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Ausgabe:

1995

Spalte:

982-983

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Körtner, Ulrich H. J.

Titel/Untertitel:

Der inspirierte Leser 1995

Rezensent:

Weder, Hans

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 11

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de von P. Weimar). So fällt auf. daß der Vf. überhaupt nicht von
älteren Geschichtswerken spricht, sondern - abgesehen von
Arnos - im Prinzip mit der .Bibel" des Hilkija beginnt (442,
650). Außerdem hebe ich seine These hervor, daß die israelitische
Religion polytheistisch, die frühjüdische aber monotheistisch
gewesen sei (404. 650). Diese Thesen fordern zur Diskussion
heraus. In einem Bibel-Lexikon bekommen sie natürlich
ein ganz eigenständiges Gewicht!

K. Engelken - Artikel „Jungfrau/Jungfräulichkeit" (416-419)
- darf ich fragen, ob er hinreichend würdigt, daß schon die
Übersetzung von Jes 7 (so auch der Begriff jtuqOevoc; für cal-
ma) durch die Septuaginta eine Eschatologisierung vornimmt,
an die der Text in Mt 1 anknüpfen kann? Insofern darf sowohl
Matthäus als auch die Alte Kirche Jes 7.14 vielleicht doch für
ihre Darstellung in Anspruch nehmen!? Dazu verweise ich auch
auf den Artikel ..Jungfrauengeburt" von M. Görg (419 f.). Die
Hgg. lassen offensichtlich bewußt eine gewisse Vielstimmigkeit
in ihrem Lexikon stehen.

Zum Artikel ..Kalender'' von K. Jaros (429-432) gebe ich noch einen
aktuellen LiteratUlhiaweU: M. Albani. Astronomie und SchöpfungsgUube,
Untersuchungen zum Astronomischen Henochbuch. WMANT 68. Neukirchen
-Vluyn 1994.

Neben dem Hinweis auf Ez 18,2-4 in ..Kind I" (472 f.) von F. J. Stendenbach
, wäre auch noch der auf Jer 31,29f zu geben gewesen.

G. Hentschel hat den Artikel „König (Bücher der)" vorgelegt
(505-508). Zur redaktionskritischen Differenzierung (505 f.)
erinnere ich den Artikel „Deuteronomistisch" von N. Lohfink
(Bd. [, 413 f.), der neben DtrH. DtrP und (durchaus mehreren)
DtrN noch die bei G. Hentschel fehlende Neuredaktion DtrTh
genannt hatte, die von mir einmal in das Gespräch gebracht
worden war.12 Der Vf. ist der Meinung, daß der Bericht zur
Revolution des Jehu auf Anhänger dieses Usurpators zurückgehen
würde (506). Hier erneuere ich meine These, daß die älteste
Fassung gerade Kritik an Jehu übt.1 ^

M. Weippert nutzt den Artikel ..Königtum (I)" (513-516) zu
einem knappen und prägnanten Geschichtsbild, das mit manchen
traditionellen Vorstellungen der alttestamentlichen Wissenschaft
aufräumt. So fehlt die These der .Väterrcligion', wird
der Vorgang der .Landnahme' knapp angedeutet,14 die These
vom „charismatischen" Königtum in Israel abgewiesen. Zur
Tatsache, daß der jeweilige Oberpriester ein Staatsamt bekleidet
, hätte ich auch Am 7,10-17 (Amaz.ja, vgl. Bd. I. 86)
erwähnt. In guter Weise ergänzt die Liste der judäischen und
israelitischen Könige (515 f.) die Chronologie (509 f.). Außerdem
erfolgt eine Wiederaufnahme und Vertiefung vieler Fragen
durch B. Janowski. Artikel „Königtum II" (516-520).

Eine ausgebrochen ausgewogene Deutung legi B. Lang mit seinem Artikel
„Kohelet (Buch)" vor (523-526). Die verschiedenen Facetten des Denkens
dieses Buches - Pessimismus und Lebens! reude - werden überzeugend
herausgearbeitet.

Der Artikel ..Kreuzigungsstätte" hat in sich eine große Spannung
. M. Frenschkowski reflektiert im Teil I (549 f.) die traditionelle
Verbindung von Golgota und Grab und entscheidet sich
im Grund für die ..altkirchliche Lokalisierung" (vgl. dazu besonders
den Artikel „Heiliges Grab" von M. Küchler, 89-93). E.
L. Martin bietet im Teil II (550 f.) die für mich völlig überraschende
These, daß Jesus auf dem Ölberg gekreuzigt worden
sei. Damit wird ihm die Möglichkeit gegeben, seine eigene Position
in einem Lexikon vorzustellen.1'' Ich darf anfragen, inwieweit
dies der richtige Ort für interessante, aber doch noch
eher außerordentliche Thesen ist.

Mit dem Artikel „Kulturkritik" (564 f.) liegt ein gut ausgewogener
Text von E. Würthwein vor. der Erstzugang zu dieser
Fragestellung werden sollte.

Folgende Druckfehler und Unregelmäßigkeiten sind mir aufgefallen:
396 fehlt der Hinweis ..... - Judäa). Name eines...". - Muß es heißen

..Judaa" (482) oder ..Judaia" (483)? - 506: .. des - Jehu (2Kön 9.1-10.27)".

An diesem Beispiel sei gefragt, wie konsequent Querverweise erfolgen sollten
. - 515:.....(LH. des 9. Jh.) in Samaria..." - 617 wird plötzlich ..Ps" mit

W umschrieben. - 619 ist ein „beiden" zu viel: ..... auch die beiden letzteren
beiden durften...".

Ich freue mich sehr, daß die Unsitte des eingefügten „I" für
weibliche Formen nicht mehr praktiziert wird.

Eisenach Rainer Stahl

1 Ich verweise auf meine Rezensionen in ThLZ I 14. 1989. 873 f. (Lfg.
D.ThLZ 116. 1991. 652-654 (Lfg. 2-4). ThLZ 117, 1992, 264-266 (Lfg. 5).
ThLZ 117. 1992. 734 f. (Lfg. 6) und ThLZ 118. 1993. 17-19 (Lfg. 7).

2 Vgl. F. Stolz. Psalmen im nachkultischen Raum. Theol. Studien 129.
Zürich 1983.

-1 N. Lohfink. Von der .Anawim-Partei' zur .Kirche der Armen'. Die
bibelwissenschaftliche Ahnentafel eines Hauptbegriffs der .Theologie der
Befreiung', Bib 67. 1986, 153-176.

4 Vgl. W. S. Prinsloo. BZAW 163, 1985. 8.

■' W. v. d. Meer. Oude Woorden worden nieuw. De Opbou van het Boek
Joel. Kampen 1989. Allerdings hat dieses Buch W. S. Prinsloo. ZAW 104.
1992, 74 f.. kritisch diskutiert - ein Titel, den A. Deissler vermerkt.

6 R. Stahl. Abrüstung. Gedanken eines Alttestamentiers zu einer Überlebensfrage
, Forschungsstelle Judentum. Mitteilungen und Beiträge 5. Leipzig
1992. II.

7 Chr. Levin. Die Entstehung der Rechabiter. in: Wer ist wie du. Herr,
unter den Göttern? Studien zur Theologie und Religionsgeschichte Israels.
FS O. Kaiser, hrsg. von I. Kollsiepber. J. van Oorschot. D. Römheld und H.
M. Wahl. Göttingen 1994. 301-317.

K A.a.O., 306.

9 BEATAJ 12. Frankfurt/Main. Bern, New York. Paris 1989.

10 In: Überlieferung und Geschichte, FS G. Wallis, hrsg. von H. Obst.
Halle 1990. 23-34.

'' Vgl. hierzu den Artikel ..Antijudaismus" von I. Broer. Bd. I. 113.

12 R. Stahl. Aspekte der Geschichte deuteronomistischer Theologie. Zur
Traditionsgeschichte der Terminologie und zur Redaktionsgeschichte der
Redekompositionen. Habil. Jena 1982.

13 Vgl. meine Rezension von Lfg. 7 in: ThLZ 118, 1993, 18 1.

14 Die fünf philisläischen Stadtstaaten (514) muH man allerdings aus dem
Artikel „Landnahme" entnehmen: Gaza. Aschkelon. Aschdod. Ekron. Gat
(586).

15 E. L Martin. Secrets of Golotha. Portland 1988.

Körtner. Ulrich H. J.: Der inspirierte Leser. Zentrale Aspekte-
biblischer Hermeneutik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1994. 179 S. 8» = Sammlung Vandenhoeck. Kart. DM
28.-. ISBN 3-525-01618-2.

Die vorliegende Arbeil versucht, „in kritischer Abgrenzung gegenüber
einer .Hermeneutik des Einverständnisses'" wichtige
„Konturen einer theologischen Hermeneutik des Unverständnisses
" zu skizzieren (14). Freilich: Kann angesichts des Unverständnisses
überhaupt noch Hermeneutik getrieben werden?
Besondere Berücksichtigung findet dabei die literarische Hermeneutik
, weil diese (I) in Rechnung stellt, daß die „Verste-
hensbedingungen schriftlicher Texte grundlegend anders als
diejenigen mündlicher Kommunikationsvorgänge sind", und
weil diese (2) die „konstitutive Rolle des Lesers beim Zustandekommen
des möglichen Sinns jedes Textes entdeckt" (14 f.).
Entscheidende Voraussetzung ist. daß „dem Kanon nicht eine
historisch sekundäre, sondern eine hermeneutisch fundamentale
Rolle" zukommt (16). Die in diesem Buch zusammengestellten
Studien vertreten „die These, daß der von den biblischen Texten
implizierte Leser ein vom Geist Gottes inspiriertet Leser ist"
(ebd). Die Antwort auf die Frage, was dies denn anderes sei als
eine Hermeneutik des Einverständnisses, muß die Lektüre /eigen
. Alles hängt davon ab. wie sich der implizierte Leser zum
wirklichen Leser verhüll. Isl er eine Möglichkeit, die der wirkliche
Leser zu ergreifen hat. oder ist er ein gleichsam dynamischer
Raum, der den wirklichen Leser anzieht?

Die Orientierung am Unverständnis ergibt sich aus dem
Urteil des Vf.s über die gegenwärtige Situation. Wir sind „eher
mit den verzagten Jüngern zwischen Himmelfahrt und Pfing-