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Ausgabe:

1995

Spalte:

893-895

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Boekels, Joachim

Titel/Untertitel:

Schleiermacher als Kirchengeschichtler 1995

Rezensent:

Nowak, Kurt

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893

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 10

894

Anspielungen in ihrem theologischen Gewicht für das Sachanliegen
des vorliegenden Studienbuchs aufgearbeitet.

..VII. Der tragende Einheitsgrund: Jesus von Nazaret" (217-
226). Sachlich gut wird hier von der Synchronie der Evangelienschriften
diachron durchgestoßen und der Blick auf die Basis
gelenkt. Die berechtigte und notwendige Fragestellung, von der
Bndgestall der Evangelien zurück zu Jesus zu finden und die
..Identität" von Auferwecktem und Irdischem, damit aber im
Glaubenszeugnis den Gegenwärtigen zu betonen, wird leider
hermeneutisch zu überblickhalt und hinsichtlich der „Konturen
des Lebens und Wirkens Jesu" zu knapp geboten, um auch nur
annähernd den differenzierten gegenwärtigen Forschungsstand
zusammenzufassen (219-224; doch vgl. gewichtig dazu den Vf..
53ff., 56ff.). Mit Recht wird festgehalten, daß der Weg des Irdischen
in den Tod führte und „durch Grunderfahrungen mit dem
auferweckten Christus" gemeinde- und evangelienrelevant wurde
(224-226).

Fazit: Iis handelt sich um ein Studienbuch, in dem bewußt bei
den vorliegenden, kanonischen Evangelien eingesetzt wird, in
dem mit Sorgfalt das notwendige Ineinander von Synchronie und
Diachronie gesehen und für ein Lehr-/Lernbuch nutzbar gemacht
wird. Das ist methodisch beachtenswert und wichtig. Dem
ganzen Werk und jedem Kapitel ist eine reiche Literaturübel sieht
über die aktuelle Diskussion vorangestellt (für Kap. VII zu
eklektisch), wobei ältere, die gegenwärtige Forschung tragende
und anstoßende Werke allerdings zum Schaden der Orientierung
ausgespart bleiben. Die eigene Sicht des Vf.s gibt moderat die
Leitlinie an. eine stärkere Berücksichtigung der vielfältig divergierenden
Forschung und ihrer Erörterung hätte dem Charakter
des Studienbuches und seiner guten didaktischen Durchführung
mit Zusammenfassungen, diversen Schaubildern/Rubriken und
umfassenden Registern keinen Abbruch getan.

So bleiben für weitere Auflagen außer der Beseitigung einer
Reihe von Druckversehen auch sachlich ergänzende Informationen
als Wunsch an ein hilfreiches Arbeitsbuch.

Erlangen Otto Merk

Kirchengeschichte: Neuzeit

Bockels. Joachim: Schleiermacher als Kirchengeschichtler.

Mit Edition der Nachschrift Karl Rudolf Hagenbachs von
1821/22. Berlin-New York: de Gruyter 1994. XI, 488 S.
gr.8" = Schleiermacher-Archiv. 13. Lw. DM 238,-. ISBN 3-
11-014203-1.

Das Schleiermacher-Archiv dient der Veröffentlichung von Arbeiten
, die in engen Zusammenhang mit der Kritischen Gesamtausgabe
(KGA) stehen oder für sie von besonderer Bedeutung
sind. Ein Fall dieser Art ist die Edition der Vorlesungsnachschrift
des nachmals berühmten Basler Kirchenhistorikers Karl
Rudolf Hagenbach (1801 -1874). der im Winterhalbjahr 1821/22
Schleiermachers fünfstündigen „Abriß der Kirchen- und Dogmengeschichte
" hörte. Die Edition (Teil II: 171-453) und die ihr
vorausgeschickten Untersuchungen „Schleiermacher als Kirchengeschichtler
" (Teil I: 1-168) arbeiten erklärtermaßen der
KGA-Edition von Schleiermachers kirchengeschichtlichen Vorlesungen
zu (91 f.).

Nach der Lektüre von Teil I kann der Rez. zwei Fragen nicht
unterdrücken. I. Erfüllt das vom Vf. Dargebotene die mit der
Überschrift ..Schleiermacher als Kirchengeschichtler" geweckten
Erwartungen? 2. Müssen all jene Interessenten, die ganz
gewiß nicht die künftigen Editoren von Sehleiermachers Vorlegungen
zur Kirchengeschichte sein werden, wirklich in extenso

all das hingebreitet bekommen, was in und auf einem Editorenschreibtisch
und dann auch im kritischen Apparat der KGA gut
aufgehoben ist? „Sehleiermacher als Kirchengeschichtler" ist
ein Editionsbericht. Wäre dies im Buchtitel und in der Überschrift
zu Teil I von vornherein klargestellt worden, könnte das
vom Vf. Geleistete - wie auch das nicht Geleistete - mit größerer
Gelassenheit beurteilt werden. Was er auf alle Fälle geleistet
hat, und das verdient bei der diffizilen Überlieferungssituation
ausdrücklich Anerkennung, liegt in der Editionsvorbereitung.
Gewinnbringend ist die sorgfältige Sortierung und Beschreibung
der von Sehleiermacher überlieferten Handschriften: des
Manuskripts der „Einleitung in das Studium der Kirchengeschichte
" (1806), der „Kollektaneen" 1-958 für die Vorlesung
von 1821/22 und der „Kollektaneen" 959-1223 für die Vorlesung
von 1825/26, der „Stundenausarbeitungen" für die Vorlesung
von 1821/22 sowie der „Zettel" mit ihren Stichworten und
l isten sowie den Querverweisen zu den „Kollektaneen" (II-
30).

Weiterhin kommt dem Vf. das Verdienst zu. die noch vorhandenen
Hörernachschriften - allesamt zur Vorlesung von
1821/22 - vorzustellen (31-35). Auf die Hagenbach-Nachschrift
wurde der Vf. von Kurt-Victor Selge hingewiesen, der
auch die Bearbeitung des Gesamtthemas im Rahmen einer Promotionsschrift
anregte. Schließlich hat der Vf. die Edition von
Bonneil aus dem Jahr 1840 (SW I/Il) kritisch durchleuchtet
und ihre Stärken und Schwächen aufgezeigt (37-43). Bonnell
verwendete Nachschriften, die heute, abgesehen von seiner
eigenen, nicht mehr zur Verfügung stehen. Unter ihnen befanden
sich auch zwei Nachschriften der Vorlesung von 1825/26.
Breiten Raum nimmt die Prüfung der Qualität von Hagenbachs
Nachschrift im Vergleich mit Schleiermachers Aufzeichnungen
ein (44-90). Die textkritischen Recherchen münden in „Erwä
gungen zur Edition der Kirchengeschichtsvorlesung in der
KGA" ein (91 f.). Die weiteren Ausführungen von Teil I (93ff.)
lassen sich annäherungsweise mit der Überschrift „Schleiermacher
als Kirchengeschichtler" verknüpfen. Dem Vf. wäre der
Mut zu wünschen gewesen, die editionstechnische Ebene auch
einmal zu verlassen, um einen freieren Blick für die Geschichte
der Kirchengeschichte, für Schleiernlachers Stellung in ihr und
für die Eigenarten der Kirchengeschichtskonzeption der grollen
Theologen zu gewinnen.

Gut und nützlich ist die Edition der Hagenbach-Nachschrifl
von 1821/22. Der Vf. kann mit vielen Argumenten dartun. wie
verständig und zuverlässig der kurze Zeit später selber zum
Professor Ernannte seine Aufzeichnungen anfertigte. Schleiermachers
Handschriften tragen in der Regel nur skizzenhaften
Charakter und sind labyrintisch angelegt (abgesehen von den
Ausarbeitungen zur 9. bis 46. Stunde der Vorlesung von 1821/
22). Hagenbachs Nachschrift könnte wohl in der Tat die ..Textgrundlage
der Edition" sein, „der die Stundenausarbeitungen
Schleiermachers vorausgeschickt werden" (91). Auf diesem
Hintergrund ist schwer einzusehen, daß die Nachschrift in
orthographisch und z.T. auch grammatikalisch modernisierter
Form dargeboten wird. Alte Pluralbildungen und veraltete Substantivierungen
von Adjektiven werden beseitigt (168). Da die
„Editorischen Grundsätze" ansonsten recht elaboriert sind,
muten die Modernisierungen, außerdem noch die „stillschweigenden
" Verbesserungen um so erklärungsbedürftiger an. Die
Anmerkungen zu Hagenbaehs Nachschrift (455-457) wirken
mitunter wie erst später noch auszuarbeitende Notate.

Was an dieser Veröffentlichung ins Leere laufener Heiß ist
und was sie an Kärrnerarbeit für die künftige KGA-Edition geleistet
hat. wird wahrscheinlich erst zu einem späteren Zeitpunkt
genau beurteilt werden können. Der These des Vf.s.
Schleiermachers Bedeutung für die Geschichte der Dogmen-
und Kirchengeschichtsschreibung sei voraussichtlich höher anzusetzen
als bisher, stimmt der Rez. gern zu. Eigens auf