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Ausgabe:

1995

Spalte:

902-903

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Herder, Johann Gottfried von

Titel/Untertitel:

Vom Geist des Christentums 1995

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 10

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selbst", in der Delp seine Anthropologie darlegt. Außerdem ist
es das Anliegen des Vf.s. darzulegen, ob Ernst Kessler in seinem
Aufsatz: „Jenseits von Kapitalismus und Marxismus.
Rekonstruktion der sozialphilosophischen Schrift Alfred Delps
.Die dritte Idee'" die Anliegen von P. Delp sachgerecht dargestellt
hat. was der Vf. schließlich bejaht.

Die Lebensgeschichte von P. Delp. der am 2. Februar 1945 in
Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde, setzt der Vf. als bekannt
voraus. Aber es ist eine gute Tradition. Leben und Werk eines
Autors miteinander zu verknüpfen und so das Werk auch aus
dem Leben des Autors heraus verständlich zu machen. Daher
soll zunächst kurz die Lebensgeschichte von P. Delp dargestellt
werden.

Der am 5. September 1907 in Mannheim geborene Sohn einer katholischen
Mutter und eines protestantisehen Vaters wurde mit 14 Jahren Ostern
1921 konfirmiert. Eine kurz darauf mit seinem evangelischen Pfarrer stattgefundene
Auseinandersetzung veranlaßte den 14jährigen Altred Delp. den
zuständigen katholischen Pfarrer aufzusuchen und ihm mitzuteilen, daß er
katholisch werden wolle. Schon hier zeigte sich, wie selbständig der junge
Delp dachte und entschied. Der katholische Pfarrer sorgte dann dafür, daß
Alfred Delp in das katholische Dieburger Knabenkonvikt aufgenommen
wurde. Er war dort der Klassenbeste und brachte viel Leben in die Klasse.
Nach dem Abitur bat er am 22. April 1926 um Aufnahme in den Jesuitenorden
. Im Berchmans-Kolleg in München belegte er wahrend des Studiums
der Philosophie neben den Pflichtfächern die Wahlfacher Predigtlehre und
Gemeinschaftsethik. Damit rückte das Fach in den Mittelpunkt seines Interesses
, das ihn später für den Kreisauer Kreis als Fachmann für soziale und
politische Grundsatzfragen interessant werden ließ.

Als der um Graf Moltke gebildete Kreisauer Kreis, der sich um eine politische
Neuordnung nach einem Sturz Adolf Hitlers bemühte. Kontakt zu
dem Provinzial der Jesuiten P. A. Rösch aufnahm und um einen katholischen
Fachmann in sozialen Fragen bat. wurde ihm P. Delp genannt, der
dann seit Juli 1942 aktiv an der Arbeit des Kreisauer Kreises teilnahm.
Moltkes Frau Freya schilderte ihn später so: „Er war jugendlich und feurig
... war heiter und lebensfroh. Der entschlossene Ernst, der seinen Charakter
bestimmte, verschwand hinter der Wärme und Freundlichkeit seines Wesens
, die allen Belangen voll zugewandt war."

Was brachte dieser Jesuit nun in die Arbeit des Kreisauer
Kreises ein? Das ist das Thema des Vf.s. der sich in seinen Ausführungen
auf die folgenden Schriften von P. Delp stützt: I. Der
Mensch vor sich selbst. 2. Neuordnung. 3. Die Arbeiterfrage -
Bauerntum und 4. Die dritte Idee. Das letzte Werk ist nach
Ansicht des Vf.s das wichtigste Werk von P. Delp. Bs ist s.E.
..die Frucht vielfältiger Bemühungen um die soziale Frage, die
bei Delp durch die päpstlichen Sozialenzykliken und die Diskussion
im Kreisauer Kreis noch besondere Akzentsetzungen
erfuhren." Allerdings: Mittelpunkt der Ausführungen des Vf.s
ist Delps Werk „Der Mensch vor sich selbst", während die anderen
Schriften von P. Delp nur zur Ergänzung herangezogen
werden.

Helmuth von Moltke hatte am 8. März 1942 P. Rösch „um
einen Soziologen" gebeten, „mit dem er vor allem die Arbeiterfrage
und die Wiederverchristlichung der deutschen Arbeiterwelt
besprechen könne." Nach einer Fastenpredigt traf er dann
Zum erstenmal mit Graf Moltke zusammen. Danach begann seine
Mitarbeit im Kreisauer Kreis. ..Er lieferte viele Entwürfe,
nahm an allen Beratungen in Kreisau sowie an zahlreichen Gesprächen
in Berlin teil und hatte wesentlichen Anteil an der
Ausarbeitung der programmatischen Dokumente." So entstand
die sogenannte „Dritte Idee", wie Delp eine nicht erhaltene
Denkschrift nannte. Diese „Dritte Idee" lehnt sich eng an die
Enzyklika „Quadragesimo Anno" von Pius XI. an und geht nur
in wenigen Punkten über die Enzyklika hinaus. Delps Idee sollte
einen dritten Weg zwischen Individualismus und Kollektivismus
darstellen. So meinte er: „Zu einem gesunden und wesensgemäßen
Menschen muß garantiert sein ein Minimum von Individualität
und ein Minimum von Sozialität. Es ist nun jede
Spielart von .Sozialismus- möglich, die das lebensnotwendige
Minimum von .Individualismus' wahrt. Und es ist genauso jede
Spielart von .Individualismus' möglich, die das lebensnotwendige
Minimum von .Sozialismus' wahrt. Jede Übersteigerung
der einen Komponente bis zum Negieren der Gegenkomponente
ist von Übel." Ordnungsprinzipien seiner Vorschläge sollten
sein: I. Soziale Sicherheit als notwendige Ergänzung zur Menschenwürde
, 2. das Prinzip der Solidarität. 3. das Subsidiaritäts-
prinzip. 4. Soziale Gerechtigkeit und 5. Soziale Liebe. P. Delp
sprach zwar nie von einem „christlichen Sozialismus", aber an
der Idee hat er gleichwohl festgehalten und hat sie mit seiner
Schrift von der „Dritten Idee" verteidigen wollen. Dabei plädiert
er allerdings „für eine Differenzierung zwischen Sozialismus
und Marxismus. Während letzterer aufgrund seiner atheistischen
und materialistischen Grundausrichtung keinerlei Berührungspunkte
zum Christentum aufweise, sei ein geläuterter
Sozialismus wohl in der Lage, sich mit dem Christentum zu
verbinden und die fälligen sozialen Probleme in Angriff zu nehmen
." Delp wollte mit seinem personalen Sozialismus zu der
längst fälligen Versöhnung zwischen sozialistischer Arbeiterbewegung
und Christentum beitragen.

Die Mitarbeit von Delp im Kreisauer Kreis führte dazu, daß P.
Delp am 28. Juli 1944 verhaftet wurde und am 11. Januar 1945
in dem Prozeß vor dem Volksgerichtshof gegen Moltke. Delp.
Gerstenmaier, Sperr, Reisert und Fugger zum Tode verurteilt
wurde. Während Moltke bereits am 23. Januar 1945 in Plötzensee
hingerichtet wurde, traf dieses Schicksal P. Delp erst am
2. Februar 1945. Die Begründung des Todesurteils über P. Delp
weist auf die enge Verbindung von P. Delp und Graf Moltke
hin: „Der Jesuitenpater Alfred Delp arbeitete sehr eng mit Helmuth
Graf von Moltke zusammen... Auch er hat sich dadurch für
immer ehrlos gemacht und wird mit dem Tode bestraft." P. Delp
„selbst sah seine Hinrichtung in Plötzensee als Folge seines
christlichen Glaubens, seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft
Jesu und seines Eintretens für die katholische Soziallehre" an.
Das Letzte, sein Eintreten für die katholische Soziallehre, wollte
der Vf. dokumentieren. Das ist ihm gelungen.

Ich vermisse im Literaturverzeichnis: Ogiermann. Otto: Kein Tod kann
uns toten - Alfred Delp - Denker und Mahner in dunkler /eil. Leipzig
1986, und im Register den Namen von Ernst Kessler.

Paderborn Franz. Schräder

Dogmen- und Theologiegeschichte

Herder, Johann Gottfried: Vom Geist des Christentums. Aus

den „Christlichen Schriften" (1793-1798). Ausgew. u. kommentiert
durch H. v. Hintzenstern. Weimar-Jena: Wartburg
Verlag 1994. 186 S„ 1 Taf. gr.8» = Thüringer Kirchliche Studien
, 6. ISBN 3-86160-091-9.

Nach mehreren, aufgrund publikationspolitisch bedingter
Schwierigkeiten bis 1989 fehlgeschlagenen Versuchen, durch
eine Neuveröffentlichung auf Herders „Christliehe Schriften"
aufmerksam zu machen, ist es v. Hintzenstern gelungen, diese
Auswahl aus den Texten des Weimarer Generalsuperintendenten
einem breiteren Leserkreis vorzustellen.

Drei einleitende Kapitel führen an die Texte Herders heran.
Sie berichten über die Wiederentdeckung der „Christlichen
Schriften" nach 1945, über die Herausforderung durch Hermann
Samuel Reimarus, der sie sich verdanken, und über die eigentliche
Entstehungsgeschichte der 5 Einzelsammlungen im Kontext
von Herders Gesamtschaffen. In diese Kapitel ist viel eigene Forschungsarbeit
des Hg.s eingeflossen. Er bezeichnet die „Christliehen
Schriften" Herders als „eine Zusammenfassung seiner
Theologie auf biblischer Grundlage" (35). Dem eigentlichen
Textteil folgt ein Abschnitt mit der Überschrift „Nachklang", der