ausführlich dar. daß „die Auferstehung Christi nicht nur
die zeitlich erste Auferstehung ist. der die allgemeine Totenauferstehung
nachfolgt, sondern ein Ereignis, das die allgemeine
Auferstehung erst ermöglicht" (299). Sie ist das soteriologi-
sche Moment, ein „neues und lebenschaffendes Prinzip" ( 244).

Mit der Lehre von der Auferstehung Christi stehen wir im
Zentrum der Erlösungslehre von Gregors Oratio. Von hier aus
hat er seine Christologie entworfen, von hier aus seine Anthropologie
und Gotteslehre. Ihrer Behandlung widmet der Vf. folgerichtig
den zentralen und zugleich umfangreichsten Abschnitt
(Teil IV) seiner Studie: „Die Lehre von der Oikonomia Gottes
in der Oratio Catechetica" (91-198).

Wie nun denkt sich Gregor die Auferstehung Christi und ihre heilbringende
Wirkung'.' Schon in <>/'tatte er eine iriehotomische Anthropologie
durch eine dichotomische ersetzt, und sprach später ..nur noch von der
Seele des Menschen im Sinne der vernünftigen Seele. Der Mensch ist
Mensch, solern er aus einem Leib und einer vernünftigen Seele besteht"
(209). Und wahrend er die ..zeitliche Leiblichkeif vor der Eunomianischen
Kontroverse (beispielsweise in op hom Id. PG 44.I85A; an et res 8.9, PG
46.65A) nicht wertneutral sondern negativ als Folge des Falles bewertet
hatte (233). führte ihn eine ..stärkere Reflexion über das Christusgeschehen
" in Elm 111/4 und or etil 13-16 und 28 zu einer ..veränderten Sicht über
die Folge des Falls und der genaueren Bestimmung dessen, was die Sünde
eigentlich ist. Schlecht... (formuliert er nun) sind die Leiblichkeit des Menschen
und dessen in der zur Seele gehörenden Vernunft getroflenen Entscheidungen
nur. wenn sie von Gott wegführen" (219: cf. die Entwicklung
des Teilhabcücdankens. 2Vv240: cf. Eim tll/4. or cot 16.1. PG 49.28 = Sr.
68.1 ff ). Weil negative Entschlüsse im Nous fallen, verlegt Gregor den
Tod. den er zunächst ..ganz traditionell" ..als Trennung von Leib und' (unsterblicher
) Seele" (244) begriffen hatte, in Auseinandersetzung mit Euno-

mius und Apolinarius in Leib und Seele und spricht in or cot 8.8 (PG 36.28
= Sr. 46,2 f.) sogar, wenn auch fast beiläufig, ..vom Tod der Seele" (cf. den
Abschnitt des Vf.s ..Der Tod der Seele": 244-247). In diesem Fall aber kann
die Überwindung des Todes nicht mehr in der Seele oder durch die Seele
geschehen, sondern die ..Kontinuität und Wiedervereinigungsmöglichkeil
(von Leib und Seele)... (liegen) allein bei Gott", und zwar in dem. was in
Christus bei der Auferstehung geschieht (244). Wie zu Gregors Lehre von
der Aulerstehung überhaupt, so kann dem VI. zufolge ..auch zu diesem speziellen
Punkt (sc. der Lehre von dem Tod der Seele) festgestellt weiden,
daß die deutliche Ausformung nicht in anthropologischen, sondern in chri-
stologischen Zusammenhängen, bei denen sich Gregor soteriologischer
Argumente bedient, erfolgt ist. nämlich in der Eunomianischen Kontroverse
. Dort geht es um die Begründung des vollständigen Menschseins Christi
gegen die Leugnung des menschlichen Nous Christi durch Eunomius"
(244). In re/Eim 173-174 (GNO II 385.10-25; Übers, von R. Hübner, Die
Einheit des Leibes Christi bei Gregor von Nyssa. Untersuchungen zum
Ursprung der .physischen- Erlösungslehre [PhÜOSOphia Patrum. 2], Leiden
1974. 138) schreibt Gregor:

..Es kam der Herr zu suchen und zu retten, was verloren war: es war aber
nicht nur der Leib verloren, sondern der ganze Mensch, der aus Leib und
Seele besteht, und wenn man es richtiger sagen soll, so ging die Seele vor
dem Leib zugrunde. Denn der Ungehorsam ist des freien Willens, nicht des
Leibes Sünde: der freie Wille aber, von dem alles Unglück der Natur den
Anfang nahm, gehört der Seele an... Der Tod (wirkt) entsprechend auf beiderlei
, indem das zweifache Leben im Absterben sieh verliert. Denn des
Leibes Tod ist die Erlöschung der Sinne und die Aullösung in die gleichartigen
Elemente: die Seele aber, heißt es. die sündigt, stirbt."

Der Vf. interpretiert: „Die Todesverfallenheit des Menschen,
die Leib und Seele gleichermaßen betrifft, macht die Annahme
eines Leibes und einer menschlichen Seele durch Christus notwendig
." (245) Damit hat Gregor in der Entfaltung seiner Lehre
von den folgen der Sünde das notwendige Instrumentarium
entwickelt, mit dem er in der „Auseinandersetzung mit Eunomins
und Apolinarius. die beide... die Vernunft des Menschen m
Christus bestritten." auf der Notwendigkeit einer menschlichen
Vernunft im Inkarnierten bestehen konnte. Nur von einem Chri-
slus. der einen Menschen mit einer menschlichen, sündigen
Vernunft angenommen hatte, konnte ausgesagt werden, daß er
alles angenommen haue und als ganzer Mensch mil l eib. Seele
und der darin befindlichen Vernunft starb. Erst in der Auferstehung
aber wurden Leib und Seele wieder zusammengeführt und
sind dadurch unsterblich geworden. Damit hat Gregor „wichtige
anthropologische Grundeinstellungen gegenüber der griechischen
Tradition geändert. Die Seele ist nicht mehr per sc unsterblich
. Dennoch ist sie als etwas Uiizusanimengesetztes zur
Unsterblichkeit fähig und kann nicht ins Nichts übergehen "
(247)

Wie der Vf. in dem in Teil V seiner Arbeit angestellten Vergleich
der „in der Oratio Catechetica entfaltete(n) Lehre von
der Oikonomia Gottes... zum Gesamtwerk Gregors" (199-289)
aufzeigt, lehrte Gregor die soteriologische Zentralität der Auferstehung
nicht bereits von Anfang an. Erst in seinem Alterswerk
(zin Datierung der Oratio die umsichtigen Ausführungen
Seite 201-208: zweite Hälfte der 8()er Jahre, „am wahrscheinlichsten
sind die Jahre 386 und 387" |207|) kam er zu dieser
Erkenntnis, nachdem er sich ausführlich mit seinen beiden
großen Gegnern, dem Neuarianer Eunomius und dessen Be-
streiter Apolinarius. auseinandergesetzt halle. Manches, was ..in
der Auseinandersetzung mit Apolinarius wichtig" wird (209).
findet sich andeutungsweise bei Gregor zwar bereits in früheren
Schriften, doch Entscheidendes, wie die Lehre vom Tod der
Seele und den unendlichen Aulstieg und das Stieben der Seele
zu Gott, entfaltete er erst in seinen letzten großen theologischen
und asketischen Werken (2I3.246L). Wenn aber Gregor erst
..im anlirrli vollends klar wurde, daß das eigentliche Heilsereignis
im Christusgeschehen die Auferstehung Christi ist"
(262). welche Stellung nahm dann die Auferstehung Christi in
seinem früheren Schrifttum ein'.'

In op hom 25 oder auch tonet pasch soll „die Auferstehung
Christi... die allgemeine Totenauferstehung beweisen" (250).
Sie wird hierzu als „das größte Wunder" in eine „Reihe der von