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Ausgabe:

1995

Spalte:

52-53

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Nicolaus de Cusa, De theologicis complementis 1995

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 1

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Kraft des Begehrens, des Zornes, der sinnlichen Bilder; dem
Fortgeschrittenen kommen natürliche und sittliche, aber auch
göttliche Tugenden zu, die Kraft der Vernunft, des Willens, der
Liebe. Der Vollkommene kennt die Fülle der Tugenden, die sieben
Geistesgaben und acht Seligkeiten, das erkennende, wollende
und liebende Gemüt. Der dritte Gliederungspunkt der drei
Abschnitte behandelt das Genießen - ein Ausdruck aus der
augustinischen Überlieferung von uti und frui. Der Anfangende
kommt zum Genießen der Auferstehung der wirkenden Kräfte,
folgt doch dem Sterben mit Christus ein wonnevolles Leben.
Die Erneuerung der niederen Kräfte des Menschen zeigt sich im
Gebet, in der Gelassenheit und in der Betrachtung. Bei dieser
Gelassenheit, dem Ablassen von der Egozentrik, sieht Tauler
Tausende vor den Toren bleiben, auch Geistliche. In den Stadien
zwei und drei sind Gebet, Gelassenheit, Betrachtung eine
innere oder eine innerste. Nur der dritte Abschnitt kennt noch
einen Punkt 4 mit der Überschrift: Der neue Mensch. Der Friede
, der hier erfahren wird, kann einem von niemandem genommen
werden... Nichts trennt diesen Menschen von der Liebe
Gottes.

Gerade der letzte Satz bleibt bei Tauler nicht jederzeit handhabbares
Zitat, sondern beschreibt ihm ein gereiftes Stadium
glaubenden Lebens.

Das Buch vermeidet jeden aktuellen Bezug (womit gerade
nicht der Stand der Forschung gemeint ist). Solcher Bezug wird
sich von selbst herstellen. Verwiesen wird immerhin auf Karl
Rahners bekanntes Wort vom Christen von morgen. Mystago-
gie: Das ist dem Vf. theoretisch-praktische Hinleitung zur Erfahrung
der Mystik durch solche, die erfahren sind.

Rostock Peter Heidrich

Hester, Carl E. [Hg.]: Ferdinand Christian Baur. Die frühen
Briefe (1814-1835). Sigmaringen: Thorbecke 1993. 246 S.
m. 2 Abb. gr.8» = Contubernium, 38. Lw. DM 78,-. ISBN 3-
7995-3232-3.

Die Bedeutung der Baur-Korrespondenz für die Wissenschaftsgeschichte
ist bereits von W. Dilthey erkannt worden, der Ende
des 19. Jh.s Eduard Zeller ermunterte, die Briefe seines Schwiegervaters
zu edieren. Zeller starb, bevor er die Sammel- und
Transkriptionsarbeiten abschließen konnte. So galt eine Edition
der Briefe Baurs lange Zeit als Desiderat. Angeregt durch Klaus
Scholder (tl985) begann der Hg. Carl E. Hester bereits 1974
mit dem Sammeln der Briefe Baurs. Nun liegt der erste Band
dieses Editionsprojektes vor, der 75 Briefe aus dem Zeitraum
1814 bis 1835 erfaßt. Zwei weitere Bände sollen folgen, die die
Korrespondenz aus den Zeiträumen 1836-1848 und 1849-1860
umfassen werden.

Ziel dieses Projektes ist es, „sämtliche erreichbaren Briefe
von und an Baur im Volltext" (8) zu bringen und darüber hinaus
auch Stammbuchblätter, amtliche Gesuche und Stellungnahmen
Baurs mit heranzuziehen, wenn sie von biographischem Wert
sind.

Der vorliegende l. Band umfaßt Briefe Baurs aus der Zeit
seiner Lehrtätigkeit in Blaubeuren und aus der Zeit nach seiner
Berufung in die Evangelisch-theologische Fakultät zu Tübingen
. In vielen Briefen spiegeln sich seine wissenschaftliche Arbeit
(zahlreiche Rezensionen, „Die christliche Gnosis" etc.) und
die sich ergebenden Kontroversen wider.

Der umfangreiche, separate Erläuterungsteil zu den Briefen
(147-221) liefert zahlreiche Hintergrundinformationen sowohl
zu äußeren Lebensereignissen als auch über Baurs inneren Werdegang
und erhellt die wissenschaftlichen Diskussionen und
Kontroversen seiner Zeit mit großer Sachkenntnis und viel Liebe
zum Detail. Darüber hinaus bietet der Hg. weitere biographische
Hilfen wie Zeittafel (13-17), Publikationsverzeichnis (236-
238) und ein biographisches Register der Briefpartner Baurs
(225-230). Ein technischer Briefkopf liefert u.a. Angaben über
den Adressaten, den Standort der Handschrift, Quellenbeschreibung
etc.; die Randzahlenleisten erleichtern das Auffinden von
Zitaten.

Es ist dem Hg. gelungen, überraschende Einblicke sowohl in
Baurs Biographie als auch in die Theologiegeschichte zu bieten,
so daß man auf das Erscheinen der Folgebände dieses Editionsprojektes
mit Recht gespannt sein darf.

Lauscha Kerstin Voigt

Nicolai de Cusa: Opera Omnia iussu et auetoritate acade-
miae litterarum Heidelbergensis ad codicum fidem edita.

X: Opuscula II. Fase. 2a: De deo unitrino prineipio. a: de
theologicis complementis, ed. commentariisque illustraver-
unl A. D. Riemann et C. Bormann. Hamburg: Meiner 1993.
XXXII, 136 S. 40. Kart. DM 178,-. ISBN 3-7873-1075-4.

Diese Schrift war bisher nur in der Pariser Ausgabe des Faber
Stapulensis greifbar und ist dort unter die mathematischen
Schriften eingereiht worden. Damit mag es zusammenhängen,
daß sie - zu Unrecht - von Philosophen und Theologen bisher
relativ wenig beachtet wurde. Es geht in ihr „um den transzen-
dierenden Aufstieg zu konjekturaler Gotteserkenntnis" (Senger
). Die Einordnung unter die mathematischen Schriften mag
damit zusammenhängen, daß Nikolaus von Kues (=NvK) das
kleine Werk, das er 1453 geschrieben hat, als notwendige
Ergänzung zu seiner kurz vorher verfaßten Schrift „De mathe-
maticis complementis" verstanden wissen wollte. Es zeigt sich
gerade hier augenscheinlich, daß Philosophie und Mathematik
bei NvK so etwas wie „Mägde der Theologie" sind. Von den
mathematischen Figuren aus, die er in dem mathematischen
Werk beschrieben hat, will er „durch Überschreiten des endlichen
, sinnenfälligen Bereichs zur theologischen Unendlichkeit
und damit zur Erkenntnis des Ursprungs auf(zu)steigen, in dem
alle Gegensätze koinzidieren und die Vielfalt des Endlichen mit
der Einheit des Unendlichen identisch ist", wie die Hgg. schreiben
.

Die Hgg. führen in einer kurzgefaßten Praefatio in die Gedankenzusammenhänge
dieser Schrift ein. Sie hat im 15. Jh.
eine nicht unerhebliche Bedeutung gehabt, worauf die neun
überlieferten Handschriften (neben den zwei Drucken in Paris
und Basel im 16. Jh.) hinweisen. Die Handschriften werden in
Brüssel, Nürnberg, München (zwei), Eisleben, London, Metz,
Paris und Oxford aufbewahrt. Eine bisher unbekannte Variante
des 12. Kapitels ist beigegeben. Sie erweist, daß „De complementis
theologicis" als Vorarbeit zur im Herbst 1453 verfaßten
großen mystagogischen Schrift „De visione dei" zu verstehen
ist. Es bleibt aber zu fragen, ob es richtig war, diese Variante an
den fortlaufenden Text anzufügen; wäre sie nicht im Apparat
besser aufgehoben gewesen? Ebenso haben die Hgg. einen in
zwei Abschriften überlieferten Epilog bzw. den anhand von drei
Abschriften konstituierten Text des „theologischen Teils" der
mathematischen Schrift „De circuli quadratura" beigegeben; er
steht in naher inhaltlicher Beziehung zu „De complementis
theologicis".

Wie immer zeichnen kritische Apparate die Heidelberger
Ausgabe aus. Im ersten werden die abweichenden Lesarten
notiert, im zweiten die zwar von NvK selbst nicht genannten
(aber augenscheinlich benutzten) Quellen nachgewiesen und im
dritten die wichtigsten Parallelen aus dem übrigen cusanischen
Schrifttum erfaßt. Der Kenner weiß, welche Mühe das Erstellen
dieser Apparate mit sich bringt. Dafür kann er jetzt leicht mit
dem vorgelegten Text arbeiten. Es ist zu erwarten, daß nunmehr