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Ausgabe:

1995

Spalte:

713-714

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Timm, Hermann

Titel/Untertitel:

Wahr-Zeichen 1995

Rezensent:

Lüthi, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 7/8

714

gedessen kann leider nicht, wie die Herausgeber meinen, von
einer ,,Abrundung"(7) der Anthropologie E. Steins gesprochen
werden. Vieles deutet sich nur an.

Edith Stein bleibt in diesem Werk sehr nahe an der Dogma-
tik. Die zentralen Ausführungen zur Freiheit stellen allerdings
eine Kategorie vor, von der her sich in einer dogmatischen
Anthropologie neue Perspektiven eröffnen ließen.

Claudia Wulf Paderborn

Timm, Hermann: Wahr-Zeichen. Angebote zur Erneuerung
religiöser Symbolkultur. Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer
1993. 159 S. 8o. Kart. DM 29,80. ISBN 3-17-012704-7.

Es ist bekannt, daß die Symbolproblematik im Bereich der protestantisch
-systematischen Theologie fast durchgehend vernachlässigt
wurde; die große Ausnahme bedeutete Tillich. So
ist es sinnvoll, „Angebote zur Erneuerung religiöser Symbol-
kultur" zu formulieren. Und heute, wo überall festzustellen ist,
daß ..... Religion mit unverhoffter Vitalität ins Leben zurückkehrt
" (7), ist diese Aufgabe erst recht aktuell.

Timms Annäherung an das Symbolthema bezieht sich auf
den „Stern von Stuttgart", wobei Stuttgart fürT. durch die Dreieinheit
„Bibel-Hegel-Mercedes" charakterisiert wird. T. präsentiert
als [ntroitus seines Buches die Rotunde der „Neuen Staatsgalerie
" in Stuttgart, die er als „Tempel der Postmoderne, wohin
die Weisen von Morgen- und Abendland pilgern" bezeichnet
(12); es handelt sich um ein Bauwerk des international bekannten
Architekten James Stirling. Die überproportional
dimensionierte Rotunde, zu der ein Weg mit antiken Statuen
führt, ist das Her/ des Gesamtkunstwerkes; der Weg führt aber
gewissermaßen ins Leere und in einen Raum des Schweigens,
und dort gibt er dann den Blick zum Himmel frei. Als Mitte ist
ein „dreieiniger" Gully eingebaut, der - man möchte sagen „ironisch
" - Regenwasser sammelt. Frage: was bedeutet hier Mitte?
Was bedeutet hier Gott?

Der Architekt spricht deutend vom Verlust der Zuversicht,
vom Verfall der Überzeugungskraft, von der Befreiung von Utopien
und von alten Sehnsüchten (15). Man fragt sich, ob es um
eine Ironisierung des Himmels gehl und ob einmal mehr Gott als
toi (etwa im Sinne Nietzsches) erklärt wird; solche Hinweise
könnte man der löchrigen Trinitätsallusion entnehmen. Jeden
falls hätten wir es. mit T. argumentiert, mit einer Symbolik der
Postmoderne zu tun.

Wie steht es dann mit der Theologie? Bis in die 6()er Jahre
hinein erschien die Barth-Bonhoeffer-Orthodoxie, gestärkt mit
Kirehenkampferfahrungen, die für die Zeit kompetente Theologie
zu sein. Anders heute, wo die Rückkehr der Religion sowohl
mit New Age wie mit Fundamentalismen möglich ist, wo
es um die Wiederverzauberung der Wirklichkeit geht, wo es
apokalyptische Ängste mit ökologischen Hintergründen gibt,
wo schließlich ein Ideologievakuum festzustellen ist. Welches
sind mögliche Angebote der Theologie? Nach T. geht es jetzt
um ein „Sicheinlassen in die Gestaltungspflicht des Spiritus
Creator" (24). wobei allerdings das Christentum im Rahmen
einer Warenkultur nur ein Angebot unter anderen Angeboten
vertreten kann. - ein Angebot, das sich selbst ausweisen muß
und das ausgewählt werden muß; in diesem Sinn gibt es dann
nur die „Zufälligkeit des eigenen Standpunktes" (30).

In all dem entsteht dann „eine tausendstimmige Religionsökumene nach
der Aufklärung" (45 nach Hermann Lübbe). Gibt es in diesem Rahmen protestantische
Angebote? Beispiele wären die Bibel unter den Bedingungen
der Medienkultur (68ff.), wo u.a. die Grenzen zwischen Kunst und NichtKunst
. Kunst und Werbung aulgehoben sind (79); hier ginge es um Erinnerungskultur
und Neuschöpfung; hier bekäme aber auch eine „erdenwcltliehe
Romantik" (102) eine Chance. Schließlich wären für die neuen Wege Symbole
zu finden, schöpferisch eine Symbolkullur zu entwickeln: Der Mensch
kann als Symbol und Christus als Ursymbol verstanden werden, es wäre

aber auch der Kosmos Symbol; weiter könnte eine Festkultur eine Sprache
oder Sprachen der Symbole entwickeln. Allerdings ginge es schließlich
doch um eine Anwaltschaft für ein „Prinzip Besinnung" (155ff.), hinter dem
die „Verkörperung des Logos in die Fülle seiner somatischen, sozialen, lite-
ralen und ästhetischen Symbolisierungstechniken" steht, und damit könnte
„die Gestaltungskraft des Credos deutlicher zutage treten, als es bis heute
der Fall ist" (159). Denn: „Der Sinn der Religion liegt in den Grenzen ihrer
symbolischen Vernunft" (ebd.).

T.s Offenheit für die „Zeichen der Zeit" und seine Sensibilität
, für unsere Epoche eine „Sprache der Symbole" zu finden,
ist beeindruckend. Von der Fülle seiner Argumente, Analysen,
aber auch Ironisierungen her, möchte man gern einen Schritt
zurücktreten, um dann mit ihm ein Theologengespräch zu
führen.

Meine Überlegungen dazu: Könnte die Leere der Rotunde in
Stuttgart auf das Bilderverbot bezogen werden, das vielleicht
heute als Ideologiekritik aktualisiert werden kann? Könnte der
Stellenwert des „Spiritus creator" im Sinne T.s auf die Schöpfungslehre
bezogen werden, um eine theologische Antwort auf
die ökologische Krise zu finden? Und schließlich: wenn die
Postmoderne auch das Ende der großen, rettenden Erzählungen
bedeutet (so K. Füssel, in K. Füssel, D. Solle, F. Steffensky:
„Die Sowohl-als-auch Falle. Eine theologische Kritik des Postmodernismus
, Luzern 1983, 61 ff.), wäre heute eine „Kultur der
kleinen Erzählungen" der „persönlichen Mythologien" (Stichwort
der Documenta 1972) zu suchen, die auch die Zwänge der
Fundamentalismen und die Beliebigkeit von New Age relativieren
könnte.

Wien Kurt Lüthi

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