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Ausgabe:

1995

Spalte:

703-705

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Sigurjón Arni Eyjólfsson, Rechtfertigung und Schöpfung in der Theologie Werner Elerts 1995

Rezensent:

Slenczka, Notger

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 7/8

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auch diese Arbeit im Vor- oder Nebenlauf leisten mußte. Die
Kritik der Rationalität als Bewertungsraster der Glaubenswirklichkeit
setzt zwar richtig an, ob aber diese Horizontverschmelzung
von Glauben und Verstehen, von biblischer Botschaft und
konstruktivistischem Wirklichkeitsverständnis per Saldo mehr
und neue Plausibilitäten für die Schöpfungs- und Offenbarungstheologie
hervorbringt, bleibt nach dieser gewiß fleißigen, aber
verwinkelten Arbeit fraglich.

Freiburg/Br. Stefan N. Bosshard

Systematische Theologie: Dogmatik

Eyjölfsson, Sigurjon: Rechtfertigung und Schöpfung in der
Theologie Werner Elerts. Hannover: Luth. Verlagshaus
1994. 267 S. gr.8° = Arbeiten zur Geschichte und Theologie
des Luthertums NF, 10. Kart. DM 64,-. ISBN 3-7859-0654-4.

Werner Eiert war der führende Kopf unter den Verfassern des
Ansbacher Ratschlags, der auch innerhalb des Luthertums umstrittenen
Antwort auf die Barmer Theologische Erklärung. In
diesem Ratschlag wird eine Theologie der Ordnungen skizziert,
in der die Ordnungen als Kundgabe des fordernden Willens
Gottes, aber auch als Ausdruck des die menschliche Existenz
ermöglichenden und bewahrenden Handelns Gottes gefaßt werden
. Der Ratschlag fährt dann fort: „Wer im Glauben an Jesus
Christus der Gnade des Vaters gewiß wird, erfährt auch in ihnen
,lauter väterliche, göttliche Güte und Barmherzigkeit'".

Die hier anzuzeigende Dissertation eines isländischen Theologen
, die von E. Wölfel begleitet und im Sommer 1991 in Kiel
angenommen wurde, kann als Nachvollzug der dieser Ordnungslehre
zugrundeliegenden Schöpfungstheologie gelesen
werden. Die Arbeit skizziert in einem ersten Abschnitt (A -
Ortsbestimmung der Theologie Elerts, 13-43) den biographischen
und theologiegeschichtlichen Kontext, in den sich das
Werk Elerts einzeichnet, und legt dabei besonderes Gewicht auf
die Auseinandersetzung Elerts mit Barth einerseits und mit den
Deutschen Christen andererseits.

Dieser Hintergrund hätte in den folgenden Teilen der Arbeit
durchaus - etwa in Gestalt von Rückbezügen am Ende der Teile
- ausdrücklich präsent gehalten werden können, da E.s Untersuchung
in einem großen Dreischritt die Momente der Ordungs-
theologie Elerts entfaltet: In einem ersten Teil (B - Gottes
Gesetz) beschreibt E. den Zusammenhang der Ordnungstheologie
Elerts mit der Lehre vom Gesetz; sein besonderes Anliegen
besteht darin, zu zeigen, daß Elerts Konzentration des Sinnes
der Ordnungen auf die qualifizierende Funktion (dazu 46f.),
d.h. den usus theologicus legis, ihr Fundament in einer ganz
unbetonten Selbstverständlichkeit des usus civilis habe: „Die
Welt an sich liefert keinen Heilsweg, wie Eiert immer wieder
richtig herausarbeitet; aber das bedeutet nicht, daß die Welterkenntnis
des Menschen ohne das Evangelium nur negativ vom
Zorn Gottes aus zu bewerten sei" (84, teilweise kursiv) - und
genau dieses Moment des Gesetzes als lebensschaffende und
-erhaltende Größe bringe der Begriff der Ordnung zum Ausdruck
, der im usus theologicus immer vorausgesetzt sei: „Der
usus theologicus baut auf dem ersten Brauch des Gesetzes auf,
und das Gesetz in seinem zweiten Brauch bezieht sich auf ihn
und nutzt ihn für seinen Zweck." (84)

E. ist sich dessen bewußt, daß er damit eine bei Eiert über der
Betonung des usus theologicus latent bleibende Unterscheidung
einfordert (vgl. den Kontext), die aber den oben angesprochenen
Punkt 4. des Ansbacher Ratschlages erhellt; zugleich aber

wäre hier der Ort gewesen, des Vf.s Urteil über den Ansbacher
Ratschlag zu revidieren („... der Ansbacher Ratschlag hätte klarer
herausstellen müssen, was hier mit dem Willen Gottes gemeint
war, nämlich nach Elerts Theologie der Wille Gottes im
Gesetz, d.h. als Vergeltungsgesetz und noch mehr als Instrument
von Gottes Zorn", 32); der Ratschlag dürfte an der fraglichen
Stelle doch eben gerade diesen usus civilis im Auge haben
. Zum anderen wäre von dieser Erkenntnis her der Anspruch
einer natürlichen Theologie nicht ante fidem, sondern ex
fide, die Eiert für sich reklamiert, zu befragen (vgl. 34), denn
der gegenüber den DC vollzogene exklusive Rekurs auf die
Judikatur des Gesetzes (vgl. ebd.) hat in dieser positiven Wertung
des usus civilis eine erklärungsbedürftige Lücke. Insgesamt
hätte also das Verhältnis der usus des Gesetzes in der
Arbeit E.s einander klarer zugeordnet werden müssen, als das
bei Eiert selbst geschieht - es reicht eben nicht, festzustellen,
daß angesichts der Judikatur des Gesetzes seine „Funktionen als
Seins- und Sollgefüge... in den Hintergrund" treten (87).

Auf die eindrückliche und die Vielfalt der von Eiert aufgerufenen
Motive geschickt ordnenden (dazu unten) Darstellung der
Situation des Menschen vor der Judikatur des Gesetzes folgt
unter der Überschrift ,,C - Das Evangelium" (144-201) eine
Darstellung der Christologie und der Rechtfertigungslehre
Elerts, die dann auf die in Teil D analysierte Aufnahme der
Schöpfungslehre unter dem Vorzeichen des Evangeliums zielt,
in der - ohne daß darauf ausdrücklich Bezug genommen wird -
verständlich wird, wie das eingangs gebotene Zitat aus dem
Ansbacher Ratschlag zu verstehen ist (D - Schöpfung im Anbruch
. 202-245).

Fraglich ist in dieser Darstellung zunächst, ob die Trennung
des Abschnittes über die Christologie und Rechtfertigungslehre
einerseits (Teil C) vom Passus über den Glauben, der Teil D
einleitet, glücklich und dem Anliegen Elerts angemessen ist -
zumal E. in Teil C selbstverständlich um eine Bezugnahme auf
den Glauben nicht herumkommt (vgl. - nicht nur - die Auslegung
des „transzendentalen Ich", 196-201). Eiert kommt es u.a.
in der Morphologie (I, Kapitel 2) gerade darauf an, die wechselseitige
Verwiesenheit von Glaube und Glaubensgegenstand herauszuheben
(bes. §§ 7 und 9), die in der Darstellung E.s stärker
hätte hervorgehoben werden können. Unter Teil D hätten dann
nicht die Ausführungen über den Glauben (D, 1, 203-214). sondern
die „Folgen der Rechtfertigung" (D, 2, 215ff.) ihren Ort
gehabt, die in dem entsprechenden Abschnitt der Morphologie
in den Passagen über „Glaube und Psyche" und über die „Unio
mystica" verhandelt werden (E. 2()6ff.).

Teil D verhandelt dann die Schöpfungslehre unter dem Vorzeichen
des Evangeliums bzw. der Existenz als Gerechter und
Sünder zugleich, in der eine natürliche Gotteserkenntnis wieder
möglich ist: „Die Überwindung der Sünde bedeutet die Wiedergewinnung
der natürlichen Gotteserkenntnis. Der Glaube eröffnet
uns wieder die Möglichkeit, die Welt als Schöpfung Gottes
zu erkennen. Das Schöpfungsverständnis ist nur vom Evangelium
her erschließbar." (231 f., im Original kursiv). Hier liegt
einer der Punkte, an denen man sich eine ausdrückliche Einbeziehung
der Problematik des Ansbacher Ratschlages bzw. der
ebenfalls in Teil A der Arbeit geschilderten Auseinandersetzung
Elerts mit Barth gewünscht hätte, denn diesen Zusammenhang
von Evangelium und Schöpfung - der ja nur ein Indiz für
den Elertschen Anspruch ist, eine strikt auf die Christologie
konzentrierte Dogmatik zu vertreten (E. 87f, Anm. 9; dies wäre
mehr als eine Anm. wert gewesen) - würde man einerseits
eigentlich eher bei Barth erwarten; andererseits stellt sich eben
hier die Frage, unter welchen (von Eiert nicht thematisierten)
Bedingungen die Erfahrung des Zornes Gottes keine subjektive
Täuschung des Sünders über einen eigentlich liebenden Gott ist
(diese Position findet Eiert bei Ritsehl), wenn die Erkenntnis
der Liebe Gottes in Christus die Erfahrung der Liebe Gottes