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Ausgabe:

1995

Spalte:

708-711

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Macquarrie, John

Titel/Untertitel:

Jesus Christ in modern thought 1995

Rezensent:

Link-Wieczorek, Ulrike

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 7/8

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mentlicher Christologie. Systematische Rellexionen über das neutestament-
licheZeugnis von Jesus Christus schließen sich an. Die einschlägige These -
eine von insgesamt 62. die in hilfreicher Weise den Gedankengang bündeln
und strukturieren - sei zum Zwecke der Zusammenfassung zitiert: „In Jesus
Christus ereignet sich - nach dem Zeugnis des Neuen Testaments - die
eschatologische Offenbarung Gottes: Indem Jesus Christus während seines
irdischen Lebens jeweilig, im Kreuzesgeschehen ganz und gar vom Vater
her und auf ihn Inn existiert, erweist er sich als Sohn des Vaters. Dieser
Weg. bestätigt durch die Erhöhung, ist die Bewahrheitung. daß Gott selbst
über alle geschichtlichen Vermittlungen hinaus sich seinem Sohn übereignet
hat. Zugleich eröffnet sich in Leben. Tod und Verherrlichung des Sohnes
menschliche Kommunikation in eschatologische! Vollendung." (122;
bei H. gesperrt i

In einem vierten Abschnitt (128-142) wird sodann das Zeugnis von Jesus
Christus im kirchlichen Credo erörtert, näherhin das christologische Bekenntnis
von Nizäa (325), das auf die Entscheidung von Ephesus (431) folgende
von Chalcedon (451) sowie die christologische Formel des 3. Konzils
st>ii Konstantinopel (dSO/SI ). Besonders akzentuiert wird dabei der Gedanke
der Periehorese als „wechselseitiger Durehwaltung" (187; bei H. gesperrt
) von Göttlichem und Menschlichem, welcher es ermögliche, „die
ursprüngliche Jesusoffenbarung und die Osterwiderfahrnisse als Offenbarungsvorgang
zu verstehen und die konziliaren christologischen Aussagen
daran zurückzubinden'* (187; bei H. gespei rt i. Aul der damit gelegten Basis
zeichnet ein fünfter Abschnitt (193-341) - der umfangreichste von allen -
die weitere christologiehistorische Entwicklung in wichtigen ihrer Stationen
nach - angefangen von der als zentrierendes Prinzip metaphysischer Ordo-
Theologie entfalteten mittelalterlichen Christologie bis hin zu den christologischen
Systemen im Raum vollendeter Metaphysik der Subjektivität, wie
sie bei Kant und Hegel begegnen. In diesem Zusammenhang werden neben
dem paradigmatischen Wandel im 17. und 18. Jh. namentlich die christologischen
Entwürfe von Martin Luther. Francisco Suarez. und Nicolas Malebranche
Gegenstand näherer Untersuchung. Die entscheidenden Weichenstellungen
in Richtung auf die intendierte geschichtliche Christologie
nimmt H. vor allem in Auseinandersetzung mit der Christologie Hegels vor,
deren Gewicht und Grenzen These 52 folgendermaßen umschreibt: „In
Hegels philosophischem System, dessen Schlüssel ein christologisch fundierter
Geistbegriff ist, vollendet sieh die transzendentale Metaphysik. Der
Geistbegriff sprengt das Uberlieferte abendländische Wissenschaftsverständnis
, ohne daß Hegel dies realisiert." (333: bei H. gesperrt) Auf diese
These hätte sich eine hier nicht zu leistende systematische Erörterung von
H.s Entwurf insbesondere zu konzentrieren. In diesem Prohlemz.usammen-
hang wäre dann auch H.s Interpretation von Luthers ehristologischer Konzeption
einer genaueren Prüfung zu unterziehen und etwa nach dem sachlichen
Recht der - in einem Brief an den Erweckungstheologen F. A. G. Tho-
luck unter Bezug namentlich auf den abendmahlstheologisch-christologi-
schen Kontext geäußerten - Behauptung Hegels zu fragen, „ein Lutheraner
und durch Philosophie ebenso ganz im Luthertum befestigt" (F. Nicotin
[Hg.], Briefe von und an Hegel. Bd. [V/2, Hamburg1 1981,61) zu sein.

Folgt man H.. dann macht, wie erwähnt, das spätestens seit
Nietzsche manifeste Ende der Metaphysik und das mit diesem
Ende gegebene Gewesensein der ontotheologisch verfaßten
Christologie, für deren - mit H. /u reden - von Hegel selbst
nicht verwundene Verwindung nachgerade das System des vollendeten
Idealismus zeugt, den Weg zu einer geschichtlichen
Christologie ebenso alternativlos wie unumkehrbar. Auf diesem
Weg sieht H. daher alle nennenswerten christologischen Entwürfe
seit Ende des 19. Jhs. konsequent einherschreiten. Die
lehramtliche Christologie der römisch-katholischen Kirche mache
davon keine Ausnahme; sie bestätige im Gegenteil diesen
allgemeinen Entwicklungstrend. Um These 55 zu zitieren: „Die
christologischen Aussagen des 2. Vatikanischen Konzils
erzählen - dem heutigen Typus der Christologie entsprechend -
vom Christusereignis nach den drei Dimensionen der Zeit. Eine
Reflexion auf die begrifflichen Implikationen findet nicht statt."
(352; bei H. gesperrt) Eben jene Reflexion auf die begrifflichen
Implikationen einer narrativen Christologie zu leisten, ist, wenn
ich recht sehe, die wesentliche Aufgabe, die H.s Entwurf sich
selbst gestellt hat. Wie es mit der Lösung dieser Aufgabe
bestellt ist, wird sich nicht nur daran zu erweisen haben, ob die
Annahme geleisteter Vermittlung der sog. geschichtlichen mit
der traditionellen Christologie zu Recht besteht. Zu fragen wird
fernerhin sein, ob die Kategorien des Ereignisses, der Begegnung
und der Freundschaft, welche H.s geschichtliche Christologie
fundieren, hinreichend differenziert bzw. bereits hinreichend
differenziert entwickelt sind, um erhobene Überlegenheitsansprüche
wirklich durchhalten zu können. Darüber wird
der Fortgang des christologischen Diskurses, der ohne interkonfessionelle
Bezüge glücklicherweise gar nicht mehr denkbar ist.
zu entscheiden haben. Dieser Diskurs hätte schließlich auch
darüber zu befinden, wie sich das christologische Konzept von
H., das in der Tradition Bernhard Weltes aus einschlägigen
Vorlesungen an den Katholisch-Theologischen Fakultäten von
Münster und Tübingen erwachsen ist (vgl. Vorwort), verhält zu
neueren evangelischen Christologieentwürfen etwa Pannenbergs
, Mollmanns oder Jüngels, denen H. zwar ein verwandtes
„formale(s) Vorgehen" (352) attestiert, ohne doch inhaltlich
detailliert und im einzelnen auf sie einzugehen.

München Gunther Wenz,

Macquarrie. John: Jesus Christ in Modern Thought. 2nd Ed.

London: SCM: Philadelphia: Trinity Press International
1992. X, 454 S. gr.S«. ISBN 0-334-02446-3.

John Macquarrie gehört zu den ökumenisch am weitesten verbreiteten
Theologen der Gegenwart. Seine Bücher (z.B. Princip-
les of Christian Theology, 1966; God-Talk. 1967; In Search of
Humanity. 1982; In Search of Deity, 1984) stehen in den Regalen
von Dozenten in Afrika, Australien. Indien. Korea, USA
und Großbritannien, weniger allerdings in Deutschland. Die
Früchte seiner jüngsten Arbeit, die nach zahlreichen Aufsätzen
zu diesem Bereich der Christologie gewidmet ist. können deutsche
Leser und Leserinnen allerdings schnell kennenlernen: Sie
sind in den Artikel TRE „Jesus Christus". ..VI. Neuzeit" und
„VII. Dogmatisch" (Bd. 17, 16-64) gebündelt (vgl. dazu auch
die originelle Sammelrezension von Gunther Wenz, Christologische
Paralipomena, in TR 59. 1994, 46-88, die sich M s TRI
Kapitel als Raster bedient). Aus dem Material der Arbeit für
diese Artikel ist das hier zu besprechende Buch entstanden.

M. ist 1919 in Schottland geboren und zunächst in der pres-
byterianischen Church of Scotland ordiniert worden. 1962 ging
er als Professor für Systematische Theologie an das Union
Seminary in New York, konvertierte hier zur anglikanischen
Kirche und wurde Priester der American Episcopal Church,
1970 kam er nach Oxford, wo er bis 1986 als Lady Margaret
Professor of Divinity lehrte. Ursprünglich von Heidegger und
Bultmann beeinflußt, entwickelt er gegen Linie der 60er Jahre
ein stärkeres ontologisches Interesse, ohne jedoch dasjenige am
existentiellen Bezug theologischer Sätze aufzugeben. Dies zeigt
sich auch deutlich in der jüngsten Arbeit zur Christologie.

M.s Theologie ist gelragen von der Voraussetzung der generellen
Zusammengehörigkeit von Gott und Schöpfung. Daraus
resultiert ein „dialogischer Theismus", der gekennzeichnet ist
durch das komplementäre Verhältnis von Anthropologie und
Gotteslehre; Der Mensch ist ollen für die Transzendenz, während
Gottes Logos im Prozeß der Inkarnation ständig auf den
Menschen, ja auf die gesamte Schöpfung sogar, zukommt. Die
Schlagworte der christologischen Diskussion der letzten drei
Jahrzehnte - Christologie „von unten" oder „von oben" - bezeichnen
für M. keine sich ausschließenden Alternativen.

In der Theologiegeschichle sei das allerdings nicht immer so
gedacht worden. M.s Diagnose, von der auch der Aufbau seines
Buches geprägt ist. lautet: Von der Entwicklung der klassischen
Christologie im .3. und 4. Jh. an bis nach der Reformationszeil
im 17. Jh. habe sich die Kirche einen Hang zum Doketismus
geleistet, indem sie von Jesus Christus allein im Deszendenz-
Modell, angeblich nach dem Vorbild des Johannesprologs,
sprach. Jesus Christus wurde identifiziert mit dem präexistenten
Logos, der zweiten Person der Trinität. seine Person bestimm!
durch die Zwei-Naturen-Lehre (155 und passim). Bis zur Auf-