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Ausgabe:

1995

Spalte:

647-649

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wahl, Harald-Martin

Titel/Untertitel:

Der gerechte Schöpfer 1995

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Theologische Literatur/.eitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 7/8

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eigenständige Zeugnis des Alten Testaments und der frühjüdischen
und rabbinischen Schriften eine Marginalisierung erfährt
? An diesem Punkt würde man gerne mit dem Vf. in ein
weiterführendes Gespräch eintreten, gerade wenn gilt, was er
selbst im Blick auf das Markusevangelium feststellt, daß „Jesu
vollmächtige Sendung im Zeichen der nahen Gottesherrschaft"
nicht ..schlechthin als .Erfüllungsgeschichte' geschildert" wird
(166). In w elcher Weise bleibt das „Alte" Testament dann mehr
als nur ein Sprach- und Vorstellungslieferant für ntl. Exousia-
vorstellungen, nämlich ein für Juden und Christen verbindliches
Zeugnis, was auch für Sch. nicht in Frage steht (10)? Die
hier gestellten Fragen haben sich dem Rez. bei der Lektüre
zunehmend aufgedrängt. Das macht keinen Mangel, sondern
den Wert derartiger biblisch-theologischer Studien aus, für die
dem VI. zu danken ist.

Naumburg Rüdiger Lux

1 K. Scholtissek, Die Vollmacht Jesu. Traditions- und redaktionsgeschichtliche
Analysen zu einem Leitmotiv markinischer Christologie,
NTA.NF25. Münster 1992.

Wahl, Harald-Martin: Der gerechte Schöpfer. Eine redakti-
ons- und theologiegeschichtliche Untersuchung der Elihure-
den - Hiob 32-37. Berlin-New York: de Gruyter 1993. XVI,
247 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die atl. Wissenschaft
, 207. Lw. DM 132,-. ISBN 3-11-013637-6.

Vorliegende Publikation stellt die überarbeitete Druckfassung
der im Jahre 1991 vom Fachbereich Evangelische Theologie
der Marburger Universität angenommenen Dissertation dar.
Der Autor fühlt sich für Betreuung und Beratung vor allem Otto
Kaiser zu Dank verpflichtet.

Die Ausführungen folgen einem klaren Aufriß. Die einzelnen
Kapitel des Buches (Kap. I-Vll) weisen weitere Untergliederungen
auf (außer Kap. VII). Sie sind untereinander durch Rückbe-
züge auf vorher Gesagtes und Vorgriffe auf später zu Sagendes
verzahnt. Zusammenfassungen, auch wenn sie nicht überall als
solche gekennzeichnet werden, geben dem Leser die Möglichkeit
, sich über den Gang der Darlegungen schnell zu informieren.
Der Vf. stellt seinen Untersuchungen ein auslegungsgeschichtliches
Kapitel (I., 1-35) voran, worin er u.a. die vorkritischen (1.2)
und die durch die historisch-kritische Forschung bestimmten
Auslegungen(1.3) vorstellt. Diesem [. Hauptteil entspricht ein mit
„Appendix" überschriebenes Schlußkapitel (189-208), in dem
der Autor eine Übersicht über die Forschungen zu den Elihure-
den im 20. Jh. gibt. Darin geht er auf Nichols, Driver/Gray, Budde
, Tur-Sinai, Richter, Fohrer, Freedman, Gordis, de Wilde,
Maag, Habel, Hartley, Mende und sein eigenes Buch ein.

Ein starkes Gewicht liegt auf Wahls eigenen Auslegungen
der Elihureden (IL, 36-131), welch letztere durch „Die prosaische
Einführung - c. 32,1-5" eingeleitet werden. Der Vf. rechnet
mit fünf Reden (c. 32,6-37,24). Die erste, „Die apologetische
Selbstintroduktion Elihus" (II.2.a umfaßt c. 32,6-22, die
zweite, „Die Rede vom sich äußernden Gott" (II.2.b), c. 33,1-
33. (Im letzten Satz von Anm. 68 auf S. 45 sowie im ersten Satz
von Anm. 1 ebd. drückt sich der Autor hinsichtlich seiner
Redeneinteilung mißverständlich aus.) Die vom Vf. als dritte
vorgestellte Rede (II.2.c), „Die Rede vom gerecht vergeltenden
Schöpfer" umfaßt c. 34,1-37, die vierte (II.2.d). „Die Rede vom
unerreichbaren Gerechten", c. 35,1-16 und „Die abschließende
Rede vom wundervoll-gerechten Schöpfer" (Il.2.e) c.36,1-37,
24. Sowohl im Auslegungsteil als auch in den späteren Kapiteln
gibt sich der Vf. als in der einschlägigen Literatur ausgesprochen
bewanderter Forscher zu erkennen. Die herangezogenen
Publikationen sind in einem eigenen Verzeichnis aufgelistet
(209-230).

Das dritte Hauptkapitel beschäftigt sich mit der „Theologie"
der Elihureden (132-142), wobei eigentlich nur der dritte Unterabschnitt
theologische Grundlinien nachzeichnet. Demgegenüber
werden unter III. 1. „Der Argumentationsgang der Reden" methodische
Fragen erörtert und in III.2. „Der Gott Elihus" Gottesbezeichnungen
(besser als „Namen Gottes") und „Eigenschaften
Gottes" aufgelistet. Der Vf. arbeitet den stark schöpfungstheologischen
Ansatz der Theologie Elihus heraus. Der von ihm verkündigte
Gott ist „Creator und Conservator" und erweist darin
dem Menschen seine Güte. Der Mensch ist von Gott mit riflh
und tfisamah ausgestattet, wodurch er „Teilhabe" an dem göttlichen
Geist und Lebensodem erhält (136 u.a.). Von seiten des
Menschen ist Gottvertrauen und Zuversicht erwartet. Darin gelangt
er auf den von Gott bereiteten Heilsweg. Wird Gott das
Zutrauen verweigert, so schickt er Leid, durch das er den Menschen
vermöge einer sinnhaften Leidenspädagogik auf den Weg
der Buße führen will. Noch kurz vor dem Tod entsendet Gott
einen melis (c. 33,23, vgl. Kontext), um den Frevler zur Umkehr
zu bewegen, denn Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern
daß er lebe (140). In dieser Zugewandtheit zum Menschen ist
Gott der Gerechte. So spricht der Vf. gern vom „wundervollgerechten
Schöpfer" (II.2.e). Obwohl nach des Vf.s Meinung Elihu
auf dem Boden der weisheitlichen Überzeugungen Hiobs und
seiner Freunde steht, mag in den soeben gekennzeichneten Konstanten
die Spezifik der theologischen Grundanschauungen des
vierten Freundes liegen. Die steile Lehre vom Tun-Ergehen-
Zusammenhang, wie sie Hiob, Eliphas, Bildad und Zophar vertreten
, tritt nach der Überzeugung des Autors bei Elihu zurück.
Dafür kommt nach der Ansicht W.s die Überzeugung von dem
„gereehte(n) Vergelten Gottes" zum Zuge (183 u. Anm. 13, 206:
„... die Lehre vom gerechten Vergeltungshandeln Gottes...").

In den Kapiteln IV. „Die formale Gestalt der Elihureden"
(143-155), V. „Die traditionsgeschichtliche Abhängigkeit der
Elihureden" (156-171), VI. „Die redaktionelle Tätigkeit des
Dichters" (172-181) und VII. „Der Dichter und seine Zeit" (182-
188) werden einleitungswissenschaftliche Fragen behandelt, was
man sich eigentlich vor der Auslegung gewünscht hätte.

Abgesehen von dem Prosastück c. 32,1-5 sind die Elihureden
durchweg poetisch gestaltet. W. bezeichnet sie gattungsmäßig
als einen „weisheitlichen Monolog" (I454f. 207). an anderer
Stelle spricht er von einem „weisheitlichen Lehr- und Erbauungsmonolog
" (206). Der Dichter der Elihureden vereinigt in
seiner Darstellungsweise „diskursive Logik" und „konzentrische
Poesie" in „harmonischem Wechselspiel" (154).

Traditionsgeschichtlich wurzeln die Elihureden im Alten Testament
, besonders aber in der Rahmengeschichte, in den Dialogreden
Hiobs und seiner Freunde sowie in den Gottesreden des
Hiobbuches. Außerbiblischer Einfluß aus dem Nahen Osten ist
zwar vorstellbar, aber nicht nachzuweisen (V. 4).

Daß die Elihureden in den Zusammenhang des Redenteils
sekundär eingeschoben worden sind und Zusammengehöriges
auseinanderreißen, ist allgemeine Überzeugung. Wie sie eingegliedert
worden sind, haben redaktionskritische Untersuchungen
zu beantworten. Bei dem Einpaßversuch des Dichters können
sich Veränderungen am originalen Bestand des Hiobbuches
ergeben haben, besonders bei der zweiten Antwort des Hiob an
Jahwe in c. 42.2-6 (VI., 180, VII., 186).

Der Dichter wird nach Meinung des Autors ein Weiser, Priester oder
Levit gewesen sein, der die Klihureden im Verlauf des 3. Jh.s v. Chr. verfallt
hat, um in der theologiegeschichtlich fortgeschritteneren Zeil dem Hiob-
buch die Akzeptanz (Kanoniz.ität) zu sichern. Auch die sprachliche Gestalt
(Aramaismen) spricht für die späte Ansetzung des Elihucorpus (VII..
I82IT). Fiin früheres Eigenleben billigt der Vf. den Elihureden nicht zu. Es
ist schade, daß der Vf. die von Therese Mende verfaßte Monographie
„Durch Leiden zur Vollendung: Die Elihureden im Buch Ijob (Ijob 32-37)".
Trier. 1990 (TThSt: 4X) nicht in die Druckfassung seiner Dissertation eingearbeitet
hat. Er bespricht sie wenigstes im ..Appendix" (202-204). Begrüßen
wird der Leser, daß er mit der W.sehen Arbeit in die bis heute noch difle-