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Ausgabe:

1995

Spalte:

903-905

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Lang, Marijke H. de

Titel/Untertitel:

De opkomst van de historische en literaire kritiek in de synoptische beschouwing van de evangeliën van Calvijn (1555) tot Griesbach (1774) 1995

Rezensent:

Merk, Otto

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903

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 10

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der unmittelbaren Wirkung der in Auswahl dargebotenen Schriften
Herders nachgeht. Der Schlußteil des Buches enthält teilweise
umfangreiche erläuternde Anmerkungen.

Ein Textkorpus aus Herders Sammlungen, nämlich die 4. mit
dem Titel „Vom Geist des Christentums" (erschienen 1798), ist
in diesem Band vollständig neu gedruckt, freilich ohne die drei
ursprünglich beigegebenen Anhänge (vgl. 33 und 145). Welche
Grundsätze für die im übrigen vorgelegte Auswahl maßgebend
gewesen sind, ist nicht erläutert. Vergleiche mit der Edition von
Herders Sämtlichen Werken durch Bernhard Suphan, Bd. 19
und 20. Berlin 1880 (Reprint Hildesheim 1967) zeigen, daß beispielsweise
in der l. Sammlung unter dem Thema „Von der
Gabe der Sprachen am ersten christlichen Pfingstfest" Passagen
zur Sprachphilosophie und zur biblischen Pneumatologie entfallen
sind. Unterschiedlich verfahren worden ist bei der Markierung
von Kürzungen: Sind sie z.B. S. 42 durch Punkte angegeben
, so fehlt S. 38 zu § 1 ein Hinweis, daß der Text gekürzt
ist. Mehrfach sind Anmerkungen, die Herder dem Text beigegeben
hat. weggelassen, was gelegentlich vermerkt ist (vgl. 169
Anm. 10). Das bedeutet, daß die vorliegende Textausgabe sich
gut zu einer Erstbegegnung mit dem Theologen Herder eignet,
daß jedoch ein kritischer Leser hinsichtlich der Textfassung
nach wie vor nach der Ausgabe von B. Suphan greifen wird,
dafür aber gut beraten sein wird, sich die Kommentierung
zunutze zu machen, die die vorliegende Auswahlausgabe bietet.
Ähnliches gilt auch für einzelne Zitate aus dem übrigen Schrifttum
Herders.

Ein in dieser Ausgabe enthaltener Text, die erstmals 1820
veröffentlichte Disposition einer Osterpredigt von 1803 (50-
54), stammt nicht aus den „Christlichen Schriften".

Aul einige Druckfehler sei aufmerksam gemacht: 175 Anm.
21 muß es heißen „Karthago". Anm. 23 „spirit. spiritus", 176
Anm. 43 „Aner", 180 Anm. 125 „1562" (statt 1565). - Nicht
jedem Nichttheologen wird die knappe Angabe „Realenzyklopädie
" (167 oben Anm. 3) hilfreich sein.

Der Hg. macht mit Recht auf nach wie vor offene Fragen der
Herderforschung aufmerksam, so etwa das Verhältnis Schleiermachers
zu Herder betreffend (159). Einige wenige Hinweise -
so auf eine nicht zustande gekommene Rezension zu Herders
„Gott" und das von ihm geäußerte Interesse an Herders „Christlichen
Schriften", aber auch auf das Interesse von Schleiermachers
Schwester Charlotte an Herder - bietet die im Erscheinen
begriffene Ausgabe von Schleiermachers Briefwechsel.

Dem Buch bleibt neben dem Dank für die Mühe, die der Hg.
seit Jahren an diese Publikation gewandt hat, den Wunsch mit
auf den Weg zu geben, daß es dazu hilft, dem Theologen Herder
näher zu kommen, dessen „Christliche Schriften" zuletzt
1880 bzw. 1967 gedruckt worden waren.

Leipzig Ernst Koch

Lang. Marijke Helene de: De opkomst van de historische en
literaire kritiek in de synoptische hesehouwing van de
evangelien van Calvijn (1555) tot Griesbach (1774). Proef-
schrift. Leiden: Faculteit der Godgeleerdheid 1993. 335 S.
gr.8o. ISBN 90-9005838-9.

Die gelehrte Vfn. ist schon durch eine Reihe wichtiger for-
schungsgeschichtlicher Beiträge, die teilweise Ergänzungen zu
ihrer hier anzuzeigenden, von H. J. de Jonge betreuten Dissertation
bringen, hervorgetreten (vgl. 13 Anm. 9 u. Auflistung 312),
m.W. zuletzt in EThL 69, 1993. I34ff.: "The Prehistory of the
Griesbach Hypothesis". Ihr Anliegen ist es, erneut nachzuweisen
, daß nicht erst J. J. Griesbach Begriff und Sachanliegen der
.Synopse' in seiner bekannten „Synopsis evangeliorum Matthaei,
Marci et Lucae", Halae 1776 (vgl. ders., Libri historici Novi Te-

stamenti Graece. Pars prior, sistens synopsin evangeliorum
Matthaei, Marci et Lucae, Halae 1774) und flankierende Untersuchungen
(Auflistung, 303) erkannt und in die wissenschaftliche
Diskussion gebracht habe, sondern daß dafür bereits eine
lange, mit J. Calvin einsetzende und wissenschaftsgeschichtlich
aufzuarbeitende Tradition zu berücksichtigen sei.

Nach einer kurzen, den Sachstand skizzierenden Einführung
(9-19) setzt sie mit J. Calvins „Harmonia ex tribus evangelistis
composita: Matthaeo. Marco et Luca", Geneve 1555. als „erster
Harmonia der Neuzeit" ein, zu der schon D. Schellong, Calvins
Auslegung der synoptischen Evangelien, 1969 ausführte: „Der
Name ,Synopse' scheint erst von J. J. Griesbach geprägt worden
zu sein (1774); das ist jedoch kein Grund, ihm auch die Erfindung
dessen, was dieser Name bezeichnet, zuzuschreiben" (58
Anm. 72: vgl. auch D. Wünsch. Evangelienharmonien im
Reformationszeitalter, 1983, 250 u.ö.). In der Tat hat Calvin,
wie die Vfn. noch einmal eindeutig hervorhebt, die drei ersten
Evangelien vom JoEv getrennt (wie zuvor schon M. Bucer, pas-
sim; vgl. H. K. McArthur. The Quest Through the Centimes.
The Search for the Historical Jesus, 1966. 98. 158). Es gelingt
ihr, in sorgfältigen Nachweisungen anhand von 26 (Evangelien)
Harmonien/Commentaren aus dem 15.-18. Jh. eine Reihe von
äußerlich den Synoptikern ähnlichen Sachverhalten und Beobachtungen
darzulegen, wobei die einzelnen Autoren der Werke
auch in ihrem Leben und Umfeld in notwendiger Kürze gut vorgestellt
werden. Acht Exkurse (zu O. Brunfels; S. Castellio u.
Tiziano; J. Scaliger; H. Grotius; B. Spinoza u. R. Simon; J.
Locke; H. S. Reimarus; H. Owen) bereichern und vertiefen die
Ausführungen. In ihrem 27. Belegstück entfaltet sie das den Titel
.Synopse' tragende Werk und das ihm inhärente Anliegen von J.
J. Griesbach, verbunden mit einem neunten Exkurs über ..Quellenhypothesen
im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts". Mit
"Conclusies" faßt sie den Ertrag ihrer Untersuchungen zusammen
: Aufkommen und historische wie literarkritische Betrachtung
der synoptischen Evangelien sind von Calvins Harmonia
(1555) an vielfach zu erkennen. Griesbachs Werk stellt darum
nur sehr begrenzt einen Einschnitt in der Sicht dessen, was „Synoptiker
" meint, dar (289ff.). Eine englische Kurzfassung der Dissertation
(293ff.), umfassende Bibliographien der benutzten
Quellen und Literatur, sowie Register (diese leider nicht in vollständiger
Erfassung der Seitenbelege) runden die Untersuchung
ab, die durch 23 Illustrationen aus einschlägig behandelten Werken
eine weitere eindrückliche Dokumentation erhält.

Darlegungen und Ergebnis der Untersuchung sind im Horizont
offener Fragestellungen zu sehen:

1) Inwieweit greifen die herangezogenen (Evangelien-Harmonien
bereits der Erörterung der wissenschaftlichen Diskussion
über die Priorität/Abhängigkeit der synoptischen Quellen untereinander
vor? Auch wenn man die Heranziehung von (Evan-
gelien-)Harmonien noch vollständiger als die Vfn. mit ihrer Auswahl
einbezieht (vgl. H. K. McArthur. aaO, 57ff„ bes. 8511.
157IT.). läßt sich doch nicht eine historische Erörterung in der
Weise erheben, wie sie erst im Zusammenhang der Aufklärung
und damit des Aufkommens kritischer Schriftauslegung möglich
wurde, wobei auch kaum bestätigt werden kann, daß J. J. Griesbach
seine Konzeption als bewußt antideistische apologetische
Notwendigkeit gesehen habe (270 u.ö.). Auch wenn sich Griesbach
manche Hinweise und Anregungen aus vorangegangenen
Werken hat geben lassen - das hat die Vfn. erneut erhärtet - (vgl.
25911. u. EThL 1993. I34ff.), so bleibt doch maßgebend, was er
im Erfassen und Verstehensprozeß historischer Dimension seiner
Zeit daraus gemacht hat, nämlich die Übersetzung und Ablösung
der (Evangelien-)Harmonien in synoptische Quellenuntersuchung
(vgl. zur nicht abgeschlossenen Diskussion W. G. Kümmel
. Das Neue Testament. Geschichte der Erforschung seiner
Probleme, 21970, 88f.; D. Wünsch, aaO, u. meine Bespr. in
ZbKG 56, 1987, 340ff. mit Belegen i.A.).