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Ausgabe:

1995

Spalte:

81-82

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Balthasar, Hans Urs von

Titel/Untertitel:

Gottbereites Leben 1995

Rezensent:

Hoffmann, Fritz

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 1

82

ÖkumGnik' CathoMca möchte der Rez. aber auch an das Thema ,Rätestand' in ökumenischer
Sicht erinnern. Die Gegenwart zeigt uns evangelische
Gemeinschaften, die in einer erstaunlichen Entsprechung
zu den katholischen Laienbewegungen stehen, sowohl in ihrer

Balthasar, Hans Urs von: Gottbefreites Leben. Der Laie und soziologischen Gestaltung wie in ihrem spirituellen Leben. Sie

der Rätestand. Nachfolge Christi in der heutigen Welt. Frei- bestehen und wachsen ohne ausdrückliche Begründung etwa

b"rg: Johannes 1993. 244 S. 8°. Lw. DM 28,-. ISBN 3- durch eine .Theologie des Rätestandes'. Auch von der Kritik

89411-318-9. Martin Luthers her (vgl. den Artikel im RGG) wird sich noch

manche Hürde für eine ökumenische Verständigung ergeben.
Dieses Werk, zusammengefügt zu einem Ganzen aus einer Zahl Schließlich wird zu bedenken sein, daß die charismatischen
Von Veröffentlichungen des Vf.s und postum herausgegeben Laienbewegungen in allen christlichen Kirchen heute eine Welt
von der „Johannesgemeinschaft", greift in seiner Thematik weit vorfinden, die sich immer stärker aus dem christlichen Verste-
hinaus über die theologische Dialektik von Gebot und Rat. „Für henshorizont hinausbewegt. Dazu erfahren die Christen - infol-
'hn (Balthasar) war und blieb die Nachfolge Christi in allen ge einer weltweiten Kommunikation - von Religionen und
'hren Formen ein innerstes und immer neu umkreistes Anlie- Lebensweisen, die dem Christlichen so heterogen sind, daß sie
§en (7). Der geistige und materielle Raum, in dem der Ruf zu für eine Verkündigung oder wenigstens eine Verständigung
*icser Nachfolge verwirklicht werden soll, ist die gegenwärtige kaum erreichbar sind. Gewiß ist dies kein Grund zum Aufgeben
elt. die B. nicht nur unter dem Motiv einer .Heimholung' an- einer Berufung, wie sie B. im Rätestand zeichnet. Doch muß
geht, sondern von ihrer Erschaffung her als eigenen Ausdruck dabei die Welt in ihrer gegenwärtigen Gestalt immer wieder be-
cs göttlichen Ja zu dieser Schöpfung und der göttlichen Liebe dacht und angenommen werden. Sonst könnte es zu einer Ent-
s ditlusivum sui (vgl. die Werke B.s: „das Herz der Welt" wicklung kommen, an deren Ende die charismatischen Ge-
I 945] und „Wahrheit I: Die Wahrheit der Welt" f 19471). Da meinschaften zu einer Art von christlichen Ghettos werden, ganz
as Thema ,Räte' und Rätestand' bis heute auch von ökumeni- im Widerspruch zu ihrem Wesen und ihren ureigenen Zielen.
Scner Bedeutung, ja Brisanz ist. empfiehlt es sich, als Hintergrund
zu B.s Buch die Lexikonartikel über die „Evangelischen Erfurt Fritz Hoffmann
Kate" im LThK III, 1245-1250 (1959, aber auch in der Aull
'936. VIII. 638ff), im RGG II, 785-788 (1958) und bes. den

rtlkel im „Lexikon des Mittelalters" IV, 131-134 (1989, Arte- Gruber, Hans-Günter: Christliche Ehe in moderner Gesell-

rn,s Verl. München/Zürich) heranzuziehen. Die gen. Artikel schaft. Entwicklung - Chancen - Perspektiven. Freiburg-

s'nd wie kleine Kompendien zu unserem Thema. Immer deutli- Basel-Wien: Herder 1994. 370 S. gr.8°. Kart. DM 68,-.

^ner zieht sich in ihnen das Motiv .Verdienst' zurück (außer im ISBN 3-451-23328-2.
G) und wird durch das (schon von Thomas von Aquin her-

°rgehobene) Motiv der Gottesliebe und ( In istusnachfolge ver- In dieser Habilitationsschrift aus München wird der Versuch

«ngt, das Gebot und Rat umgreift. unternommen, eine bestimmte Auslegung der Eheaussagen des

• widmet seine Arbeit über den Rätestand der Rolle, die Zweiten Vatikanischen Konzils voranzutreiben. Gegenüber der

en in (jem apostolischen Auftrag haben, den Christus gab, Tendenz des Kirchlichen Lehramts in der Gegenwart, die bei-

' e Völker zu seinen Jüngern zu machen" (Mt 28,19). In die- den „Sinngehalte der Ehe, der gegenseitigen Liebe und der

^f.m Antrag stehen alle Christen. Zwar gab es im Laufe der Fruchtbarkeit" (147) wieder enger aneinanderzubinden, will der

enengeschichte eine Entwicklung zu einer gewissen Privile- Vf. die „personale Lebensgemeinschaft von Mann und Frau...

Merung des christlichen Apostolates für den Ordens- und Kleri- in den Mittelpunkt des Ehelebens" (272) rücken. Dem ist der

stand. B. öffnet solche Begrenzungen sowohl im geschichtli- Sinngehalt der Fruchtbarkeit zu subsumieren, der nicht nur eine

en Rückblick wie für die Gegenwart. Große, für die Geistes- biologische, sondern auch eine soziale Komponente bei sich

u c"te bedeutende Orden wie die Benediktiner und Franzis- hat. Nicht nur Kinder, sondern auch die soziale Wirksamkeit

aner waren in ihrem Ursprung .Laienbewegungen'. In der der Eheleute über ihre Gemeinschaft hinaus sind hier mit einzu-

qc Uva" 'sl es wiederum der Laienstand, aus dem christliche beziehen; zumal die Familienphase nur einen begrenzten Zeit

^TOeinschaften wachsen, deren Ziel in der Nachfolge Christi räum der heutigen Ehe ausmacht. Diese Tendenzen werden bis

1 dem Dienst an dem Heil der Welt besteht. Ausdrücklich hin zur kritischen Auseinandersetzung mit konservativen katho-

Ruf t'CrC" Lebensform als ein geistgewirktes Charisma und ein lischen Theologen, einschließlich Johannes Paul II. (177ff.,

n /Mm Wirken in dieser Welt bezeichnet, nicht in Weltvernei- „Familiaris consortio" 1981) verfolgt. Zugleich werden die

Stal^' ^'CSe w'rt' a"erdings gegenüber dem Bösen in der Ge- pastoralen Fragen nach einer getrennten Praktizierung der bei-

(je . Versuchung zu den drei .Hauptsünden' gefordert, den Sinngehalte der Ehe sowie nach der Ehescheidung großzü-

en die drei .Evangelischen Räte' entgegengesetzt sind. giger als es vom Kirchlichen Lehramt festgelegt worden ist, dis-

uj. ? werden die Evangelischen Räte in Gemeinschaften, kutiert und gelöst.

„ . 0111 einzelnen für diese Lebensform Rückhalt und Schutz Kap. I (23-90) schildert, besonders aufgrund soziologischer

011 und ihn in seinem Apostolat für die Well rüsten und stär- Analysen, „Krise und Wandel der Ehe in der modernen Gesell-

gerdj 6n' ^°'C'K> Gemeinschaften finden heute immer häuft- schaft".

Hj 6 Anerkennung und förmliche Errichtung der katholischen Der Vf. stellt die These auf, daß sich Eheverständnis und -praxis seit

'erarchie, die sie ausdrücklich als „Säkularinstitute" bezeich- einer Generation noch einmal entscheidend gewandelt haben. Die Ehe ist

et und damit von vornherein ihrer Klerikalisierung ein Hinder- heute „als Ort der Intimität in erster Linie ein Instrument der psychischen

"'S entgegensetzt Stabilisierung, der Identitäts- und Sinnfindung für den einzelnen" (8.5) und

Es blrih ',' ist nicht mehr die einzige Lebensform für das Zusammenleben der Ge-

ehun» 11 einl8e Probleme, wie etwa die Verwirkli- schlechter. Der Mensch sucht in ihr Geborgenheit gegenüber der unperson-

sten C"leS Solcnen Ku'es zur Nachfolge Christi für den Chri- liehen Welt von Beruf und Wirtschaft. Wohl ist die Ehe „instabiler" (87)

'rn Ehestand. B. läßt aber Problemfelder nicht aus. Ich ver- geworden, hat aber dennoch in dieser heutigen Ausprägung gute Chancen

tee.'S<:beisPielhaft auf die Abschnitte: „Die Lehre der Geschieh- bei sich.

Räte "D'e ^rau UIK' tlci KalcslalHl" (l<)-^)- "Der Laie im 'm 2- KaP- legt cicr tlar- wic sicn tlas kirchliche Eheleit-

cle esland und der Laie im Ehestand" (133). „Die Spannweite bikl „zw ischen 1930 und 1965 von der generativ geprägten /in

r tneologisehen Bewertung heute" (139). Darüber hinaus personal integrierten Sicht der Ehe" (91-148) fortentwickelt hat.