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Ausgabe:

1995

Spalte:

917-918

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Der du die Zeit in Händen hast 1995

Rezensent:

Mau, Rudolf

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Seite 1

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917

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 10

918

Christliche Kunst und Literatur

Assel. Heinrich, unter Mitarb. von A. Wiebel hrsg. u. kommentiert
: Der du die Zeit in Händen hast. Briefwechsel zwischen
Rudolf Hermann und Jochen Klepper 1925-1942. München:
Kaiser 1992. 194 S. m. 4 Abb. gr.8° = Beiträge zur evangelischen
Theologie. I 13, geb. DM 68.-. ISBN 3-459-01964-6.

Briefe Jochen Kleppers an seinen Breslauer Lehrer Rudolf Hermann
sind schon seit 1973 in dem von F. R. Riemschneider
edierten Briefwechsel Kleppers zugänglich. Die Briefe Rudolf
Hermanns aber galten als verschollen. H. Assel entdeckte sie
bei Recherchen für seine dem Thema „Lutherrenaissance" gewidmete
Dissertation Ende 1991 im Deutschen Literaturarchiv
in Marbach. Der damals bevorstehende 50. Todestag Kleppers
veranlaßte eine rasche Bearbeitung für die dann auch rechtzeitig
erschienene Gesamtedition dieses Briefwechsels.

Die Korrespondenz umfaßt die Zeit von Kleppers Studium
bis /u den Wochen vor dem Tod der Familie Klepper. Nach
meist größeren Abständen gewinnt sie ab 1937 größere Dichte.
Viele Male, besonders auch auf Klepper betreffende schlimme
Nachrichten, reagierte Hermann postwendend. Für 1940 sind 23
Briefe und Karten von Hermann und 25 von Klepper erhalten.
Vom 16. Oktober 1942 datiert der letzte Brief Hermanns an
Klepper - nach einem Besuch des Ehepaars Hermann bei Kleppers
in der nunmehr gänzlich hoffnungslos gewordenen Lage.

Zum jetzt Erschlossenen gehören auch Briefe von Frau Millie Hermann.

Zu Kleppers „Vater" schreibt sie am 27. 7. 1937: ......Gottes Vaterhände

lagen über seinem Haupl'. Das ist der schönste Schluß, den Sie dem Buch
geben konnten, und das ist fast wie ein Wunsch, den jeder Leser Ihres
Buches für dessen .Vater' hegen wird..."

Allein schon die Tatsache, daß das briefliche Gespräch zwischen
Lehrer und Schüler, dem zu unbestechlichem Denken
erziehenden Theologen und dem seinen Weg suchenden und findenden
Künstler nicht mehr auf fragmentarisches Rekonstruieren
angewiesen, sondern authentisch dokumentiert ist. bedeutet
großen Gewinn. Darüber hinaus aber verdient die editorische
Leistung Asseis ein hohes Lob. Der Briefwechsel wird kenntnisreich
, umsichtig und sorgfältig erläutert und mit Verständnishilfen
versehen. Eine Einführung bietet erste Orientierungen, charakterisiert
die Bedeutung Hermanns für Klepper und die Phasen
des persönlichen Verhältnisses beider, das in den Jahren nach
1933 ..freundschaftliche Züge" gewinnt. Von einem vertrauten
Verhältnis schon in der Zeit erster poetischer, von Kommilitonen
überwiegend bespöttelter V ersuche Kleppers zeugt das Vorhandensein
von 22 frühen, bis auf wenige Ausnahmen unveröffentlichten
Gedichten Kleppers im Nachlaß Hermanns. In den
Anmerkungen zu Personen. Vorgängen und zeitgeschichtlichen
Bezugnahmen wird der Hg. zum kundigen, hilfreichen Begleiter
tles Lesers. Der Dokumentation des Briefwechsels folgen „Theologische
und zeitgeschichtliche Anmerkungen" (134-182).

A. bringt hier unter dem Motto „Der du die Zeit in Händen
hast" in einer besonderen Kapitelfolge mit vielen Bezugnahmen
auf die Korrespondenz das Verhältnis von Klepper und Hermann
als „Geschichte einer ungewöhnlichen Beziehung zwischen
Literatur und Theologie" zur Darstellung. Hermanns
Mahnung zu „künstlerischer Selbständigkeit gegenüber der
Theologie" (samt gelegentlicher Warnung vor „theologische|n|
Begriffen in Versen": 61. 63) gehör! ebenso dazu wie bei Klepper
das mit der Zeit noch wachsende Interesse an theologischer
Klärung im Gespräch mit Hermann, bei aller Annäherung aber
auch seine Selbständigkeit bei bestimmten Themen. A. kommt
hier zu sorgfältig abgewogenen, differenzierten Urteilen.

Die Edition ermöglicht zuverlässige Auskünfte zu manchen
Prägen, die den Weg Kleppers und ebenso das Wirken und die
Stellung Hermanns betreffen. Klar kommt zum Vorschein, in

welcher Art Klepper geistige Orientierung und menschliche Begleitung
durch Rudolf Hermann erfahren hat. Auch Fehlurteile
über die Art des Einflusses Hermanns, wie das von einer „Ideologie
.gottgewollter Bindungen'", die ein rechtzeitiges Emigrieren
Kleppers und seiner Familie verhindert habe (R. Thalheim), können
korrigiert werden. Schon die Nachricht von Kleppers Ausschluß
aus der Reichsschrifttumskammer hatte Hermann veranlaßt
, umgehend Klepper gegenüber die Möglichkeit „Auswandern
?" mit dazu ermutigenden Beispielen zu erwägen (Brief vom
3. 4. 1937; 51 f; vgl. I60ff).

Die von A. besorgte mustergültige Edition bedeutet einen
großen Gewinn sowohl für das Verständnis Jochen Kleppers als
auch für die Würdigung der Theologie Rudolf Hermanns und seiner
menschlichen, freundschaftlichen Zugewandtheit zu Klepper.

Die Rezensionsanfrage erreichte den Unterzeichneten erst zwei Jahre
nach dem Erseheinen des Buches. Inzwischen liegt die Erlanger Dissertation
des Hg.s über die Eutherrenaissance. ..Der andere Aufhruch". gedruckt
vor. deren Ergebnisse die Bedeutung Hermanns für Klepper unterstreichen.
Hier erfährt seine Theologie eine umfassende Würdigung als gangbare,
..sprachtheologische" Variante der Lutherrenaissance neben dem ..ambivalenten
" Programm Karl Holls und den subjektivitätstheologischen ..Apo-
rien" bei Emanuel Hirsch.

Berlin Rudolf Mau

Kroyanker. David: Die Architektur Jerusalems. 3000 Jahre
Heilige Stadt. Einleitung von T. Kollek. Stuttgart-Berlin-
Köln: Kohlhammer in Verb, mit The Jerusalem Institute for
Israel Studies 1994. 210 S. m. zahlr. Abb. schw./w. u. färb.
29. Lw. DM 98,-. ISBN 3-17-013165-6.

Warum ein Buch über 3000 Jahre Architektur in Jerusalem in
der ThLZ bekannt gemacht werden muß, will begründet sein:
Wie wohl keine andere Stadt hat Jerusalem eine wechselhafte
und vielschichtige, oft auch leidvolle Geschichte aufzuweisen,
die man in einzigartiger Weise von ihrer Architektur ablesen
kann.

Profan-, Kirchen-. Religions- und Kunsthistoriker werden
besonders von den Kapiteln 2: „Die Altstadt von 1000 v. Chr.
bis zum Ende des Osmanischen Reiches. Spurensicherung und
Bestandsaufnahme" (27-83) und 3: „Die Altstadt in der Gegenwart
. Restaurierung und Wiederaufbau" (85-99) profitieren I )ie
Kapitel 4-6 (4: „Jüdische, arabische und europäisch-christliche
Bautätigkeit in der Neustadt. Architektur mit ethnischem Charakter
" 101-141); 5: „Der Bau eines neuen Jerusalem: Die Britische
Mandatszeit. Das Aufkommen neuer Baustile und Bautechniken
" (143-167); 6. „Moderne Architektur 1948-1993.
Vom International Style zum Neuorientalismus" (169-199)
könnte man dagegen dem Fachgebiet „Geschichte Israels"
zuordnen, wenn man ihr mit A. H. Gunneweg (Geschichte Israels
. 6. Aufl. 1989. Kap. XIV: Von Theodor Herzl bis zur Gegenwart
) in der Entstehung des Staates Israel und seinem allmählichen
Wachstum eine legitime Fortsetzung zuerkennt.
Aber auch Architekturkenner und Kunsthistoriker kämen hier
auf ihre Kosten.

Diesen inhaltsreichen Kapiteln gehen voraus ein Vorwort
von Teddy Kollek (7-9) und ein Überblick „Dreitausend Jahre
Stadtgeschichte" von Ralph Mandel (11-17) sowie Kapitel I:
„Städtebauliche Aspekte der Altstadt. Verdichtete und introvertierte
Architektur (19-25). Das mit „Stein als Sinnbild der Einheit
" überschriebene Nachwort (201). eine ausgewählte Bibliographie
(202), Glossar (203-205). Sach- und Personenregister
(206-208), Zeittafel (209) und ein Dankeswort (210) beschlies
sen den stattlichen Band.

In der Regel findet die Jerusalemer Altstadt das größte Interesse
: sie umfaßt eine 3000jährige Geschichte und wurde durch
den Bau der imposanten Stadtmauer vor über 400 Jahren zu