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Ausgabe:

1995

Spalte:

986-987

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mettinger, Tryggve N. D.

Titel/Untertitel:

No graven image? 1995

Rezensent:

Zwickel, Wolfgang

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985

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 11

986

Logik als widerstreitende Entwürfe zu betrachten wären. Kosmogonien
entstehen nicht als Frage nach dem Anfang der Welt,
vielmehr ans dem Bedürfiiis, eine gegenwärtige Ordnung im
Kult oder im Staat als von Anfang geschaffene zu legitimieren.
Sie begegnen daher nicht als selbständige Schöpfungserzählungen
, sondern stehen als Elemente jeweils in einem größeren
Zusammenhang. Ersl dieser gibt über Funktion und Bedeutung
Auskunft. Der Vergleich der Gattungen ist daher wichtiger als
der einzelner Motive. Enuma Elis etwa ist keine mesopotami-
sche "Standard cosmogony", sondern begründet sehr speziell
Königtum und Mardukkult in Babylon.

Die seit den Arbeiten von C. Westermann und R. Albertz.
gern vollzogene Trennung /wischen Menschenschöpfung (An-
thropogonie) und Weltschöpfung (Kosmogonie) hält der Vf.
ebensowenig für begründbar. wie sich die Dichotomie von
Mythos und Historie an den allorientalischen Zeugnissen bewahrt
.

In der Bibel begegnen verschiedene kosmogonische Konzepte
ebenfalls in einer großen Bandbreite von Galtungen: Gen 2-
11 ist ein "mythohistorical aecount", der mesopotamische Vorbilder
(Atnihusis u.a.) zu einem eigenständigen Entwurf verarbeitet
. Vom neubabylonischen Epos Enuma Elis führen Verbindungslinien
eher zu Deuterojesajas Zionstheologie (Erschaffung
von Tempel. Kult u. Ernennung des König) als zu Gen I.
Der erste Schöpfungsbericht ist ohne direktes Vorbild, nimmt
eklektisch kosmogonische Konzepte kanaanäisch-phönizischer
und ägyptischer (memphitischer) Herkunft auf und schafft daraus
- Philo v. Byblos ähnlich - etwas Eigenes. Die Psalmen
verbinden historische Erinnerungen (Rettung am Schilfmeer)
mit den aus Ugarit bekannten mythischen Bildern vom Chaoskampf
. Diese versteht der Vf. hier durchgängig als kosmogonische
Aussagen: Sie wollen erzählen, wie das Volk Israel entstand
, d.h. von Gott erschaffen wurde. Doch sind m.E. Chaoskampfmotive
eo ipso noch keine Schöpfungsmotive, wenngleich
beides vor allem bei Dt.les ausdrücklich verbunden wird.
In der Spruchweisheit werden Kosmogomen in Mahnreden verwendet
, um ein Leben in der Weisheit als erstrebenswertes Ideal
und die Weisheit als Geheimnis der Welt in der Schöpfung zu
begründen. Die Hiobdichtung endlich parodiert kosmogonische
Hymnen mit dem Ziel. Gerechtigkeit vom Schöpfergott einzufordern
. Andererseits dienen sie dazu, den Platz der Menschen
in der Schöpfung zu relativieren. Denn die geschaffene Welt -
darin sind sich alle Kosmogonien des Alten Orients einig - ist
nicht anthropozentrisch, sondern theozentrisch. Ihr Geheimnis
liegt in Gott bzw. den Göttern verborgen.

Dem VI. gebührt Dank. Nach vielen Jahren liegt wieder ein
leicht lesbarer (und preiswerter) Überblick über altorientalische
(und biblische) Kosmogonien vor, der neueste Forschungsentwicklungen
berücksichtigt, sich in seinen Kommentierungen
auf anerkannte Positionen stützt, und somit gleichermaßen als
Einführungskurs für Fachfremde wie als Ausgangspunkt zu
weiterer Forschung geeignet ist.

Horn TJhotlUS Naumann

1 Ergänzend sei auf den vom Vf. mitverantworteten Sammelband verwiesen
: Clifford. R. J./Collins. J. J. (eds.) Creation in the biblical Traditions.
CBQMS 24. 1993.

2 Viele der hier gebotenen Quellentexte sind mittlerweile in deutscher
Übersetzung in der Reihe ..Texte aus der Umwelt des Alten Testaments"
zugänglich, deren Edition der epischen Texte inzwischen last abgeschlossen
ist. Nützlich ist noch immer das altere Werk von M. Eliade u.a. [Hrsg.],
Die Schöplungsmythen. Ägypter. Sumerer. Hurriter. Hethiter. Kanaaniter
und Israeliten. 1964 = Nachdruck: Darmstadt 1991.

ä Vgl. aber jetzt V. Haas. Geschichte der hethitischen Religion. HdO
1/15. 1994. 106-180.

Mettinger, Tryggve N. D.: No Graven Image? Israelite An-
iconism in Its Ancient Near Eastern Context. Stockholm:
Almquist & Wikseil Intern. 1995. 250 S. zahlt . Abb. gr.80 =
Corriectanea Bibliea. Old Testament Series, 42. Kart. SEK
192.-. ISBN 91-22-01664-3.

Die Untersuchung von T. N. D. Mettinger widmet sich der Frage
, ob der Verzicht auf bildliche Darstellungen einer Gottheit,
wie sie im Allen Testament belegt ist. eine auf die Jahwereligi-
on beschränkte theologische Aussage darstellt oder auch sonst
noch im Orient verbreitet ist. In seinem ersten Kapitel (13-38)
fragt M. zuerst nach der Herkunft des Bilderverbotes. Zwar
stammen die biblische Belege hierfür frühestens aus der Zeit
des 7. Jh.s. doch wurde schon vorher Jahwe bildlos in Jerusalem
auf dem Kerubenthron sitzend vorgestellt, und auch in dem
Heiligtum in Arad befand sich statt eines Götterbildes eine
(bildlose) Massebe. Die Praxis der bildlosen Darstellung
Jahwes muß demnach älter sein als die literarische Fixierung
des Bildet Verbots. Dies führt M. in einem zw eiten Abschnitt zu
seiner Definition des Begriffes der Bilderlosigkcit: Man habe
dabei /w ischen einem bildlosen Symbol ("material aniconism")
und dem bewußten Verzicht selbst auf eine symbolische Wiedergabe
einer Gottheil ("sacred emptiness", "empty-spacc aniconism
") zu unterscheiden. M. nimmt an. daß in den Tempeln
vornehmlich Götterbilder verwendet wurden, während an den
offenen Heiligtümern die bildlose Darstellung bevorzugt wurde
. Dabei scheint sieh M. aber der Problematik dieser These
bewußt zu sein, wenn er gleichzeitig eine nicht unbeträchtliche
Anzahl von Masseben in den Tempeln Palästinas auflistet. Andererseits
wurden an den offenen Kultstätten in Nahariyya und
der sog. Bull Site, vielleicht sogar auch bei der Massebenreihe
aus Gezer, anthropomorphe Götterbilder gefunden.

In den nachfolgenden Kapiteln wird dann die anikonische
Gottesverehrung bei den verschiedenen Völkern des Vorderen
Orients untersucht. Kap. 11 (39-56) beschäftigt sich mit Mesopotamien
und Ägypten. Für Mesopotamien macht M. auf die
häufig (z.B. auf Kudurrus) belegten Göttersymbole aufmerksam
, die ein Götterbild offenbar vollwertig vertreten konnten
und auch gleich einem Götterbild angebetet wurden, während er
für Ägypten auf den nur in Strahlenform dargestellten Gott
Aten und den in Theben in der Gestalt eines anikonischen
Steins verehrten Amiiii verweist. Bei den Nabatäern (57-68)
wird der Hauplgott Dusares /war gelegentlich ikonisch abgebil
det. meist aber durch einen schwarzen Stein repräsentiert.
Offenbar war die gesamte nabatäische Religion ursprünglich
anikonisch; bildliche Darstellungen sind auf einen hellenistischrömischen
Einfluß zurückzuführen. Auch im vor-islamischen
Arabien (69-79) spielen, soweit man dies den wenigen Belegen
entnehmen kann, bildlose Steine an den offenen Heiligtümern
der Nomaden eine zentrale Rolle. In der phönizisch-punischen
Well (81-113) sind außerhalb des Mutterlandes anikonische
Kulte in Paphos, Emese, Carmel und Gades belegt. In Tyrus
wurde der Hauptgott Melqart ebenfalls anikonisch, d.h. in Form
zweier aufgerichteter Steine, verehrt, während im sidonischen
Gebiet mehrere leere oder aber auf der Sitzfläche mit Stelen
versehene Sphingenthrone belegt sind. Auf einer Mün/e aus
Byblos wird das dortige Heiligtum mit einem zentralen Stein
gezeigt. Im bronzezeitlichen Syrien und Libanon (115-134) finden
sich in den Texten einerseits literarische Belege (akk.
Slkkänwn bzw. ugar. skn „Stele"), andererseits in Mari, Ebla
und Emar sow ie vielleicht in Qatna, Ugarit und Byblos auch
anikonische Kultsteine. Das abschließende Kapitel (135-197)
beschäftigt sich mit der Entwicklung der Bilderlosigkcit in Israel
. Auch in Palästina finden sich seil dem 4. Jt. v.Chr. zahlreiche
Masseben, ursprünglich eher in nur von Nomaden (Sasu!)
bewohnten Wüsten- und Steppenregionen, dann auch in bronzezeitlichen
Städten (Megiddo. Hazor. Hartuv. Teil Müsä/Tel