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Ausgabe:

1995

Spalte:

802-803

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Metzger, Bruce Manning

Titel/Untertitel:

A textual commentary on the Greek New Testament 1995

Rezensent:

Elliott, James K.

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 9

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hinter dem erreichten Stand der Diskussion (s. etwa M. Theobald. Die
Fleischwerdung des Logos. Münster 1988) zurück. Überhaupt ist fraglich,
ob man aus den vielfältigen .strukturbildenden' Textsignalen im jo Text
(Orts- und Zeitangaben. Stichwortanknüpfungen. Wiederholungen. Wiederaufnahmen
. Inklusionen. Chiasmen etc.. s. Mlakuzhyil. op. cit.) die absolute
Prävalenz eines einzigen .Hauptkriteriums' (I,40f.), nämlich der (räumlichen
und geistigen) .Bewegung', postulieren darf? Beruht die Wirkung
eines Textes nicht gerade auf dem Zusammenspiel verschiedenartiger
sprachlicher Mittel? Und wird dem jo Autor mit dem numerischen Formprinzip
einer strikten Dreiteilung von der Makro- bis zur Mikrostruktur
nicht ein allzu schematisches Vorgehen zugemutet?

K. scheint sogar anzunehmen, daß bereits der jo Autor sein
Autograph kolometrisch gestaltet habe mit festliegenden Seitenlängen
von je 45 Zeilen (11,7) und 22 Seiten (nach der Zahl der
Buchstaben des hebr. Alphabets) pro Akt. Historisch ist solches,
selbst wenn man mit einer einheitlichen Abfassung des JoEv
rechnen wollte, völlig unwahrscheinlich. Kolometrische Schreibweise
wurde in griechischen Handschriften erst von Origenes auf
die Psalmen der LXX übertragen, um deren poetischen Charakter
zu kennzeichnen (Eus. h. e. VI, 16,4), für die Johannesbriefe gibt
Origenes die Zahl der Stichoi an, die gerade nicht Sinnzeilen darstellen
(in Eccl V,3). In Anlehnung an Handschriften lat. Rheto-
ren übertragen erst Hieronymus (praef. ad Jes.) und dann Eutha-
Hos (PG 85,629.633) die Kolometrie auf biblische Prosa, und die
ältesten erhaltenen kolometrischen Codices (Bezae, Claromonta-
nus, Coislianus) sind lat.-gr. Bilinguien des 5./6. Jh.s.

Dieses Beispiel zeigt, wie leicht die ingeniöse Suche nach
flies durchdringenden Einheitsstrukturen im jo Werk zu historisch
unangemessenen und höchst spekulativen Schlußfolgerungen
verleiten kann. Gegenüber den Konstruktionen K.s bleibt
daher - trotz interessanter Einzelbeobachtungen - Skepsis angebracht
. Der respektable Versuch, die (allenfalls relative!)
literarische Einheit des 4. Evangeliums zu erweisen, bedürfte
exakterer und methodisch reflektierter sprachlicher Nachweise,
um überzeugen zu können.

Tübingen Jörg Frey

Koskenniemi. Erkki: Apollonios von Tyana in der neutesta-
mentlichen Exegese. Forschungsbericht und Weiterführung
der Diskussion. Tübingen: Mohr 1994. IX, 273 S. gr.8° =
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2.
Reihe, 61. Kart. DM 98,-. ISBN 3-16-145894-X.

Das vorliegende Werk umfaßt eigentlich zwei Arbeiten. Mehr
als zwei Drittel nehmen Darstellungen der Forschungsgeschichte
ein. In umfangreichen, nach Sachfragen aufgegliederten
Referaten wird die Literatur zu Apollonios von Tyana vorgeführt
, dessen Lebenszeit fast das ganze 1. Jahrhundert füllt und
den uns Philostrat in seiner um 220 verfaßten Vita als Magier
und Wundertäter schildert. Im 374. Jahrhundert von den Heiden
neben Jesus gestellt und als diesen überragend geschildert, was
die Christen bestritten, wurde das Urteil über ihn immer positiver
, bis schließlich Apollonios als byzantinischer Heiliger endete
. Die neuere Forschungsgeschichte beginnt mit F. C. Baur,
erhält aber ihre eigentliche Formung durch R. Reitzenstein und
später H. Windisch, die den Begriff des ftetog ävrQ (oder
fretoc; uvdotiOTOc;) zur Kategorie machten, innerhalb derer Jesus
und Apollonios verglichen werden konnten. Religionsgeschichtliche
Forschung und formgeschichtliche Schule haben
den Vergleich ausgebaut, wobei entweder die Historizität des
v«n Philostrat gezeichneten Bildes unreflektiert vorausgesetzt
wurde oder aber innerhalb einer phänomenologischen Betrachtungsweise
zeitliche Differenzen ihre Bedeutung verloren.
Auch die Vorstellung von der Einheit der Antike konnte hier
mitwirken. Diese Ausführungen sind schon weitgehend von der
Kritik bestimmt, die einzelne Forscher zu bestimmten Themen

vorgebracht haben und die K. verallgemeinernd aufnimmt. So
ist der ftelog ävfjQ eine moderne Konstruktion, für die ebenso
wie für den besonderen Typ des Wundertäters der Apollonios
des Philostrat das einzige greifbare Beispiel abgibt. Immer ist
dessen Vita die Hauptquelle, wenn nicht - wie bei R. Bultmann
- die Topik spätantiker Wundergeschichten vor allem aus
christlichem Material erstellt wird. Vorchristliche Wundergeschichten
sind ganz selten. Überdies ist auch die Gattung
„Wundererzählung" modern.

Damit sind wir bei dem zweiten Teil des Werkes. K. hat u.a.
1991 eine Arbeit „Der philostrateische Apollonios" veröffentlicht
, in der er die Frage untersucht, was in der Vita des Apollonios
Zeugnis für das 1. Jh. ist und was erst dem 3. Jh. zukommt.
Diese Erkenntnisse bringt er nun in die neutestamentliche Wissenschaft
ein. Der Quellenwert der Vita für den historischen
Apollonios ist äußerst gering. Philostrats Quellen sind fragwürdig
, ja z.T. fingiert. Viele Angaben lassen sich in den Bereich der
Fabel verweisen, wozu die meisten Einzelheiten der Indienreise
des Apollonios gehören. Die politische Rolle, die Apollonios
gespielt haben soll, entspricht dem Ideal des Philostrat, trifft aber
nicht auf den historischen Apollonios zu. Die Angaben des Philostrat
sind im einzelnen widersprüchlich, etc. Andererseits kann
K. die Intentionen Philostrats herausstellen: Dieser argumentiert
politisch zeitbezogen und griechisch national. Die magischen
Fähigkeiten (wobei im 3. Jh. - gegen eine Einheitsvorstellung
von der Antike - die Wundergläubigkeit eine neue Dimension
erreicht) dienen nur der Erhöhung der Person des Apollonios. So
können weder die Traditionsgeschichte von Apollonios zu Philostrat
mit der von Jesus zu den Evangelien, noch die Wundertätigkeit
beider weiterhin naiv verglichen werden. K. wendet hier
quellenkritische Methoden, wie sie in der neutestamentlichen
Wissenschaft üblich sind, auch auf die Vita des Apollonios an.
Die nur skizzierten Ergebnisse besagen, daß Philostrat in den
Wundergeschichten keine erkennbare Abhängigkeit vom NT
aufweist, daß aber Ähnlichkeiten auf christliches Traditionsgut
zurückgehen könnten. Ein Vergleich von NT und Vita Apollonii
ist schwierig, eher läßt sich letztere zur apokryphen Literatur
(Apostelgeschichten) in Beziehung setzen. Ein Verzeichnis möglicher
hellenistischer Wundertäter zeigt, daß es diese Erscheinung
kaum vor der 2. Hälfte des 2. Jh.s gibt, was der Intensivierung
des Wunderglaubens in dieser Zeit entspricht. Zumeist handelt
es sich um östliche Barbaren. Leichter lassen sich jüdische
Wundertäter aus der Zeit Jesu benennen. Die vielfach behauptete
Konkurrenz zwischen Christen und Heiden im I. Jh. hat es nicht
gegeben. Die künftige Forschung wird nicht an diesen Ergebnissen
vorbeikommen.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Metzger, Bruce M.: A Textual Commentary on the Greek
New Testament. 2nd Ed. A Companion Volume to the United
Bible Societies' Greek New Testament (Fourth Revised
Edition). Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 1994. XVI.
16*S., 696 S. 80. geb. DM 38,-. ISBN 3-438-06010-8.

For nearly 25 years many readers have benefited from the suc-
cinet and clear comments written by Professor Metzger to
explain the reasons behind the text-critical decisions reached
by the committee responsible for the United Bible Societies'
Greek New Testament. The first edition of this Commentary
was intended to aecompany the third edition of the text volume.
As I indicated in ThLZ 119 (1994) cols.493-496, the recently
published 4th. edition of the text has resulted in a slightly chan-
ged selection of Variation units in its critical apparatus. Part of
the reason for the change was to eliminate variants of little inte
rest to the translators, for whom this edition is designed. and to