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Ausgabe:

1995

Spalte:

987-989

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Noort, Edward

Titel/Untertitel:

Die Seevölker in Palästina 1995

Rezensent:

Zwickel, Wolfgang

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987

Theologische Literatur/eitung 120. Jahrgang 1995 Nr. I 1

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Kitan, Teil el-Hayyat, Gezer, Sichern, Bet Schean). schließlich
auch in vom König eingerichteten Heiligtümern (Arad) und in
anderen Orten (Lachisch, Bet Schemesch, Bull Site, Tirzah. Me-
giddo, Taanach, Dan). Der bildlose Kult Israels gehört demnach
zu den Wurzeln des Volkes und ordnet sich in einen größeren
kulturellen Kontext im ganzen Vorderen Orient ein. Die Bildlo-
sigkeit in Israel stellt keine theologische Retlektion dar, sondern
ist ein von der Umwelt vorgegebenes Gut. Erst das ausdrückliche
Bilderverbot, das im Zusammenhang mit der Jahwe-allein-Be-
wegung ausgesprochen wurde, ist eine für diese Zeit typische
und sonst nicht belegte Eigenart der israelitischen Religion.

M.s materialreiche und gründliche Arbeit stellt einen neuen
Ansatzpunkt für Diskussionen bezüglich der Bilderlosigkeit
dar. Ob sich die von M. aufgestellte These, daß auch Masseben
und Symbole im Kontext der Bilderlosigkeit zu sehen sind,
durchsetzen wird, muß die weitere Diskussion zeigen. Gerade
Ugarit ist ein wichtiger Beleg gegen diese These, da dort einige
der Stelen mit anthropomorphen Götterbildern verziert sind,
d.h. bei diesen qualitativ hochwertigen Exemplaren wird deutlich
, daß eine Stele eine anthropomorph vorgestellte Gottheit
repräsentieren kann. Die Darstellung entweder in der Form
einer Massebe oder in der Form eines plastischen Götterbildes
ist zumindest dort offenbar ohne größere Schwierigkeiten austauschbar
(worauf M. übrigens auch hinweist). Es ist zu fragen,
ob Masseben nicht vornehmlich dann verwendet wurden, wenn
ein (nicht aus hochwertigem Material hergestelltes) Götterbild
in wenig besiedelten Gebieten aufgestellt werden sollte, was
insbesondere auf die zahlreichen offenen Kultstätten im Negeb
zutreffen würde.

Kiel Wolfgang Zwickel

Noort, Ed: Die Seevölker in Palästina. Kämpen: Kok Pharos
1994. 238 S. m. 58 Abb. gr.8Q. Kart. Nlg. 69.90. ISBN 90-
390-0012-3.

Die mit den Seevölkern verbundene Problematik gehört zu den
schwierigsten Themenbereichen, die im Rahmen der Geschichte
Israels behandelt werden müssen. Selbst Fachwissenschaftlern
fällt es oft schwer, den aktuellen Stand der Forschung
zu erfassen, da man für diese Thematik nicht nur die unterschiedlichsten
Texte aus dem gesamten Mittelmeerraum, aus
Kleinasien, Syrien, Mesopotamien. Palästina und Ägypten heranziehen
muß, sondern auch mit den archäologischen Hinterlassenschaften
aus all diesen Regionen vertraut sein muß. Die
Vielzahl neuer Erkenntnisse in diesen Regionen lassen Standardwerke
daher schnell veralten. Wie sehr sich unsere Kenntnis
der materiellen Kultur der Seevölker in den letzten 10 Jahren
allein im palästinischen Raum weiterentwickelt hat, zeigt
schon ein kurzer Blick auf die Grabungen (bzw. Veröffentlichungen
von Grabungspublikationen) in dieser Zeit, unter
denen insbesondere die in Dor, EVion/Hirbet el-Muqannd,
Aschkelon. Teil Qasile und Aschdod zu nennen sind. Angesichts
des ständig sich erweiternden Forschungsstandes ist es
höchst erfreulich, daß der holländische Alttestamentler und Biblische
Archäologe Ed Noort eine neue Zusammenschau der
Befunde vorgelegt hat.

Das Buch ist in fünf Abschnitte gegliedert. Nach einer Einführung
(13-25). in der der Name Palästina, die Geographie des
Landes und eine Übersicht über die wechselvolle Geschichte
der Küstenregion vom 2. Jt. v. Chr. bis in die Gegenwart behandelt
werden, folgt eine umfangreiche Untersuchung zur Geschichte
der Philister an Hand der zur Verfügung stehenden
literarischen Quellen (27-112). Gerade weil N. nicht nur (wie
die meisten anderen Forscher auf diesem Gebiet) Archäologe,
sondern vor allem Alttestamentler ist, verdient dieser Abschnitt

besondere Beachtung. N. verzichtet bei der Behandlung der
biblischen Texte auf extreme Datierungen und folgt weitgehend
einer traditionellen, aber historisch-kritischen Forschungsmeinung
. Gelegentlich wird dabei der historischen Verwertbarkeit
der Belege in den Augen des Rezensenten sogar zu viel zugetraut
. Gewöhnungsbedürftig ist, daß N. mit den jüngsten Texten
beginnt, um dann sukzessive sich älteren Texten zuzuwenden.
Sehr ausführlich beschäftigt er sich mit der Interpretation der
Bilder und Texte von Medinet Habu. Diesem Abschnitt sind
auch die relevanten Ausschnitte von den Tempel wänden, eine
Abbildung der einzelnen Schiffstypen, einige Zusammenstellungen
der Antiquaria und eine isometrische Darstellung des
Tempels mit Angabe der Lage der relevanten Reliefs beigegeben
. Die gründliche Untersuchung führt zu dem Ergebnis, daß
nicht nur - wie bisher immer angenommen - die Philister (plst)
als Federkronenträger dargestellt werden, sondern auch noch
die dnjn, die skli und die tkr, während die Hörnerhelmträger
jeweils srdn sind. Es gibt aber auch Abbildungen, in denen die
Federkronenträger auf ägyptischer Seite kämpfen. Dies führt N.
zur Aufgabe der traditionellen Sicht landhungriger Scharen, die
nach Ägypten eindringen. Vielmehr handelte es sich bei dem
Seevölkerkrieg um einen Aufstand ehemaliger Hilfstruppen
Ägyptens, die kurze Zeit später wieder unter ägyptischer Kontrolle
waren. Es isl auch keinesfalls bewiesen, daß Ramses III.
diese Gruppen wirklich ansiedelte. Vielmehr können sie u.U.
schon vor seiner Zeit in der Küstenregion Palästinas ansässig
gewesen sein.

Das dritte Kapitel (113-167) beschäftigt sich schwerpunktmäßig
mit der materiellen Hinterlassenschaft der Philister. N.
betont, daß die Parallelen für die sog. Philisterkeramik nur bis
nach Zypern (und nicht bis in den mykenischen Raum) zu verfolgen
sind. Zudem bestreitet er - in Ubereinstimmung mit der
Mehrheit der Fachgelehrten - den Automatismus einer Verbindung
des Nachweises dieser Keramik an einer Ortslage mit
der Anwesenheit von Philistern. Bei dieser charakteristischen
Ware handelte es sich offensichtlich um Luxus- und nicht Gebrauchskeramik
, deren Ursprung eindeutig in der Küstenebene
zu suchen ist. Selbst an typisch philistäischen Orten machte ihr
Anteil an der Gesamtkeramik allenfalls etwa 20% aus. Derartige
Luxuskeramik stellte immerauch ein wertvolles Handelsprodukt
dar, das auch in Ortschaften ohne philistäischen Bevölkerungsanteil
angekauft wurde. Bei den anthropoiden Sarkophagen
übernimmt N. die in der neueren Forschung weithin akzeptierte
These, daß in diesen Sarkophagen vornehmlich ägyptische
Beamte bestattet wurden. Sie können also nicht mit den
Philistern in Verbindung gebracht werden. Die philistäischen
Figurinen (z.B. die sog. Aschdoda) versteht N. nicht als Nachahmungen
mykenischer Vorbilder, sondern als typischen Beleg
für die Mischkultur der südlichen Küstenebene, die neben ka-
naanäischen und ägyptischen Einflüssen auch solche aus dem
Mittelmeergebiet, insbesondere aus Zypern, aufgenommen hat.
Die im philistäischen Gebiet entdeckte Glyptik aus der Eisenzeit
I weist (wie auch die sonstige palästinische Glyptik dieser
Zeit) enge Beziehungen zu Ägypten auf. Auch die Architektur
und die Kleinfunde lassen sich gut aus einer kanaanäischen Tradition
, in die Elemente des Mittelmeerraumes und Ägyptens
eingeflossen sind, erklären. Die gesamte materielle Hinterlassenschaft
ist demnach als Mischkultur mediterraner, kanaanäi-
scher und ägyptischer Traditionen zu umschreiben, während
eindeutige Aufnahmen mykenischer Kultur fehlen.

In dem Abschnitt über die Religion (169-178) weist N. auf
die Tatsache hin. daß die von den Philistern verehrten Götter
Dagon. Baal-Zebul und Astarte in der vorderorientalischen
Welt beheimatet sind. Im Zusammenhang mit diesem Kapitel
hätte man auch noch erwähnen können, daß die philistäischen
Städte offenbar die spätbronzezeilliche Tradition eines Stadtheiligtums
(vgl. die Tempel in Teil Qasile und Ekron) weiteige-