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Ausgabe:

1995

Spalte:

834-835

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Rehm, Johannes

Titel/Untertitel:

Das Abendmahl 1995

Rezensent:

Hempelmann, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 9

834

Zu seiner Zuordnung der »pneumatologies philosophique et
theologique« kommt der Vf. mehr auf additivem Weg als durch
einen konsequent systematischen Interpretationsansatz. Was er
grundsätzlich über das Verhältnis von Dogmatik und Philosophie
, von Glauben und Wissen, von Geist und Heiligem Geist
sagt, überrascht nicht. Im Gegensatz zu der »contradiction ä la
Jacobi« und der »dissolution ä La Hegel" präsentiere Schleiermacher
»entre les deux pneumatologies une mediation capable
d'assurer ä l'une et ä l'autre une relative independance. Sans
confusion tu Separation, elles coexistent en une tension feconde,
comme les pöles. distinetes mais connexes, d'un champ magne-
aque entre lesquelles >oscille< la vie spirituelle« (604). Damit
gibt er Schleiermachers Selbstdeutung mehr oder minder in
eigenen Worten wieder. Über diesen beschreibenden Status hin-
auszugelangen. hätte die Zugrundelegung einer systemorganisierenden
Leitidee erfordert. Da der Vf. darauf verzichtet hat,
bleibt es bei der Nachzeichnung der vielfältigen Register, die
Schleiermacher in der Anthropologie, der Christologie, der
Ekklesiologie, der Ästhetik und auf weiteren Gebieten zu ziehen
verstand. Arbeiten, welche den systemorganisierenden Untertext
Schleiermachers aufschließen, sind teilweise schon weiter
vorgedrungen, als der Vf. zu sehen scheint. Wie bewertet er
Z-B. die These von Eilert Herms, grundlegend für Schleiermachers
System sei die „Psychologie"?

Die abgewogene Würdigung der Stärken und Schwächen
Schleiermachers bei der Behandlung der Gestaltungen des Geistes
zählt zu den besonderen Anliegen des Vf.s. An Schleiermachers
„Ethik" wird lobend hervorgehoben, daß die Manifestationen
des Geistes in der Totalität menschlicher Lebensäuße-
fungen nicht in eine unifizierende Theorie des Absoluten einmünden
. Konstitutiv bleibe die Polarität des Individuellen und
des Identischen (120ff.). Die Leistungsfähigkeit des ethischen
Konzepts liege in den kulturpraktischen Unterscheidungen von
Staat, Kirche. Wissenschaft, Kunst. Allerdings verliere die Kategorie
des Sollens zu stark an Gewicht, ebenso die des Bösen.
In der „Ästhetik" werde das Konzept des Schönen nicht
urnstandslos von einer »idee supreme« hergeleitet. Nicht genügend
thematisiere Schleiermacher die ästhetische Wahrnehmung
. Die Beziehung der Kunst zur Wahrheit des Seins werde
vernachlässigt.

Auf dem Gebiet der »pneumatologie theologique« erkennt
der Vf. Schleiermacher das Verdienst zu. bei Betonung der bleibenden
Selbständigkeil der Religion deren Affinität zu den phi-
'osophischen Ausdrucksgestalten des Geistes hervorzuheben.
Nicht ausreichend seien die Unterscheidungen von Religion.
Religiosität, Offenbarung. Was den Heiligen Geist angehe, so
arbeite Schleiermacher einerseits ungleich stärker als andere
Theologen seiner Zeit die Bedeutung des Dritten Artikels heraus
, wiewohl er andererseits dem Modalismus zuneige. Schleiermachers
theologisches Grundproblem bestehe darin, Gott in
den Grenzen der menschlichen Reflexion zu halten. Er verkenne
die kosmischen und eschatologischen Dimensionen der Christusherrschaft
, zumal sein Akzent auf der präsentischen Escha-
,()logie liege.

An den theologischen Urteilen wird erkennbar, daß der Vf.
mit einem Hintergrundraster von „Orthodoxie" arbeitet, wel-
ch-es er auf Schleiermachers Text legt. Die umfangreiche Studie
lst nicht unkritisch, doch insgesamt in einem warmherzigen Ton
abgefaßt. Originell im Sinne der grundlegenden Forschungsin-
»OVation (oder-Sensation) ist sie nicht. Muß man aber um jeden
Preis originell sein wollen? In der „Kunstlehre der Auslegung"
forderte Schleiermacher von jedermann das Streben nach „Mei-
stersehaft". fügte aber hinzu: „Je mehr der Gegenstand schon
bearbeitet ist, um desto weniger darf sich diese gerade in neuen
Auslegungen zeigen wollen" (KD 9 138. 139).

Leipzig KW Nowak

Rehm, Johannes: Das Abendmahl. Römisch-Katholische und
Evangelisch-Lutherische Kirche im Dialog. Mit einer Einführung
von H. Küng. Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus
1993. 349 S. 80. Kart. DM 68,-. ISBN 3-579-
00230-9.

Vorliegende Publikation ist die Dissertation eines evangelischen
Theologen, die vor allem im Dialog mit Hans Küng entstand
, der sie in einer Einführung würdigt und dabei ein entschiedenes
Plädoyer für eucharistische Gastfreundschaft abgibt.
Als Kristallisationspunkt für den bilateralen Dialog zwischen
Römisch-Katholischer und Evangelisch-Lutherischer Kirche
wählt der Vf. das Dokument „Das Herrenmahl" aus, so daß Entstehung
, Deutung, und kirchlicher Rezeptionsprozeß dieses
Dokuments im Zentrum der Ausführungen stehen und sich wie
ein roter Faden durch die weit ausholenden Überlegungen ziehen
. Andere „Dokumente wachsender Übereinstimmung" kommen
jeweils in Bezugnahme auf das Herrenmahl-Dokument zur
Sprache. Die praktische Perspektive und Leitfrage des Vf.s lautet
dabei: „Ist die Trennung am Tisch des Herrn angesichts der
Ergebnisse des ökumenischen Dialogs noch zu rechtfertigen
oder nicht" (15)? Mit dieser Frage wird zugleich verdeutlicht,
daß der Vf. die Aufgabe der Konsensbildung im engen Zusammenhang
mit der konkreten Verwirklichung von Abendmahlsund
Kirchengemeinschaft versteht.

Drei zentrale Fragenkreise werden im Hauptteil B der Untersuchung
aufgegriffen und diskutiert: Laienkelch (69-90). Gegenwart
Christi beim Abendmahl (91-194) und Opfercharakter
des Abendmahls (195-293). Die behandelten Fragestellungen
entsprechen im wesentlichen den Themenbereichen, die auch
im von der Ökumenischen Kommission herausgegebenen Studiendokument
„Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" zum
Thema gemacht wurden. Die Unterpunkte dieser Hauptteile
sind unter jeweils sieben verschiedenen Fragestellungen parallel
gestaltet, so daß hier eine klare formale Struktur erkennbar
wird. Dem Hauptteil vorangestellt ist eine Skizze der bisherigen
Dialoge zur Abendmahlsthematik (27-38), eine Einführung in
die Dialogbegrifflichkeit (39-44) sowie ein Abschnitt über die
Entstehung des Dokuments „Das Herrenmahl" (45-61), der
einen aufschlußreichen Einblick in die langwierige Genese
eines ökumenischen Textes gibt. Hier wertet der Vf. Hintergrundinformationen
aus, die ihm von ökumenischen Forschungsinstituten
zugänglich gemacht wurden. Vergleichsweise
kurz wird in den Ausführungen des Vf.s der Frage des Laienkelchs
nachgegangen, die im Herrenmahl-Dokument nur am
Rande eine Rolle spielte und lediglich in einem von 77 Abschnitten
explizit thematisiert wurde.

Da die Abendmahlsthematik fraglos im Schnittpunkt zwischen
theologischer Reflexion und kirchlicher Praxis liegt, erscheint
die Erörterung einer solchen, vergleichsweise sekundären
Thematik, durchaus gerechtfertigt, zumal das Herrenmahl
-Dokument die enge Verknüpfung von gemeinsamem
Zeugnis und Vollzug wie Liturgie des Abendmahls unterstreicht
. Wie zur Laienkelchthematik wird auch zu den weiteren
Hauptthemen .Gegenwart Christi im Abendmahl' und ,Opfer-
charakter des Abendmahls' nicht nur der moderne ökumenische
Dialog skizziert, vielmehr behandelt der Vf. auch die tridentini-
sche Abendmahlsauffassung, skizziert die Sichtweise Martin
Luthers und der lutherischen Bekenntnisschriften, geht auf die
gegenwärtige aktuelle Diskussion der Abendmahlstheologie
und -praxis ein, bezieht auch die weitergehende Diskussion
über die Eucharistie im Limatext und im Studiendokument
„Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" mit ein und thematisiert
die Rezeptionsprozesse ökumenischer Konsens- und Konvergenztexte
in den Kirchen. Der Vf. nennt in seinen Ausführungen
eine ganze Reihe unbewältigter und weiter zu klärender
Themenbereiche, zum Beispiel im Blick auf den Opfercha-