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Ausgabe:

1995

Spalte:

930-931

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Titel/Untertitel:

Moral in einer Kultur der Massenmedien 1995

Rezensent:

Isermann, Gerhard

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929

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 10

930

Morazän, Pedro: Wirtschaften für das Leben. Umsetzungsmöglichkeiten
der Beschlüsse der Weltkonferenz für Umweh
und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro. Hamburg
: Dienste in Übersee 1994. 155 S. 8° = Texte zum Kirchlichen
Entwicklungsdienst, 55. Kart. DM 18.50. ISBN 3-
921314-32-1.

Das ist nicht nur ein Buch für Spezialisten in Sachen Umwelt.
Man kann es - wenn man von dem aktuellen Bezug absieht
geradezu als eine Handreichung für kirchliches Engagement in
den Fragen der Umweltpolitik ansehen. Der Autor hat mit anderen
Mitarbeitern des [nstitus für Ökonomie und Ökumene SÜDWIND
im Auftrage der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche
im Rheinland eine Studie erstellt, die über die Arbeit der
unmittelbaren Auftraggeber hinaus von Belang ist. Sie informiert
in einer sehr lesbaren und übersichtlichen Weise über die
Grundprobleme von Politik und Ökologie und betrachtet vor
diesem Hintergrund die Ergebnisse von Rio. Der Laie kann
nicht nur gut folgen. Er wird sehr geschickt in die Probleme mit
hineingenommen und muß selbst nach Lösungen fragen. Mit
der theologischen Besinnung als Ausgangspunkt werden ihm
dann aber auch in einer kritischen Würdigung der Rio-Texte
und in sehr konkreten Vorschlagen zu ihrer Rezeption und zur
Weiterarbeit in den Kirchen und Kirchgemeinden Anregungen
lür den eigenen Weg gegeben. Am Ramie setzt sich die Studie
dann auch mit offiziellen Texten der EKD auseinander, vor
allem mit der Wirtschaftsdenkschrift „Gemeinwohl und Eigennutz
" von 1991.

Ein 1 achinstitut und ein individueller Autor haben es natürlich
hinsichtlich der Profilierung ihrer Gedanken leichter als
Ausschüsse. In Gremien werden Zuspitzungen sehr schnell
abgeschliffen. Dennoch haben die ..Bausteine für die notwendige
wirtschaftsethische Diskussion: Schöpfungsverant-
wortung - Gerechtigkeit - Zukunftsfähigkeit" (Kap.3) fast
denkschriftartigen Charakter und bewegen sich auf ähnlichen
W egen w ie die Studie der Kammer der EKD für Kirchlichen
Entwicklungsdiensl über ..Die ökologische Krise als Nord-Süd-
Problem" von 1991 (Vgl. die Besprechung in ThLZ 118,1993.
180 f.). SÜDWIND hat die Bausteine im wesentlichen aus der
Arbeit des konziliaren Prozesses über Gerechtigkeit, Frieden
und Bewahrung der Schöpfung gewonnen. Sie korrespondieren
weithin mit der Arbeit im ORK. Von beiden Seiten werden einschlägige
Texte zitiert. Die sechs Grundkriterien bestimmen das
Buch auch in seinen praktische Vorschlägen:

1. „Wer schöpfungsiheologisch. christologisch und eschatologisch denkt,
wird global orientierten wirtschaftsethischen Kriterien den Vorrang vor
nationalen einräumen."

2. „Gottes universaler Haushalt von Schöpfung. Bewahrung und Erlösung
ermöglicht ein Leben aller Geschöpfe in Würde."

3. „Die Befriedigung der materiellen und immateriellen Grundbediirfnis-
se für alle Menschen ist zentraler Leitgedanke biblischer Autoren".

4. „Neues und Altes Testament fordern zwingend das. was wir heute
.humanökologische' Wirtschaftsansütze nennen".

5. .Biblisch begründete verantwortliche Haushalterschaft muß davon ausgehen
, daß Gott Geber und Besitzer aller guten Gaben, des Landes und des
Geldes ist und daß Jesus den Umgang mit Geld und Besitz als Frage des
Glaubens definiert hat.' (Zitiert aus einem Aufsatz des Leiters von SÜDWIND
in EvTh 53. 1993. 477.)

6. Wenn wirtschaftliches Handeln den eschatologischen Vorbehalt wahrt,
wird es für eine „Wirtschaft des Lebens für alle in Würde" eintreten und
eine „Wirtschaft des Genug" fördern. (Alles auf 60-61)

Drei Schwerpunkte kehren in allen Phasen der Darstellung
wieder: „nachhaltige Entwicklung", was als Übersetzung von
„sustainable development" zu verstehen ist. humanökologische
Wirtschaftsansätze und die Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung
. Hierin geht die Studie auch schon deshalb
über die Wirtschaftsdenkschrift der EKD hinaus, weil diese sich
im w esentlichen nur auf die deutsche Situation bezieht. Immerhin
isi nicht zu bestreiten, daß der Gedanke auch eine nicht

unerhebliche Kritik an der Denkschrift enthält. Der Anhang in
Kap.8 nennt „Vorschläge für die inhaltliche Anreicherung der
in der Wirtschaftsdenkschrift der EKD geforderten ,Umorien-
tierung der Zivilsation'", die solche Kritik auch noch an verschiedenen
anderen Stellen äußern.

Die Auseinandersetzung mit der deutschen Umweltpolitik
(Kap 4) - übrigens nicht nur bezogen auf die Zuständigkeil
eines einzelnen Ressorts wird man hier und da noch verliefen
und konkretisieren müssen. Aber als Information über die wichtigsten
Rahmenbedingungen und als Übersicht über die Grundprobleme
ist sie gut. Faustregel für die Mitarbeit in Kirchen und
Gemeinden ist die Anregung, für den jeweiligen Bereich auch
so etwas wie eine „Agenda 21", d.h. einen Handlungs- und Projektplan
für das 21. Jh.. aufzustellen, wie es z.B. in der Kirchengemeinde
Berlin-Köpenick vorgemacht wird (1231). Wenn
jemand noch Hilfe braucht, tun von der Notwendigkeil solcher
Mitverantwortung überzeugt zu werden, so kann er in der Lektüre
dieses Buches sicher Fortschritte machen.

Der Berliner Klima-Gipfel liegt bereits hinter uns. Das
Büchlein hat ihn noch vor sich. Die von ihm angegebenen Zielstellungen
konnten nicht erreicht werden. Aber die Kirchen
waren in Berlin wach dabei, und das auch nicht nur mit dem
ökumenischen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-
Kirche, sondern mit vielfältigen Aktivitäten und im Rahmen
einer ökumenischen Delegation, die im Status einer Nichtregie
rungs-Organisation auch Gelegenheit haue, die Tagung zu verfolgen
. Angesichts der eigentlich nicht mehr verantwortbaren
Schwerfälligkeit, mit der die politischen Entscheidungen vorankommen
, sollte das kirchliche Engagement gefördert werden.
Das Buch ist eine Handreichung dafür.

„Wirtschaften für das I .eben" ist ein Titel, der selbstverständlich
klingen müßte. Beklagenswert, daß er es nicht ist. Ob die
Kirchen das schon verstanden haben?

Berlin Johannes Althausen

Wolbert, Werner [Hrsg.]: Moral in einer Kultur der Massenmedien
. Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag; Freiburg-
Wien: Herder 1994. 106 S. 8« = Studien zur theologischen
Ethik, 61. Kart. DM 22.-. ISBN 3-7278-0961-2 u. 3-451-
23519-6.

In dieser Broschüre sind sechs Vorträge dokumentiert und zwei
Predigten vom 26. Kongreß der deutschsprachigen Moraltheologen
und Sozialethiker vom September 1993 in Salzburg.
Inwiefern die Vorträge mit ihren sehr unterschiedlichen Themenstellungen
dieser katholischen Veranstaltung durch die
Teilnehmer zusammengedachl werden konnten, ist dem Buch
nicht zu entnehmen. Es gibt keinen Diskussionsbericht.

Der erste Vortrag von Wilhelm Korff erscheint dem Rez. am
interessantesten. In „Die Welt der Medien als autonomer Kultursachbereich
" zeigt er. wie die Freiheit der Medienwelt nur
ein weiterer Fortschritt in der Freiheitsentwicklung ist. Nach
dem Staat und Religion voneinander frei geworden waren,
konnten nacheinander auch Wissenschaft. Kunst. Technik und
Wirtschaft eigene Freiheit gewinnen und sich selbst verantwor
ten. Indem das nun auch den Medien zukommt, sind allerdings
gewisse Gefahren entstanden, die gebändigt werden müssen
wie z.B. die der freien Marktwirtschaft durch das Modell der
..Sozialen Marktwirtschaft". Korff ist also unterwegs zu einem
Modell einer „sozialen Medienfreiheit", wenn er das so auch
nicht ausformuliert.

Am schwächsten erscheint der Text von Gerfried Hunold:
„Ethik der Information. Prolegomena zu einer Kultur medialer
Öffentlichkeit." Da der Autor nicht klar zu erkennen gibt, was
er meint, wenn er den Begriff „Öffentlichkeit" verwende! (Ist