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Ausgabe:

1995

Spalte:

979-982

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Neues Bibel-Lexikon 1995

Rezensent:

Stahl, Rainer

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979

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 11

780

men geführt hat. Das Werk von G. wird hier von niemandem als
Patentmedizin zu nutzen sein. Aber gerade seine begriffsanalytischen
Diskurse sind als wichtiger Gesprächsbeitrag zur Theoriebildung
zu betrachten. Sie zeichnen sich durch hohe Transparenz
und Kommunikativität aus und sind über weite Strecken
von der Fähigkeit zu offensiver Auseinandersetzung, Humor
und Selbstkritik gekennzeichnet - Tugenden, die man sicher
auch den Bibelwissenschaften wünschen möchte - v.a. aber
eine breite und intensive Auseinandersetzung mit erzähltextana-
lytischem Handwerkszeug wie diesem.

Rostock Eckart Reinmutli

Görg. Manfred, u. Bernhard Lang [ Hrsg. |: Neues Bibel-Lexikon
. Lfg. 8: Jesaja (Buch) - Klage. Sp. 317-492. ISBN 3-
545-23059-7. Lfg. 9: Klage - Magie. Sp. 493-684. ISBN 3-
545-23060-0. Zürich: Benziger 1992/94. gr.8«.

Die Besprechung der beiden neuen Lieferungen des Neuen
Bibel-Lexikons ist wiederum eine besonders reizvolle Aufgabe
.1 Auch jetzt kann eine durchgehende Erörterung der Probleme
nicht erfolgen. Einige gewichtige Sachfragen sollen aber in
Auswahl thematisiert werden. Gerade deshalb ist es notwendig,
die Anerkennung und den Dank für die hiermit zur Verfügung
gestellten Informationen und Interpretationen am Beginn deutlich
auszusprechen: Dieses Lexikon-Projekt erfüllt in besonderer
Weise die in es zu setzenden Erwartungen.

Gegenüber Lieferung 7 ist zwischen ..Jeschua" und „Jesreel" ein Artikel
zu „Jeschurun" eingeschoben (319).

Von J. Gnilka stammen die beiden wichtigen Artikel zu
„Jesus Christus" (320-338) und zur „Leidensgeschichte Jesu"
(616-619). Ein wesentlicher Schlüssel zum Verstehen Jesu
dürfte in der Passionsgeschichte liegen. Hier ist die schillernde
Atissage über den ..Menschensohn" gerade in ihrer Offenheit
am besten greifbar (Mk 14.62 - vgl. 333 f.). Hier entscheidet
sich alles in der Differenzierung zwischen der mit Hilfe von Ps
22 erfolgenden Deutung des Geschehens und dem Geschehen
selbst. J. Gnilka stellt mir anfangs nicht entschieden genug die
Frage nach der wirklichen Historizität (vgl. 335 f.), trägt aber
dann wichtige Eckdaten nach (vgl. 618 f.). Ich frage: In welchem
Maße hat die Deutung mit Hilfe von Ps 22 (vgl. 617) Fakten
geschaffen, die nicht als Beschreibung von historisch verifizierbarem
Geschehen, sondern als theologische Deutung begriffen
werden müssen? Hilfreich ist an dieser Stelle der Artikel
..Klage" (489-493). den (). Fuchs vorgelegt hat. Dort wird Ps 22
selbst gedeutet (490-492) und eine Interpretation der Passionsgeschichte
Jesu gegeben (492 f.): Die mit ihr greifbare "Hoffnung
auf die endzeilliche Rettungstat" (492) gibt die Möglichkeit
der „Versprachlichung des paradoxen Tatbestandes, daß
der Messias scheitert" (ebd.). Daneben aber halte ich die Deutung
des Psalms als Text, der das Vertrauen zu Gott in der Krise
durchhält, als Text der Gleichzeitigkeit von Leid und Lob für
bedenkenswert.2 Jesus selbst erscheint so zuerst als ein Gerechter
, der im Leid .an Gott dran bleibt'. Für die in diesem Zusammenhang
notierte Bedeutung der ..Armen" (492) und die Anknüpfung
an eine „Armenfrömmigkeit" (331) sei eine ernüchternde
Bestandsaufnahme von N. Lohfink in Erinnerung gerufen
.-^ Es ist nicht wirklich gesichert, ob und in welcher Art die
„Anawim" eine besondere Gruppe waren.

Mit Blick auf den von A. Deissler vorgelegten Artikel zum
...loci (Buch)" (348-350) unterstreiche ich die Vielfalt der Positionen
zur Frage der Entstehung dieses Buches: Die Wissenschaft
hat einen Zeitraum von sieben Jahrhunderten erwogen.4
Ein interessantes Bild der Entwicklung dieses Buches wird aber
nicht besprochen.5 Vielleicht könnte auf dieser Basis Joel 4,1 ff.
in die Wende vom 7. zum 6. Jh. v.Chr. eingeordnet werden.6

Aufmerksam möchte ich machen auf den Artikel zum ..Johannesevangelium
" von P. Hofrichter (359-369). Der Vf. legt abgesehen
davon, daß es auch andere Positionen gibt (vgl. die Notiz:
„Das J. ist seither die wissenschaftlich meistdiskutierte Schrift
des NT geblieben." - 360), eine klare Position zur Literaturgeschichte
dieses Evangeliums vor, die auch bis in die Einzelheiten
hinein gut nachvollziehbar ist: Die älteste Schicht bestand aus
Logoshymnus, Zeichcnquelle und Passionsbericht (363-365),
dann erfolgte die Arbeit des Evangelisten (365-367) und schließlich
gestaltete „kirchliche Redaktion" den Text (367 f.).

Im Artikel zu ..Jojakim" von M. Mulzer (372) hätte ich mir einen Hinweis
auf den Palastbau in Ramat Rachel gewünscht.

Zum Artikel „Jona (Buch)" von H.-W. Jüngling (37.3-377)
erlaube ich mir zu der Notiz, daß „Gott sich das Unheil leid sein
(läßt), das er der Stadt angedroht hatte" (374), den Hinweis auf
Gen l8.22b-32 und Ex 32.1 1-14. Das sind m.E. hochbedeutsame
Stimmen in der Theologie Israels. Gehören sie in zeitliche
und situative Nähe zueinander?

Zum kleinen Artikel „Jonadab" von M. Görg (377) weise ich
auf eine Position hin. die der Vf. noch nicht hatte kennen können
: Chr. Levin hat jetzt die These vertreten, daß die Rekabiter
das Ergebnis spätnachexilischer Exegese seien.' Jonadab ben
Rekab deutet er auf der Basis von 2Kön 10.15 als möglichen
Konkurrenten Jehus, der diesem unterlegen war und mit dem
Jehu durch Handschlag Fl ieden schließt. „Wer war Jonadab ben
Rechab?... Wie Jehu dürfte auch Jonadab ben Rechab dem Offizierskorps
angehört und über einen Teil der Truppe verfügt
haben... Nach dem Namenszusatz ,ben Rechab' zu schließen, ist
er wie Simri ein Offizier der Streitwagentruppe gewesen."x Mit
dieser These wird sich der Vf. des Artikels „Rechabiter" auseinandersetzen
müssen.

Als Ergänzung zum Artikel zu „Joschija" von A. Moenikes (383-385)
hätte ich mir eine Diskussion der archäologischen Gegebenheiten (vgl. den
Tempel in der Zitadelle von Arad und seine evtl. Aufhebung während der
joschijanischen Reform und das vielleicht nachjoschijanische Mazzeben-
heiligtum in Jerusalem) gewünscht.

Die Feststellung zur textlichen Situation des Josuabuches - vgl. Artikel
„Josua (Buch)" von M. Görg. 392-394 - hätte sehr treffend mit dem Hinweis
auf die von Rudolf Meyer besorgte Textedition in der BHS ergänzt
werden können.

Ergänzend zur Literatur des Artikels ..Jubal" von M. Görg (395) benenne
ich zwei Arbeiten von Hans Seidel: Musik in Altisrael. Untersuchungen zur
Musikgeschichte und Musikpraxis Altisraels anhand biblischer und aufier-
biblischer Texte.1' und ders.. Gen 4,19-22 und der Ursprung der Kultur.'"

Zwei Fragen darf ich an den Artikel „Jude" von .1. Eckert
(401 f.) richten: Ist die Polemik in IThess 2 gegen die Juden
wirklich von Paulus?1' Sollte statt „Holocaust", was ja „Brandopfer
" heißt, nicht besser der Begriff „Scho'ah" - „Verbrechen
", „Vernichtung" verwendet werden? Seinen Artikel „Ju-
denchristen" (402 f.) beendet J. Eckert mit der Feststellung:
„Die theologische Bedeutung der J. wird heute im christl.-jüd.
Dialog neu entdeckt" (403). Trotz des historischen Charakters
dieses Bibel-Lexikons wäre es hier m.E. durchaus sinnvoll
gewesen, auf heute lebende messianische Juden, die den Messias
in einer bestimmten Person zu erkennen glauben, und auf
solche Juden, die Jesus als Messias anerkennen, hinzuweisen.
Mit diesen Gruppen dürfte ja die alte Gesprächssituation wieder
neu lebendig werden.

Ganz entschieden weise ich hin auf den Artikel „Judentum
(Frühjudentum)" von B. Lang (404-409). Der Vf. bietet dabei
eine sehr gute Gesamtansicht seiner Positionen, zu der die Artikel
„Kanon I-II" (440-447) und „Literaturgeschichte der Bibel"
(649-654) verglichen werden können, die wir auch B. Lang verdanken
. Im Rahmen dieser Rezension kann ich nicht in die Ein-
zeldiskussion eintreten. Deshalb gebe ich nur zwei Hinweise:
Es gibt Artikel in diesem Lexikon, die die vorgetragenen Positionen
unterstützen - so z.B. „Gott I" (Bd. I, 904-909, auch von
B. Lang). Es gibt aber auch solche, die sie kritisch in Frage stellen
- so z.B. „Jahwist" (268-271) und „Jehowist" (281-284. bei