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Ausgabe:

1995

Spalte:

867-869

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Dalai Lama XIV., Einführung in den Buddhismus 1995

Rezensent:

Greschat, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 10

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griff auf vor allem östliche Erkenntnisse in einem westlich-religiösen
Rahmen behandelt. Bei Capra und anderen New Age-
Autoren, die allerdings nur am Rande zur Sprache kommen,
handelt es sich jedoch, das wird mit Recht hervorgehoben, um
Einzelentwürfe, von einer „New Age-Weltanschauung" kann
nicht gesprochen werden. Das zeigt auch die „Suche nach
einem Diskussionsrahmen zu Capras Entwurf" (12.), bei der
vielfach kaum bekannte Hintergründe ausgeleuchtet werden.

Durch die Untersuchungen zu Capra sieht der Vf. seine These
bestätigt, bei den „mit dem Ausdruck .New Age' verbundenen
Phänomenen" handele es sich um eine „Verkoppelung
säkularer Themen und religiöser Deutungen" (507). Es wäre
wichtig, dies auch mit Blick auf so bekannte New Age-Autoren
wie Marilyn Ferguson zu überprüfen. Das hätte aber den Rahmen
der Arbeit völlig gesprengt. Ihre Ausführlichkeit mindert
ohnehin zuweilen ihre gute Lesbarkeit, doch sorgt der Vf. durch
häufige Zusammenfassungen. Rückblicke und die „Schlußbetrachtung
" (515-534) dafür, daß auch der Leser, welcher nicht
alle Details zur Kenntnis nehmen will, den roten Faden nicht
verliert und sich über die Grundthesen orientieren kann.

Der „Dokumentationsteil" (535-695) am Schluß des Buches
bietet mit seiner umfangreichen Bibliographie, die auch nach
Sachfragen differenziert und „literaturgeschichtliche Recherchen
" einschließt, für jeden, der sich mit der New Age-Proble-
matik beschäftigen will, eine Fundgrube. Ein Personen- und
Sachregister erleichtern die allgemeine Orientierung.

Die vorliegende Arbeit hat Information, Diskussion und Auseinandersetzung
mit dem Phänomen New Age bereichert. Ihr
religionswissenschaftlicher Ansatz eröffnet neue Perspektiven,
die weit über das Thema an sich hinausweisen können, die
ebenso aber, wie bereits geschehen, kritischer Anfragen und
Korrekturen aus theologischer wie kirchlich-apologetischer
Sicht bedürfen.

Die Frage nach der Zukunft von New Age wird offen gelassen
. Aber auch wenn New Age in den Formen der hier beschriebenen
Epoche keine Zukunft hat, stellt sich das Problem der
Beschreibbarkeit zeitgenössischer religiöser Phänomene für den
Religionswissenschaftler und den Theologen immer neu. wobei
der Theologe sich nicht mit methodischen Lösungen zufrieden
geben kann, sondern auf Wertungen und Urteile nicht verzichten
darf, will er Theologe bleiben.

Halle (Saale) Helmut Obst

Dalai Lama: Einführung in den Buddhismus. Die Harvard-
Vorlesungen. Aus dem Amerik. von Ch. Spitz. Freiburg-
Basel-Wien: Herder 1993. 309 S. 8° = Herder Spektrum
4148. Kart. DM 19,80. ISBN 3-451-04148-0.

Den Dalai Lama sieht man zur Zeit öfter in deutschen Nachrichtensendungen
, seit unsere Regierung etwas weniger Rücksicht
auf chinesische Empfindlichkeiten nimmt und sich öffentlich
mit dem Oberhaupt der tibetischen Exilregierung zeigt.
Inzwischen erkennen wir sein freundliches Gesicht, wenn wir
es sehen. Sein fremdartiges Mönchsgewand und sein traditionelles
Gastgeschenk dürften den meisten Deutschen vertraut
sein.

Deutsche Theologen haben sich schon früher um Begegnungen
mit dem Dalai Lama als religiösem Oberhaupt bemüht,
haben ihn mit und ohne Fernsehteams aufgesucht, haben ihn auf
christlichen Massentreffen reden lassen.

Gelegentlich vergleicht man den Dalai Lama mit dem Papst.
Man spricht ihn mit „Eure Heiligkeit" an. Er ist das Oberhaupt
vieler, doch nicht aller tibetischer Buddhisten. Auch ihm wird
eine außerordentliche Autorität zugestanden, denn er gilt, wie
jeder seiner dreizehn Vorgänger, als Inkarnation des Bodhisattwa

Awalokiteschwara, des großen Nothelfers im Mahayana-Bud-
dhismus. Schließlich ist er ein Gelehrter von Rang, der die religiösen
Überlieferungen von Kindesbeinen an durch die besten
Lehrer seinerzeit und nach allen Regeln der Kunst studierte.

Dieses Buch des Dalai Lama enthält Vorträge, die er 1981 an
der Harvard Universität gehalten hat. Es waren zehn Vorträge,
die fünf Tage lang am Vor- und am Nachmittag stattfanden,
wobei zu Anfang von Hörern Fragen gestellt und vom Dalai
Lama beantwortet wurden. Der beherrschte damals die englische
Sprache offenbar noch nicht so gut wie heute, denn in Harvard
stand ihm der Tibetologe Jeffrey Hopkins als Übersetzer
zur Seite. Diesem verdanken wir auch den Anhang mit Umschrift
und Aussprache der tibetischen und Sanskrit-Wörter, mit
einer Bibliographie von Sutra, Tantra, Kommentaren und Sekundärliteratur
sowie mit Anmerkungen, in denen tibetische
Wörter aufgelistet und wichtige Vorstellungen vom amerikanischen
wie vorn deutschen Übersetzer erklärt sind.

Der Titel des Buches trügt allerdings, denn es gibl „den
Buddhismus" so wenig wie es „das Christentum" gibt. Beide
haben sich im Laufe der Zeit und in verschiedenen Gegenden
fortentwickelt und ein Geäst aus vielen Zweigen gebildet. Der
Dalai Lama spricht als Kenner des tibetischen Buddhismus,
einer Sonderform des „Großen Fahrzeugs", welches sich vom
südostasiatischen Buddhaweg absetzt. Aber auch in diesem
Rahmen hält sich der Dalai Lama vor allem an die Lehren zweier
Schulen: „Würde ich alle Schulen erklären", sagte er seinen
Zuhörern, „so würde ich nicht nur Sie verwirren, sondern mich
selbst wahrscheinlich auch" (11).

Aus diesen Vorlesungen lernen die Leser vieles, was allen
Buddhisten gemeinsam, wie z.B. die Analyse der Welt als
unbeständig, leidhaft und ohne Selbst oder die vier edlen Wahrheiten
vom Unheil, von seiner Entstehung, von seiner Auflösung
und von den Mitteln zur Auflösung oder das Karmageselz
als Zusammenhang von Motivation, Handlung und Resultat.
Auch mit charakteristischen Vorstellungen des „Großen Fahrzeugs
" werden die Leser bekannt, z.B. mit den Übungen eines
Bodhisattwa, mit seinem „Regenbogen-Körper", mit der Buddha
-Natur. Auch vom tibetischen Zweig gibt es viel zu lernen,
u.a. was der Zwischenzustand nach dem Sterben ist, was die
Niederwerfungen bezwecken, wie man sich den Buddha als
Gegenüber vorstellt.

Buddhistische Gelehrsamkeit im allgemeinen und tibetische
im besonderen begegnet den Lesern in Gestalt formaler Analytik
. Von gültiger Erkenntnis z.B. gibt es eine unmittelbare und
eine schlußfolgernde. Letztere kommt in drei Formen vor: als
Schlußfolgerung aufgrund von Tatsachen, aufgrund allgemeiner
Bekanntheit und aufgrund schriftlicher Belege, deren
Glaubwürdigkeit als erwiesen gilt. Oder die Weisheit, von der
man drei Arten kennt: Weisheit aus dem Hören oder aus dem
Nachdenken oder aus Meditation. Es gibt ferner zwei Arten von
Taten: beabsichtigende und beabsichtigte. Sie äußern sich in
körperlichem, sprachlichem und geistigem Handeln. Man unterteilt
sie auch in heilsame und unheilsame. Die heilsamen sind
entweder verdienstvoll oder unbeweglich (in bezug auf eine
Wiedergeburt). Was ihre karmische Motivation betrifft, so können
Taten willentlich angesammelt sein und ausgeführt werden,
willentlich angesammelt, aber nicht ausgeführt, ausgeführt,
ohne angesammelt zu sein, oder sie sind weder willentlich
angesammelt noch ausgeführt.

Wo Schemata nur aufgelistet sind, müssen die Leser sie sich
selbst anschaulich machen. Buddhistische Lehrer sind jedoch
nicht nur Theoretiker, sie können auch anschaulich lehren. Der
Dalai Lama tut das gelegentlich mit Erläuterungen und Beispielen
, wie mit diesem, das klärt, was eine unwillentlich ausgeführte
Tat ist: „Wenn... ein Mensch, der nicht töten will, in die
Armee eingezogen wird und den Befehl erhält zu töten, so handelt
es sich selbst dann, wenn er einen anderen Menschen getö-