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Ausgabe:

1995

Spalte:

780-782

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dhanaraj, Dharmakkan

Titel/Untertitel:

Theological significance of the motif of enemies in selected psalms of individual lament 1995

Rezensent:

Gerstenberger, Erhard S.

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779

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 9

780

Durchbruch der Friedensidee kam"' (80). So gelinge Salomo
auch die „Durchsetzung einer .aufgeklärten' Rechtsprechung"
(83). Er habe „das mosaisch-levitische Gottesrecht", die Zehn
Gebote, bewußt ignoriert (!). vielmehr „Jerusalemer Königsrecht
", d.h. ,„aufgeklärtes' Recht" gesetzt und es .„säkularisiert
', das heißt aus allen religiösen Zusammenhängen herausgenommen
" (92).

Im 3. Kap. geht es um Salomos Königtum und seine Organisation
. Salomos „internationaler Harem" war ein Ausdruck seiner
Bemühungen, mit den Nachbarn in Frieden zu leben. Die
Friedenspolitik im Innern erkennt der Vf. aus lKön 4,7ff., das
er als Dokument des Ausgleichs zwischen israelitischen Stämmen
und kanaanäischen Stadtbewohnern apostrophiert, nach
Meinung des Rez. mit zweifelhaftem Recht.

Er arbeitet eine „Heeresreform" Salomos heraus: Der Aufbau einer
Sireitwagenarmee will aber nicht zu seiner Vorstellung vom Friedenskönigtum
Salomos passen, die Erklärung: Die Streitwagen waren nur als Gegenstand
des Fern-/Zwischenhandels gedacht, allenfalls partiell zur Repräsentation
; Salomos Wagen- und Pferde-/Gespannstädte seien Orte der jeweiligen
Lagerung bzw. Produktion dieser Handelsgegenstände. (Das dieser
Überlegung u.a. zugrundeliegende sprachliche Argument ist freilich unhaltbar
.). So ergebe sich ein weiterer Aspekt des Friedenskönigtums Salomos:
konsequente Abrüstung! Festungsstädte Salomos (IKön 9.15-19) seien
archäologisch eindeutig als z.Zt. Salomos erbaut Beweis für den Baumeister
Salomo (dagegen s.o.)!

Im 4. Kap. geht es um die Weisheit, durch die Salomos
anfangs „grausamer Charakter sich wandelte", er „alle archaischen
Charakterzüge" überwand, ein „Friedenswerk" schuf
durch „Heiratspolitik", durch eine „Verwaltungsreform", ein
Militärkonzept, das auf „Abrüstung" setzte, sowie eine „Entwicklungspolitik
, die ökonomisch und technologisch Anschluß suchte
an den Standard der höherentwickelten Nachbarvölker" (160).
Seine Weisheit habe sich „den natürlichen Dingen auf natürlich
rationale Weise und ohne religiöse Fesseln (!) genähert"; „wer
möchte daran zweifeln, daß die salomonische .Naturweisheit'
Grundlage gewesen ist für den biblischen Schöpfungsbericht?"
(165). Der Rez. möchte stark daran zweifeln! Neben Naturweisheit
steht Lebensweisheit: Der Vf. hat keine Zweifel, daß „ein
Großteil des Sprüche-Buchs" auf Salomo (bzw. seinen Hof) zurückgeht
. „Nur in einer Gesellschaft, in der soziale Lebenschancen
und rechtliche Verfassung wenigstens annähernd verwirklicht
wurden, konnte eine optimistische Lebensweisheit blühen.
In der nachsalomonischen Zeit änderte sich das..." (184).

Wer, wie der Vf., meint zu wissen, daß dies z.Zt. Salomos so war,
behauptet nach allem, was wir heute wissenschaftlich verantwortet sagen
können, mehr, als man wissen kann! Aber „wie war es möglich, daß Salomos
Weisheit auf so unkomplizierte Weise mit seinem Reichtum vereinigt
werden konnte?". Seine Herrschaft. Bauten. Maßnahmen, seine „kulturstiftende
Weisheit" sind „Ausdruck einer verschwenderischen Lebenshaltung,
die ausgibt und preisgibt, die nicht auf Lebenssicherung setzt... sondern sich
im schöpferischen Lebenswerk... verausgabt"! (197).

Das 5. Kap. faßt den Tempel Salomos ins Auge. Ein in Jerusalem
gefundenes protoäolisches Kapitell wird als evtl. einziges
auf uns gekommenes Relikt aus salomonischer Zeit gedeutet
(211 f), was kaum zu beweisen ist. Der Vf. berichtet Richtiges
zum Jerusalemer Tempel. Andererseits ist der Rez. überrascht
über die Kenntnis des Vf.s, daß David „über das Tempelbauverbot
mehr als irritiert gewesen sein" müsse (226). 1 Kön 8 zeige
Salomo als „Hoherpriester", ihm komme das Verdienst zu, die
„Tempelfrömmigkeit als eine nichtrituelle, innerliche verstanden
zu haben" (256).

Das vorletzte Kap. behandelt die späte, dunkle Seite (der
Religion) Salomos (IKön 11,4-11), den „Abfall von Jahwe"
durch Zulassung fremder Göttinnen und Götter, was kritisiert
und zugleich entschuldigt wird als Alterstorheit. Dem Vf.
drängt sich die Frage auf, „ob die biblischen Verfasser Salomos
Religion verstanden haben. Zweifel sind angebracht" (261).
Salomo war „daran gelegen, die... ,männlichen' Züge des altisraelitischen
Jahwe durch die ,weiblichen' Züge von Frauengöttinnen
zu mildern." „Diese Leistung... kann gar nicht hoch

genug eingeschätzt werden..." (280f)- So unterstreicht der Vf.
die „tiefe Humanität der salomonischen Religion" (286). Salomo
habe auch die Ineinssetzung von JHWH und Baal begonnen
; später sei dies wegen sich verschärfender religionspolitischer
Auseinandersetzung nicht mehr denkbar gewesen (300).
Der Vf. glaubt: „Salomo ging es... um eine Vermittlung von Geschichtsreligion
und Naturreligion" (306).

Der Rez. steht am Ende recht ratlos vor den Thesen des Vf.s.
Ihm ist nicht klar, wem das Buch dienen kann. Man muß zugestehen
, daß der Vf. viel Fachliteratur gesichtet hat (fast 400
Titel). Eine Auseinandersetzung findet aber mit anderen Meinungen
nur begrenzt statt. Umgekehrt läßt der Stil der Argumentation
des Vf.s kaum eine Diskussion zu, wie sie der Rez.
als wissenschaftlich versteht. Die Herangehensweise des Vf.s
an Texte als historische bzw. theologische Quellen und ihre
Wertung ist kaum vermittelbar mit der des Rez. Es soll nicht
gesagt werden, der Vf. verfahre ganz unkritisch. Es gibt Beispiele
kritischer Auswertung bibl. Texte, denen der Rez. gern
zustimmt. Aber Argumentations-Figuren wie „Nichts spricht
dagegen", „Dann hindert uns nichts daran..." (182) oder „Die
biblische Überlieferung gibt uns keinen Hinweis. Doch es ist
nicht allzu schwer, die Antwort zu geben. Es paßt einfach nicht
zur .salomonischen Toleranz'...." (273) können nicht befriedigen
. Das Buch beruht auf der seinerzeit beeindruckenden Synthese
von A. Alt und M. Noth, die heute nicht mehr haltbar ist.
Die gegebenen Zitate zeigen auch, daß der Vf. zu einer modernem
Denken entsprechenden Fragestellung, Beantwortung und
Bewertung antiker Sachverhalte neigt, was aber methodisch
nicht angemessen ist.

Als wissenschaftlich weiterführenden Beitrag zur Erforschung
Israels/Judas im 10. Jh. v.Chr. kann man das Werk trotz
allem Fleiß nicht betrachten'. In gewisser Weise hat der Vf.
mögliche Tendenzen der Traditionsbildung um Salomo erkannt.
Damit wäre sein Werk in die Nähe zu Stefan Heyms großartigem
„König David Bericht" zu stellen. Ob dies im Sinne des
Vf.s ist? Wer sich forschend mit bibl. Texten befaßt, wird für
eines dem Vf. dankbar sein: Sein Buch verweist auf die Notwendigkeit
wissenschaftlich verantwortbarer populärer Darstellungen
.

Rostock Hermann Michael Niemann

' Zum Stand der Forschung vgl. dagegen H. Donner: Geschichte des
Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen (ATD Erg. 4/1). Göttin-
gen 1984,195-229; J. M. Miller & J. H. Hayes: A History of Ancient Israel
and Judah. Philadelphia 1986,189-217; G. Garbini: History and Ideology in
Ancient Israel. New York 1988, 22ff.; J. A. Soggin: Einführung in die
Geschichte Israels und Judas. Von den Ursprüngen bis zum Aufstand Bar
Kochbas. Darmstadt 1991, 42-75; G. W. Ahlström: The History of Ancient
Palestine from the Palaeolithic Period to Alexander's Conquest. (JSOT.S
146). Sheffield 1993, 455-542; H. M. Niemann: Herrschaft, Königtum und
Staat. (FAT 6). Tübingen 1993; P. Särkiö: Die Weisheit und Macht Salomos
in der israelitischen Historiographie. (SFEG 60). Helsinki/Göttingen
1994.

Dhanaraj, Dharmakkan: Theological Significance of the Motif
of Enemies in selected Psalms of individual Lament. Glückstadt
: Augustin 1992. XII, 311 S. gr.8° = Orientalia Biblica et
Christiana, 4. ISBN 3-87030-153-8.

Die „Standorte" von Exegetinnen oder Exegeten sind so unterschiedlich
, wie es verschiedene Kulturen. Traditionen, soziale
Bedingtheiten. Denkschulen gibt. Das ist gut so; es ermöglicht
die wissenschaftliche und kirchliche Diskussion. Besser ist
noch, wenn ein Autor oder eine Autorin versucht, den eigenen
„Ansatz" einsichtig zu machen. Genau das tut (teilweise) der
jetzt in Südindien lehrende Kollege Dharmakkan Dhanaraj in