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Ausgabe:

1995

Spalte:

837-838

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bloth, Peter C.

Titel/Untertitel:

Praktische Theologie 1995

Rezensent:

Schröer, Henning

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 9

838

henden Religionen; 3. Bestimmung seiner Identität im geschichtlichen
Wandel; 4. Nachweis einer Koexistenzmöglichkeit
der Kirche mit anderen gesellschaftlichen Institutionen.

In R.s Schlußbetrachtungen über die Funktionalität der Theologie und
der Philosophischen Theologie bleibt die Frage nach dem Theologen offen,
d.h. die Frage, ob ein „princeps ecclesiae", von dem S. nicht erwartet, daß
er funktioniere, sondern daß er sein Zeitalter geistig (etwas anderes als:
..amtlich") „dominiere", ein. um mit KD2 § 9 zu reden. „Kirchenfürst", oder
ober ein Funktionär ist.

Kirchnüchel Hermann Peiter

Praktische Theologie: Allgemeines

Bloth. Peter C: Praktische Theologie. Stuttgart-Berlin-Köln
Kohlhammer 1994. 214 S. 8« = Grundkurs Theologie, 8.
Urban- Taschenbücher, 428. Kart. DM 26,-. ISBN 3-17-
010026-2.

Das Vorwort deutet bereits die besondere literarische Gattung
dieser Darstellung der Praktischen Theologie an: Es handelt sich
um einen Grundkurs und nicht um „.Grundlegung', ,Grundriß
.Einführung', .Arbeitsbuch' oder ,Handbuch"' (7). Methodisch
drückt sich das vor allem darin aus, daß die Darstellung mit 12
..Übungen" verbunden ist. Das sind Abschnitte, in denen an
exemplarischen Texten zur Analyse angeleitet wird, so daß an
Elementen prinzipielle Fragestellungen deutlich werden, die
Übersichtlichkeit und Durchblick angesichts einer uneinheitlichen
Literatur-Landschaft des Fachgebiets ermöglichen. Etwas
zugespitzt kann man das Ganze einen imposanten analytischen
Literaturbericht nennen, denn Bloth hat nicht nur geradezu eine
Bibliographie aller wichtigen Publikationen zum Fachgebiet erstellt
, sondern erörtert die Hauptprobleme der Praktischen Theo-
'ogie im Spiegel ihrer literarischen Entwicklung. Einzelne Partien
haben Forschungscharakter und liefern Teilstücke einer so oft
gewünschten Geschichte der Praktischen Theologie in ihren jeweiligen
Kontexten. Dabei erhalten auch weniger allgemein bekannte
Autoren wie L. Ihmels, P. Kleinen oder E. v. d. Goltz Gewicht
, Wer sich schon etwas auskennt, kann viel wahrnehmen,
wer als Studierender anfängt, wird reichlich gefordert, auch
wenn der Beginn noch relativ studiennah erscheint.

Die Darstellung gliedert sich in drei große Teile: [. „Zugänge zur Praktischen
Theologie" (9-41); II. „Vom pastoralen zum ekklesialen Paradigma
<>'li'r Praktische Theologie auf dem Weg zur eigenen Kompetenz im Kontext
" (42-96); III. „Praktische Theologie als .offenes System' im pluralistischen
Kontext oder: Die handelnde .Kirche des Wortes"' (97-212). Ein
knappes Sachregister schließt den Band ab. Dort vermisse ich allerdings
wie in der Darstellung die Sachkomplexe Spiritualität bzw. Aszetik.

Der erste Teil erschließt wichtige Quellen der Praktischen
Theologie: Vorlesungsverzeichnisse, Lexikon-Artikel, Fachbegriffe
und Handbücher. Drei Fragen leiten das erkennende
Interesse: 1. die enzyklopädische Frage nach der Rolle der
Praktischen Theologie innerhalb ihrer Disziplinen - gewarnt
wird zu Recht vor einer Unterschätzung als bloßer Anwendungslehre
oder Überschätzung als Monopol für den Praxisbezug
(9); 2. die Frage nach dem Verhältnis zu Konfession und
Kirche und 3. die Frage nach dem reellen Bedarf.

Da aus Raumgründen eine nähere Analyse entfallen muß,
konzentriere ich mich auf die Hauptanliegen bzw. -ergebnisse.
Bloth übt in kybernetische Analyse ein. Er will die Verfas-
sungsprinzipien nicht nur der Kirche, sondern der Praktischen
Theologie, ihre Leitformeln, aufspüren. Nicht als „absoluta"
(102-107), sondern als integrale Leitbegriffe, die die ,„Zeif-
.Stelle'", wie B. es nennt (39, 212), den historischen Sitz im Leben
, erschließen. Solche Kontexte sind u.a. die Differenzierung
von Kirche zu Religion, die Wellkriege, die Ökumene, die neuen
Handlungsfelder von der Inneren Mission zur Diakonie, von
der Seelsorge zur Beratungsarbeit, die Unterschiede von Bundesrepublik
und ehemaliger DDR. Dabei vermeidet er die üblichen
Frontbildungen, wie sich insbesondere an der Darstellung
Fr. Niebergalls zeigt. Maßgebend ist für ihn das „ekklesiale Paradigma
", d.h. das Verständnis der Praktischen Theologie als
Theorie der handelnden Kirche, jedoch nicht im Sinne einer
ekklesiologischen Engführung. G. Ottos Vorwurf wird auf diese
Weise analytisch zurückgewiesen. Interdisziplinär bringt der 3.
Teil den Versuch einer Neustrukturierung der Teildisziplinen,
verdeutlicht durch ein Schaubild auf Seite 110, bei dem die tragende
Rolle der Kybernetik - immer wieder verdeutlicht an
dem Verhältnis zu Barmen III (Gleichrangigkeit von Botschaft
wie Ordnung) - klar zutage tritt. Die Aufnahme von G. Krauses
bekannten Fragen seiner Einleitung von 1972 in die Kerntexte
der Theoriebildung (WdF 264, zit. Bloth 117) paßt zu meiner
Einschätzung dieser Darstellung: Sie setzt die dort begonnene
enzyklopädische Klärung fort und versucht aufzuzeigen, daß
Barmen III „praktisch-theologisch kaum mehr einlösbar" ist
(166). Ob das zutrifft, muß diskutiert werden, zumal viele Praktische
Theologien eher bei CA 7 angesiedelt sind. B.s Verhältnis
zu D. Rösslers Entwurf ist mir unklar geblieben.

Bei reizvoller Analyse ergeben sich viele Anfragen. Ist B.s eindrucksvolle
exemplarisch-exegetische Basierung mit Lk 10 (167-169) für das Verhältnis
zur Exegese und zum Schriftprinzip methodisch durchsichtig? Wird
B. dem Verhältnis von christlichem Glauben und Religion gerecht, damit
auch der dialektischen Theologie in ihrem Wahrheitsinteresse? Welche Rolle
spielen Macht und Geld für die Theoriebildung? Kann man sich nur im
Medium der Literaturanalyse komparatistisch bewegen, auch wenn dies
sicher dem Status der Prakt. Theol. als Theorie der Praxis entspricht? Welche
Vision hat B., um den Bedarf, der möglicherweise nicht nur analytischer
, sondern projektiver Natur ist. aufzuzeigen?

Solche Fragen unterstreichen die Wichtigkeit dieser Darstellung
, die zumindest jeden davor warnt, vorschnell expressiv the-
tisch Bewegungsübungen vorzuschlagen, ohne diese Röntgenbilder
der Praktischen Theologie samt Kommentar zur Kenntnis
genommen zu haben. Entbehren kann man dieses Buch nicht,
selbst wenn die Lektüre manche Mühe bereitet und die Verbindung
zur Praxis nicht jedem deutlich sein wird. Das angestrebte
„offene System" läßt merkwürdigerweise trotz vieler Wahrnehmungen
vielleicht zu viel offen. Die wichtige Frage nach der
Einheit der Praktischen Theologie läßt die Frage nach der
Wahrheit der Praxis zurücktreten. Die „handelnde .Kirche des
Wortes'" (97, 209) bleibt mehr ein kybernetischer Rahmen als
eine motivierende Zielvorstellung.

Bonn Henning Schröer

Globig, Christine: Frauenordination im Kontext lutherischer
Ekklesiologie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1994.
206 S. gr.80 = Kirche und Konfession, 36. Kart. DM 58,-.
ISBN 3-525-56540-2.

Christine Globig geht von der Situation aus, daß die Diskussion
über die Frauenordination in der evangelischen Kirche weltweit
und auch in Deutschland noch nicht abgeschlossen ist. auch
wenn der Rat der EKD 1992 formuliert: „Eine prinzipielle Kritik
an der Frauenordination verläßt den Boden der in der evangelischen
Kirche geltenden Lehre" (Frauenordination und Bischofsamt
, 3f).

Der Schwerpunkt des Interesses der Autorin liegt auf der
ekklesiologischen Fragestellung. Ihr geht sie zunächst nach,
indem sie nach dem Umgang Martin Luthers mit dem Thema
„Die Frau im Priesteramt" fragt: Luthers These vom allgemeinen
Priestertum aller Getauften beinhaltet theoretisch die Möglichkeit
des Priestertums der Frau. Wenn Luther gleichwohl
sich gegen diese Möglichkeit ausspricht, hat dies seinen Grund
in Luthers oeconomia (Ständelehre), die hierarchisch gefaßt ist