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Ausgabe:

1995

Spalte:

815-816

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Rochow, Ilse

Titel/Untertitel:

Kaiser Konstantin V. 1995

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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815

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 9

816

Rochow, Ilse: Kaiser Konstantin V. (741-775). Materialien zu
seinem Leben und Nachleben. Mit einem prosopographi-
schen Anhang von C. Ludwig, I. Rochow und R.-J. Lilie.
Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang
1994. XXVII, 253 S. 80 = Berliner Byzantinistische Studien,
1. ISBN 3-631-47138-6.

Die Gestalt Konstantins V. hat in der Geschichte unterschiedliche
Wertung erfahren. Zumeist in den schwärzesten Farben
gemalt, hat dieser Kaiser doch auch großes Lob geerntet. I.
Rochow legt eine Monographie vor, die den neueren Forschungsstand
wiedergeben will. Konstantin erscheint als der
kraftvolle Kaiser, der in langer Regierungszeit seine Herrschaft
gegen Usurpatoren behaupten, die inneren Verhältnisse des
Reiches politisch, finanziell, militärisch ordnen und erfolgreiche
Abwehrkämpfe gegen Araber und Bulgaren führen konnte.
Nicht zu verhindern war freilich die Verselbständigung des
Westens, wo angesichts der Langobardengefahr das Papsttum
sich auf die neue Großmacht der Franken orientierte.

Erwachsen ist die Arbeit aus dem Berliner Akademie-Unternehmen
„Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit", und
eine schöne Beigabe sind u. a. 68 Lemmata über Zeitgenossen
Konstantins, was schon einen Eindruck von der zu erwartenden
Prosopographie gibt. Es geht um eine möglichst vollständige
Auflistung der Erwähnungen in den Quellen und der Sekundärliteratur
.

Besonders hat sich der prosopographische Ansatz in der Darstellung
des theologischen Bemühens und der Kirchenpolitik
Konstantins ausgewirkt, die hier vor allem interessieren. Konstantin
hat auf einem sich als 7. ökumenisches deklarierenden
Konzil 754 die Ablehnung von Christus- und Heiligenbildern
beschließen lassen und galt den Bilderverehrern, die schließlich
Sieger blieben, als der verabscheuungswürdige große Ketzerkai-
ser. Die historische Aufarbeitung des Stoffes ist hier gering, und
die richtigen Einsichten und die kritischen Anmerkungen wie die
Referate neuerer Forschung ertrinken in der Fülle andersartiger
historischer Äußerungen, die alle wiedergegeben werden. Hier
hätte eine kritische Übersicht über die Quellenlage ein deutlicheres
Bild ermöglicht. Und so ist auch die Überschrift des abschließenden
Kapitels „Das Urteil der Zeitgenossen und der
Nachwelt" irreführend, insofern es eigentlich überhaupt keine
Urteile von Zeitgenossen, sondern nur solche der bilderfreundlichen
Nachwelt gibt, die an sich schon tendenziös sein mußten.

Hauptquellen sind Theophanes, Nikephoros und die Vita Step-
hani iunioris, alle aus dem frühen 9. Jh. Während Theophanes
bereits in einem eigenen Werk der Vfn. bearbeitet wurde (Berliner
Byzantinistische Arbeiten 57, 1991), ist die kritische Aufarbeitung
der Stephanos-Vita in der französischen Forschung in
vollem Gange (M.-F. Auzepy), was ihren Wert als Geschichtsquelle
weiterhin in Frage stellen wird. Nicht immer ist die genannte
Literatur voll ausgewertet. So sind auch für die ausnahmslos
späten Viten die kritischen hagiographischen Arbeiten
von I. Sevcenko und J. Dummer nicht herangezogen worden.

Kaum zu bezweifeln ist das theologische Interesse Konstantins
, das in seinen Peuseis zum Ausdruck kommt. Im wesentlichen
sind es zwei Aussagen, die hier gemacht werden: Die Darstellung
Christi verstoße gegen die Zweinaturenlehre und die
Eucharistie sei das einzige wahre Bild Christi. Beide wurden
vom Konzil 754 übernommen. Die erste Aussage war nicht neu,
schon Ioannes von Damaskos wendet sich dagegen (III S. 77f
Kotter).

Festzuhalten bleibt, daß Konstantin bereits in Bilderfeindlichkeit
erzogen wurde (44) und daß es unter ihm weder eine
Vernichtungskampagne gegen die Bilder noch eine blutige Verfolgung
von Bilderverehrern gegeben hat (58). Auch in den
Akten des 2. Nicaenums 787 steht nichts von Martyrien der Bilderfreunde
, und nur mit Mühe hat man zwei demolierte Codices

gefunden, um die Zerstörung von Bildern zu beweisen. Die
Kanones von 754 schreiben auch nicht die Vernichtung von
Bildern vor, sondern verbieten die Anfertigung. Nach Jahrzehnten
bilderfeindlicher Politik dürfte es im offiziellen Bereich keine
Bilder mehr gegeben haben. Am ehesten scheint das Verbot
gegen Handwerker gerichtet zu sein, die für einen volkstümlichen
privaten Bedarf Bilder anfertigten. Groß dürfte dieser
Bereich nicht gewesen sein.

Ein eigenes Thema in der Vita Konstantins bildet der Kampf
gegen das Mönchtum. Was es damit wirklich auf sich hat,
bedarf immer noch kritischer Aufarbeitung.

Die negative Einschätzung des bilderfeindlichen Florilegs,
das unter Konstantin zusammengestellt wurde (48), ist nicht
gerechtfertigt. Bei dem „Bischof" Georgios von Zypern (54)
handelt es sich gewiß um den aus Zypern stammenden Mönch
(44). Trotz mancher Einwände ist daran festzuhalten, daß R. die
Fülle des Materials vorgelegt hat, und wer sich über irgendein
Detail der Tradition über Konstantin V. informieren will, wird
hier die nötigen Angaben finden.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Didyme l'Aveugle: Traite du Saint-Esprit. Introduction,
Texte critique, Traduction, Notes et Index par L. Doutreleau.
Paris: Cerf 1994. 449 S. 80 = Sources Chretiennes, 386. Kart.
fFr 166.-. ISBN 2-204-04611-6.

In einer Sammelbesprechung der Bände 387-397 der Reihe
Sources Chretiennes in ThLZ 119 (1994) 959-964 wurde
bedauernd bemerkt, daß der Band 386 nicht eingegangen sei
(959). Der Band wurde nachgereicht und sei noch angezeigt.
Der Hg. Louis Doutreleau hatte zwischen 1957 und 1987 fünf
Artikel über Didymus den Blinden und die Schrift De spiritu
saneto veröffentlicht (10); frühere Zweifel an der Autorschaft
des Didymus sind überwunden. Die Abhandlung des Kirchenvaters
Didymus über den Heiligen Geist entstand im Zusammenhang
mit dem Konzil von Konstantinopel 381. Sie liegt
freilich nur in einer lateinischen Übersetzung vor, die
Hieronymus im Jahre 396 verfaßt hat. Der griechische Urtext ist
nicht erhalten, denn die Überlieferung der Werke des Didymus
ist schlecht, weil die ökumenische Synode von Konstantinopel
553 ihn als Origenisten verurteilt hatte. Man war weithin auf die
Ausgabe von Migne. Patrologia Graeca 39, angewiesen.

Um so erfreulicher ist es, daß sich die Reihe Sources Chretiennes
auch dieses Kirchenvaters angenommen hat; von ihm
waren bereits Kommentare „Sur Zacharie" (Bd. 83-85) sowie
„Sur la Genese" (Bd. 233 und 244) ediert worden. Der jetzt erarbeitete
Band informiert über die erhaltenen Manuskripte und
die bisherigen Editionsversuche (101-121). Einflüsse der Didy-
mus-Schrift sind nachweisbar bei Ambrosius von Mailand,
Augustin, Faustus von Reji, beim Streit um das filioque im
9. Jh. sowie vereinzelt im Mittelalter (122-132). Die Linie läßt
sich auch bis zum Konzil von Florenz 1439 ziehen (8). Die
ersten Kapitel der Einleitung (17-92) sehen die Schrift des
Didymus in einem großen Zusammenhang: Die Entwicklung
der Lehre vom heiligen Geist. Briefe des Athanasius an Serapion
und an Didymus werden ausgewertet, mehrfach wird auf
Origenes zurückgegriffen, den Lehrer des Didymus; Bibelstellen
, zumal aus dem Evangelium des Johannes und Briefen des
Paulus, durchziehen die Darstellung; ein Index gibt Auskunft
(409-414). Mit guten Gründen bezeichnet der Hg. den Theologen
Didymus als wichtiges Kettenglied (chainon important) in
der Theologie des heiligen Geistes im Verlauf der 2. Hälfte des
4. Jh.s (8).

G. H.