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Ausgabe:

1995

Spalte:

723-725

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Rexheuser, Adelheid

Titel/Untertitel:

Geistliche Freunde und geistliche Kinder 1995

Rezensent:

Döpmann, Hans-Dieter

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 7/8

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chen. Der Fragenkreis dieses Abschnitts endet mit Ausführungen
über das Verhältnis von Mann und Frau.

///. Jesus Christus und unsere Erlösung. Dieser Abschnitt
entfaltet zentrale Momente des christologischen Glaubensgehalts
im Eingehen auf die einzelnen Feste des Kirchenjahrs,
Bedeutung und Verehrung der Gottesmutter sowie des Kreuzes,
beantwortet Fragen über die unterschiedlichen Weisen der Verehrung
, über das Fasten, die Meditation. Auch in diesem
Abschnitt wird der geschichtliche Wandel kirchlicher Traditionen
angesprochen.

IV. Der heilige Geist, die Kirche und die Heiligung der
Schöpfung. Ausgehend vom Pfingstfest, geht es bei den ersten
Fragen um den Hl. Geist als die ungeschaffene Gnade, die
Unterscheidung von Wesen und Energien Gottes, apophatisches
und kataphatisches Reden von Gott, das Wirken des Hl. Geistes
und die drei Ämter Christi. Danach werden Wesen, Aufgabe
und Hauptmerkmale der Kirche erläutert, Schrift und Tradition,
Heilige und Ikonen, die Göttliche Liturgie, die Sakramente, die
monastische Spiritualität und die Spiritualität der Christen in
der Welt, Vater-Unser und Dekalog, sowie das Verhältnis von
Juden und Christen. Hervorgehoben wird das allgemeine Prie-
stertum aller Gläubigen. Dem folgt Frage III: Worin bestehen
die besonderen Dienste der Bischöfe, Priester und Diakone, und
wie sind sie entstanden? Die historisch-sachliche Darstellung
erwähnt nicht nur, daß man den Laien lange Zeit die in der älteren
Kirche übliche Teilnahme an den Bischofswahlen verwehrt
hatte. „Heute besteht bei vielen orthodoxen Gemeindegliedern
und Priestern der Wunsch, wieder zur frühkirchlichen Sitte der
verheirateten Bischöfe zurückzukehren" (143).

V. Die christliche Hoffnung. Entfaltet werden Gedanken vom
3. Artikel des Credo. VI. Die Tugenden und Lasier. Im Darlegen
der 9 Tugenden und 8 Laster verbinden sich die Überlieferungen
der Kirchenväter mit reichhaltigen biblischen Bezügen.
VII. Die Seligpreisungen.

Neben einem Verzeichnis der einzelnen Fragen sowie einem
Register vermittelt das Inhaltsverzeichnis eine größere Übersichtlichkeit
. Zusätzliche Erläuterungen finden sich in einem
Anmerkungsteil. Bei der Übersicht über die Verbreitung der
orthodoxen Kirchen verwundert man sich über die angegebene
Reihenfolge, bei der außerdem das Verhältnis von Autokepha-
lie und Autonomie unberücksichtigt bleibt. So vermißt man
auch im instruktiven Glossar das Stichwort: Autonom.

Das Buch ist für einen breiten Leserkreis geschrieben. Trotzdem
bietet es einen fundierten Überblick. Bei der Behandlung
konfessioneller Unterschiede wäre es allerdings wünschenswert
und sicher auch für orthodoxe Gläubige von Nutzen, wenn wenigstens
andeutungsweise auf den Bezug der Ökumene (Wir lesen 41
von den „orthodoxen Gläubigen der ganzen Ökumene") oder den
Abbau von auf Unkenntnis beruhenden Mißverständnissen durch
die zwischenkirchlichen Dialoge hingewiesen würde.

Berlin Hans-Dieter Döpmann

Rexhäuser, Adelheid: Geistliche Freunde und geistliche Kinder
. Studien zum Problem Bildung und Frömmigkeit in Rußland
Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts anhand geistlicher
Briefe. Erlangen: Lehrstuhl für Geschichte und Theologie
des christlichen Ostens 1992. X, 300 S. gr.8° = Oikono-
mia, 28. Kart. DM 58.-. ISBN 3-923119-27-5.

Die Arbeit ist aus einem Forschungsprojekt „Staatstragende
Schichten, Intelligentsia und Orthodoxe Kirche im Rußland
Alexanders I." in fachübergreifender Zusammenarbeit an der
Universität Erlangen hervorgegangen. Sie untersucht Briefe
von Menschen sehr verschiedener geistig-geistlicher Richtung,
mit denen sich infolge der Spezialisierung der Wissenschaften

üblicherweise ganz unterschiedliche Disziplinen befassen. Die
Vfn. gebraucht, wie sie im Vorwort schreibt, „das Werkzeug
des Literaturwissenschaftlers und Historikers. In theologischen
Fragen war mir nur Dilettieren möglich" Obwohl ersteres im
Vordergrund steht, zeigt sich die Frucht ihrer mehrjährigen
Assistententätigkeit am Institut für Geschichte und Theologie
des christlichen Ostens in Erlangen.

Zu allen Zeiten der Kirchengeschichte ergab sich ein gewisses
Spannungsverhältnis zwischen Bildung und christlicher Frömmigkeit
. In Rußland findet sich im 18. und zu Beginn des 19. .Iii s
eine besondere Zuspitzung infolge einer Überlagerung durch die
Ost-West-Problematik. Im in der Einleitung gebotenen Überblick
heißt es: „Das 18. Jh. entdeckte in der Welt täglich Neues,
die Kirche wiederholt in ihren Gebeten und Gottesdiensten überzeitliche
Wahrheiten", die von vielen als veraltet angesehen wurden
. „Für die Gebildeten war der alte russische Typus kontemplativer
Frömmigkeit, in der fromme Betrachtung (nicht abstraktes
Denken) und Gebet im wesentlichen eine Einheit bildeten,
nicht mehr ohne weiteres praktikabel. Die Einheit zerbrach."
Wohl gab es Kompromisse zwischen moderner Bildung und traditioneller
Frömmigkeit. Aber deren Zentrum - Gottesdienst und
traditionelle Gebete - wurde den Gebildeten zunehmend fremd.

Die Geistlichkeit war kaum imstande, zwischen westlicher
Bildung und orthodoxer Tradition zu vermitteln. Die Vfn. differenziert
beim russ. Klerus zutreffend zwischen einer Minderheit
gebildeter Geistlicher, der Mehrheit, die einfach das liturgische
Erbe tradierte, sowie einer anderen Minderheit besonders im
Mönchsklerus, Neohesychasten, die im Rückgriff auf die griechische
Traditionen eine Erneuerung versuchte. Doch erkannte
die Geistlichkeit zu spät, daß gebildete Laien nach geistlichen
Büchern in der Sprache ihrer Zeit suchten, unter den seit den
l77()/8()er Jahren publizierten Werken das F>bauungsbuch
westlicher Herkunft den gleichen Rang hatte wie die griechischen
Kirchenväter. Trotz repressiver Maßnahmen Katharinas
II. seit 1786 bzw. dem Widerstand orthodoxer Eiferer wandte
sich ein Teil der Gebildeten einem westlich beeinflußten überkonfessionellen
„inneren" Christentum zu, das pietistische,
theosophische oder auch ekstatische Züge hatte.

Für ihre eigenen Untersuchungen stützt sich die Vfn. auf Briefe
seit dem Ende des 18. und besonders vom 19. Jh. Sie wählt
extreme Positionen: einen durch die Bedürfnisse zeitgenössischer
Bildung, stark westlich geprägten Typus von Frömmigkeit,
der sich von der eigenen Kirche weitgehend verselbständig!, und
einen ganz von der Moderne abgekehrten Typus russisch-orthodoxer
Frömmigkeit, der keine Beziehung zur modernen Bildung
hat. Außerdem werden mit dem Titel ihres Buches: „Geistliche
Freunde und geistliche Kinder" verschiedene Grundstrukturen
des geistlichen Lebens angedeutet: der Gedankenaustausch
einerseits mit prinzipiell gleichrangigen Freunden, andererseits
in prinzipieller Unterordnung unter den geistlichen Vater.

Teil I untersucht A. P. Chvostovas (1767-1852) fiktive .. Briefe
einer Christin, die Heimweh nach ihrem himmlischen Vater-
lande hat, an ihre zwei Freunde, Mann und Frau." Sie entstanden
im Milieu gebildeter Laien, die sich „daran gewöhnt hatten,
die geistig-geistlichen Fragen, die sich ihnen durch Bildung und
Lebensumstände stellten... im wesentlichen allein, ohne Anleitung
Geistlicher zu beantworten" (38). Es ist der Versuch,
fromme Empfindungen mit Freunden zu teilen. Neben die
kirchliche Beichte tritt die „Beichte" gegenüber dem Freund,
die geistliche Freundschaft wird als Gemeinschaft in und mit
Christus empfunden. Ohne ausdrücklichen Dissens mit der
orthodoxen Kirche sind die eigenen geistlichen Bemühungen A.
P. Chvostovas, wie es das häufige Erwähnen westlicher Erbauungsschriften
verdeutlicht, in hohem Maße von nicht-orthodoxen
Verhaltensnormen bestimmt. Ob allerdings schon in ihrem
individualistischen Ansatz und der sentimentalen Selbstbespie-
gelung die „Briefe" „in fundamentalem Gegensatz zur Tradition