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Ausgabe:

1995

Spalte:

843-844

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Bader, Günter

Titel/Untertitel:

Die Abendmahlsfeier 1995

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Seite 1

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843

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 9

844

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Bader, Günter: Die Abendmahlsfeier. Liturgik, Ökonomik.
Symbolik. Tübingen: Mohr 1994. IX, 167 S. gr.80. Lw. DM
88.-. ISBN 3-16-146088-X.

Wer unter diesem Titel eine liturgiewissenschaftliche oder dogmatische
Untersuchung erwartet, wird zweifellos enttäuscht.
Der Vf. ist aber durch einige hermeneutische Untersuchungen
bekannt geworden, so daß von daher sich die Absicht, die der
Vf. mit seinem Buch verfolgt, erschließt.

Ausgangspunkt seiner Untersuchung ist die sicher zutreffende
Behauptung: „Die höchste Realität, die das Abendmahl
gewinnen kann, ist die Abendmahlsfeier" bzw. „Ohne Feier keine
Realität des Abendmahls" (1). Er will also darlegen, daß das
Abendmahl ein Fest ist - und untersucht darum das Abendmahl
zunächst im Kapitel „Liturgik" unter den Gesichtspunkten der
Feier, der Paradosis und des Handelns und Sprechens. Die Feier
„ist nichts anderes als Liturgie": „...das Abendmahl ist nicht als
reine Lehre apart gegeben, die es dann überzusetzen gälte in
Abendmahlsfeier als einer Durch- und Aufführung von Wahrheit
" (3f.), ein Gedanke, den übrigens ähnlich W. Eiert so beschrieben
hat: „Der Vollzug dieser Handlungen ist insofern unabhängig
von ihrem theologischen Verständnis, als er nicht daraus
begründet werden darf" (Der christl. Glaube, 3. Aufl., 1956,
355). Durch seine hermeneutische Untersuchung von Begriffen
wird manches - gerade auch im Hinblick auf das Abendmahl -
dem Sakramentstheologen aus einer Sicht deutlich, die er
zumeist wenig bedenkt. Gilt das nicht auch für den Begriff der
Paradosis („Abendmahlsparadosis als göttliche Paradosis", 25)?
Der Vf. wendet sich gegen J. Jeremias, da seine „Behauptung
der Aliturgizität von Brot- und Kelchwort Jesu als des letzten
Übrigbleibenden" als Sperre wirkt, „die diese Worte an ihrer
Kräftigkeit hindert" (29). Gerade der Begriff der (liturgischen)
Paradosis erschließt das Abendmahl als göttliche „dosis"; in der
Konsekration „geschieht, was ausgesagt wird" (51). Man darf
Wort und Handlung nicht gegenseitig ausspielen.

Wer begreift das Abendmahl schon als „Ökonomie" (Wirtschaft
, Transport, Arbeit und Rhythmus)? „Abendmahl ist Wirtschaft
, ...Bewirtung des Gastes durch Speisen und Tränken, festliches
Gastmahl unter den Bedingungen der Gastlichkeit", das aber
in Kontradiktion zum modernen Verständnis von Wirtschaft
(59f). Es ist zugleich Transportmittel: Es ist wohl „deutlich Brot
statt Leib und Wein statt Blut, und dennoch verbale Deklaration
von Brot als Leib und Wein als Blut", und so ist es Heilsmittel
(75). Zugleich ist es Arbeit und Rhythmus, denn Christus hat nicht
mit vergänglichem Silber oder Gold, sondern mit seinem teuren
Blut sich für uns Arbeit gemacht. Mühe und Beschwer (94).

Schließlich behandelt der Vf. die Abendmahlsfeier unter dem
Gesichtspunkt der Symbolik (Geschmack, Metapher, Opfer und
Gebet). Unter „Geschmack" zählt der Vf. überhaupt die Sinne,
die bei der Abendmahlsfeier angesprochen werden. Der Wortgottesdienst
läßt sich durch Medien übertragen, aber eine „tele-
gustio" ist unmöglich (119). Das Schmecken des Abendmahls
ist an die Anwesenheit geknüpft. Metapher deutet der Vf. wiederum
als „Transport": „Es ist die metaphorische Leistung der
Abendmahlsfeier, daß in ihr das Nicht-Gleiche, Leib Jesu und
Brot, Blut Jesu und Wein, gleichgesetzt wird trotz manifester
Nicht-Gleichheit"; es stiftet dabei „ein Gedächtnis im Gedächtnis
" (131, 136).

Und schließlich ist das Abendmahl Opfer und Gebet. Nach
der Beschreibung mancher Opfertheorien (W. Burkert, M. Deti-
enne, B. Gladigow) beschreibt der Vf. aufgrund der Aussagen
des Letzteren auch das Opfer als Transportmittel und als Paradosis
. Durch Opfer gibt sich der eine zum Gewinn des anderen
preis. Damit schließt sich für ihn der Ring, Opfer ist vor allem
Liturgie, Handeln, Dahingabe. Sie geht über in Theo-Logia,
dann Hymno-Logia und schließlich Eu-Logia: „Dem Opfer tritt
entgegen Gesang als Opfer: .Singopfer', nicht .Opfergesang';
und während im gefeierten Abendmahl über dem gesegneten
Brot und gesegneten Wein die Erinnerung zu Jesu Opfer absteigt
, erhebt sich die Erwartung, die ihr ,Komm, Jesu, komm'
singt" (154-157). Der Rez. wünschte sich hier eine tiefergehende
Hermeneutik. Das Selbstopfer Jesu kommt eigentlich nicht in
den Blick.

Wie eingangs erwähnt, kann der Leser dieses Buches das
Abendmahl einmal von einer ganz anderen Seite her kennenlernen
. Wahrscheinlich wird nicht zuletzt der Prediger und Katechet
manche Anregung für seinen Dienst gewinnen - und das
ist ja letztlich Sinn jeder Hermeneutik.

Freiberg Karl-Hermann Kandier

Muschiol, Gisela: Famula Dei. Zur Liturgie in merowingischen
Frauenklöstern. Münster: Aschendorff 1994. LI, 396 S. gr.8° =
Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Bene-
diktinertums. 4L Kart. DM 98.-. ISBN 3-402-03975-3.

Der vorzustellenden Arbeit liegt eine liturgiegeschichtliche Dissertation
zugrunde, die vom Fachbereich Katholische Theologie
der Universität Münster 1990 angenommen wurde. Ausgehend
von dem Anliegen Angenendts, der diese Arbeit auch betreut
hat, „die dem frühen Mittelalter eigenen Religionsformen aufzuspüren
und zu verdeutlichen" (Angenendt. Frühmittelalter,
1990, 51, zit. bei Muschiol 3), untersucht M. am Beispiel der
merowingischen Frauenklöster die „Beteiligung frühmittelalterlicher
Klosterfrauen an ihrer täglichen Liturgie" (1). Ihr geht es
also nicht darum, den zahlreichen liturgischen Untersuchungen
zur Klostergeschichte des Mittelalters eine weitere hinzufügen,
sondern es ist, wie sie in der Schlußzusammenfassung betont,
ihr Interesse, „Mosaiksteine für die Rolle von Frauen in der Geschichte
der Kirche" (366) zusammenzutragen. Als Quellen
werden dafür, da die liturgischen Bücher nur wenig Auskunft
geben, vor allem Texte nichtliturgischen Ursprungs wie Klosterregeln
. Synodalentscheidungen. Bußbücher und die Viten
heiliger Frauen herangezogen, - Quellen also, in denen eher
beiläufig vom liturgischen Wirken der Frauen die Rede ist. Alle
diese Texte entstammen dem 6. bis frühen 8. Jh. (10-32).

Die Aktualität der Fragestellung liegt, wenn wir die Diskussion
über die Rolle der Frauen innerhalb der katholischen Kirche
bedenken, auf der Hand. Sie ist aber auch forschungsgeschichtlich
gegeben, worauf die Einleitung hinweist. Darin geht M.
sowohl auf „die Rolle von Frauen in der Merowingerzeit" (32-
41) wie auch auf Leben und Wirken „fromme(r) Frauen in Gallien
" (41-80), der klösterlich (Nonnen) wie nichtklösterlich lebenden
(Witwen, Jungfrauen), ein. Daß die einen wie die anderen
die Weihe empfingen und ihnen Aufgaben wie Taufunterweisung
und Fürbitte übertragen wurden, ist für die Vfn. ein
erster Hinweis auf die wichtige Rolle, die Frauen im Frömmigkeitsleben
der frühmittelalterlichen Gesellschaft gespielt haben.

Dem Nachweis, daß diese allgemeine Beobachtung auch für
das geistliche Leben der merowingischen Frauenklöster gilt, ist
der Hauptteil dieser Untersuchung gewidmet. Der erste Abschnitt
geht in einer akribischen Analyse auf „die Stundenliturgie
" (81-191) ein. Dabei zeigt M., daß die Äbtissin und die
Schwestern für den „Vollzug der Liturgie" (81-106) keiner priesterlichen
Hilfe von außen bedurften, sondern Psalmen, Lesungen
und Gebet „kraft ihrer Weihe" (105) selbständig sprechen
konnten. Mit anderen Worten: Im Zentrum des klösterlichen
Alltags stand mit dem von der Äbtissin geleiteten und den