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Ausgabe:

1995

Spalte:

694-697

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Ozankom, Claude

Titel/Untertitel:

Gott und Gegenstand 1995

Rezensent:

Schulz, Heiko

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 7/8

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Bachgedruckt. 1983 erschien eine englische Neuausgabe, für die
M. Schofield als Mitautor gewonnen wurde. Im Unterschied zur
annähernd vollständigen Fragmentensammlung von H. Diels/
W. Kranz bieten K., R. und Sch. lediglich eine Auswahl von
Zitaten und Testimonien. Die kommentierte Ausgabe von K.,
R- und Sch. beschränkt sich auf die sogenannten Naturphiloso-
Phen unter den Vorsokratikern und ihre Vorläufer. Nicht behandelt
werden insbesondere die Sophisten.

Auf eine Gesamtdarstellung der sogenannten Vorsokratiker
unter systematischen Gesichtspunkten haben die Autoren bewußt
verzichtet. So unterbleibt auch eine einleitende Erörterung
der konventionellen, gleichwohl nicht unproblematischen
Bezeichnung „Vorsokratiker", die bekanntlich zum einen verschweigt
, daß manche der sogenannten Vorsokratiker Zeitgenossen
des Sokrates waren, zum anderen den falschen Eindruck
erweckt, als sei mit Sokrates eine ganze Epoche der griechischen
Philosophie zu ihrem Abschluß gekommen.

Insgesamt werden 16 Philosophen behandelt. Anders als bei
Diels/Kranz werden die Quellentexte zu den einzelnen Denkern
Ucht nach Zitaten und Testimonien (A- und B-Fragmenten)
getrennt, sondern systematisch geordnet und jeweils als zusammenhängende
Textgruppe philologisch, historisch und systematisch
kommentiert. Der Textumfang bei Diels/Kranz und K./R./
Sch. variiert bisweilen; die Abweichungen sind jeweils kenntlich
gemacht.

Die Darstellung der Vorsokratiker gliedert sich in vier Hauptteile
. Nach einleitenden Bemerkungen über die Quellen für die
vorsokratische Philosophie und einem Kapitel über die Vorläufer
philosophischer Kosmogonie befaßt sich der erste Hauptteil
'Kapitel II-V) mit den ionischen Denkern Thaies, Anaximander
und Anaximenes von Milet, Xenophanes von Kolophon und
Heraklit von Ephesus. Der zweite Hauptabschnitt (Kapitel VII-
XII) beh andelt die Frühgeschichte der Philosophie im Westen
(Pythagoras von Samos. die Eleaten Parmenides und Zenon,
Empedokles von Akragas. sowie Philolaos von Kroton und den
Pythago reismus des fünften vorchristlichen Jh.s). Der dritte
Hauptteil (Kapitel XII-XVI) beschreibt die durch den Westen
angestoßene weitere Entwicklung im östlichen Mittelmeerraum
(Anaxagoras von Klazomenai, Archelaos von Athen, Melissos
von Samos, Leukipp von Milet und Demokrit von Abdera, Diogenes
von Apollonia).

f ür die englische Neuausgabe von 1983 hat Sch. die Kapitel
über die Eleaten und die Pythagoreer völlig neu geschrieben,
ebenso das Kapitel über Empedokles, in welchem auch die Anordnung
der Fragmente gemäß ihrer mutmaßlichen ursprüngli-
ehen Reihenfolge gegenüber der ersten Auflage geändert wurde
. Auch in anderen Kapiteln, die teils geringfügig, teils stärker
überarbeitet wurden, haben die Ergebnisse der neueren Forschung
Eingang gefunden.

Die deutsche Ausgabe hält sich recht genau an die englische
Vorlage, bietet aber gegenüber ihrer zweiten Auflage einige Ergänzungen
. Vor allein wurden die Quellentexte aus dem Griechischen
oder Lateinischen für die vorliegende Ausgabe neu ins
Deutsche übersetzt. Die englische Übersetzung wurde nur
soweit berücksichtigt, als sie für die Interpretation der Texte
v°n Belang ist. Gelegentliche Anmerkungen des deutschen
Ubersetzers sind durch Asterisken kenntlich gemacht. Für die
deutsche Ausgabe wurde die von den Vfn. knapp gehaltene
Bibliographie um rund zwei Dutzend Titel erweitert, die nach
der zweiten Aullage der englischen Fassung von 1983 erschienenen
sind. Vollkommen neu wurden die Indizes am Schluß des
Werke s gestaltet. Index I bietet eine Konkordanz, der Tcxtnum-
Tiern des vorliegenden Werkes und der dreibändigen Edition
der Vorsokratiker von H. Diel und W. Kranz. Index II listet die
unter den Textnummern von K.. R. und Sch. zitierten Texte auf.
Die Indizes III-V enthalten ein nach den verwendeten Textausgaben
differenziertes Stellenregister, sowie ein Personen- und

ein Sachregister. Die benutzerfreundlichere Gestaltung der Indizes
stellt gegenüber der englischen Ausgabe eine erhebliche
Verbesserung dar.

Wie das Werk selbst verdient auch Hülsers Bearbeitung desselben
Beachtung. Neben den griechisch-deutschen Textausgaben
der Vorsokratiker von Diels/Kranz (51951) und J. Mansfeld
(1987) gibt es damit eine neue, zudem kommentierte, zweisprachige
Edition. Gegenüber der von Mansfeld getroffenen Auswahl
hat sie den Vorzug, daß neben den bekannten Vorsokratikern
auch Denker wie Archelaos von Athen, Melissos von Samos
und Diogenes von Apollonia zu Wort kommen. Die Textauswahl
zu den einzelnen Philosophen ist allerdings zumeist bei
Mansfeld größer, teilweise sogar erheblich. Das gilt vor allem
für Pythagoras und den frühen Pythagoreismus, für Xenophanes
, Heraklit, Zenon, Empedokles, Anaxagoras und Demokrit.
Doch nicht zuletzt wegen seiner durch umfangreiche Quellenangaben
gestützten Kommentierung der ausgerwählten Fragmente
gehört das vorliegende Werk für das Studium der Vorsokratiker
weiterhin zur Pflichtlektüre. Seiner deutschen Ausgabe
ist daher eine weite Verbreitung zu wünschen.

Wien Ulrich H. J. Körtner

Ozankom, Claude: Gott und Gegenstand. Martin Heideggers
Objektivicrungsverdikt und seine theologische Rezeption bei
Rudolf Bultmann und Heinrich Ott. Paderborn-München-
Wien-Zürich: Schöningh 1994. 239 S. gr.8° = Münchener
Universitätsschriften. Beiträge zur ökumenischen Theologie.
25. ISBN 3-506-70775-2.

1. Seit Heideggers Marburger Tagen, in denen dieser, angeregt
vor allem durch Rudolf Bultmann, den Dialog zwischen herme-
neutischer Fundamentalontologie und (protestantischer) Theologie
intensivierte, verzeichnet die Rezeptionsgeschichte der
Heideggerschen Philosophie immerauch ein wenn nicht spektakuläres
, so doch immerhin lebendiges und stetes Interesse an
diesem Dialog. Daß das Verhältnis Bultntann/Heideg,ger hier
nach wie vor im Mittelpunkt steht, nimmt nicht wunder, auch
wenn diese Frage anderen (philosophisch-theologischen) Re-
zeptionsaspekten gegenüber zeitweilig in den Hintergrund trat:
Man denke nur an die (über weite Strecken Bultmann-interne)
Entmythologisierungsdebatte der Nachkriegszeit, die sich bis in
die 60er Jahre hineinzog und in den letzten Jahren erneut an
Boden gewann, oder aber an die jüngst wiederaufgeflammte
Diskussion um das Verhältnis Heideggers zur Politik.

Die im Fachbereich kathol. Theologie der Universität München
unter der Ägide von Heinrich Döring und Richard Heinzmann
entstandene, 1992 eingereichte und jüngst in der Reihe
Beiträge zur ökumenischen Theologie erschienene Dissertation
doli und Gegenstand von Claude Ozankom nimmt den rezeptionshistorischen
Faden wieder auf; diesmal, und darin liegt ihr
theologiegeschichtliches Verdienst bzw. ihr thematisches Spe-
zifikum, nicht nur bezogen auf Rudolf Bultmann, sondern auch:

(a) im Blick auf einen der profiliertesten Heidegger-Adepten
innerhalb der (protestantischen) Theologie der Nachkriegs/eil.
Heinrich Ott;

(b) am Leitfaden der zentralen Frage nach der systematischtheologischen
Relevanz des sog. ,Objektivierungsverdiktes'
innerhalb der Heideggerschen Philosophie.

Ansatz, Fragestellung und Anliegen des Vf.s bestehen dann,
genauer gesagt, darin, „das ,Nein' Heideggers gegenüber der
Universalität und Ursprünglichkeit der wissenschaftlich-objek-
tivierenden Denkart und sein damit einhergehendes Ringen um
eine angemessenere, nicht-objektivierende Denkweise so darzulegen
, daß im Anschluß daran dessen möglicher Einfluß auf
das Reden und Denken in der zeitgenössischen Theologie am