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Ausgabe:

1995

Spalte:

645-647

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Scholtissek, Klaus

Titel/Untertitel:

Vollmacht im Alten Testament und Judentum 1995

Rezensent:

Lux, Rüdiger

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 7/8

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kritik von Hosea 1-3 (1982); Erwägungen zur Kompositions- und Redaktionsgeschichte
von Hos 1-3 (1982); Die Disputationsworte bei Deulerojesaja
in neuem religionsgeschichtlichen Licht (1991); Dürsten nach Gott. Ein
psalmistisches Motiv im religionsphanomenologischen Vergleich (1990);
Aufforderung an die Schöpfung zum Lob Gottes. Zur Literar-. Form-, und
Traditionskritik von Psalm 148; Das Buch Tobias - ein Modeltall nachgestaltender
Erzählung (1982); Zur Funktion der Achikar-Notizen im Buch
Tobias (1976).

Da die weitaus meisten Beiträge längst ihre wissenschaftliche
Wirkung gehabt haben, wäre es m.E. unangebracht, ex post eine
ausführliche Besprechung zu liefern. Da das meiste zudem in
allerseits gm zugänglichen Publikationsorganen erschienen ist
(wohl nicht der ausgesprochen schöne Aufsatz ..Dürsten nach
Gott"), kann Mangel an Erreichbarkeit wohl nicht Anlaß dieser
Wiederveröllentlichung sein. Daher begnüge ich mich mit ein
paar grundsätzlichen Bemerkungen.

1) Was den Pentateuch angeht, so freue zumindest ich mich
(gewiß mit v.a.). daß R. trotz neuester Anlehnung an den Versuch
, den Jehowisten als Schriftsteller mit viel eigenen Beitragen
zu verstehen (E. Zenger, P. Weimar), ausdrücklich den Elo-
histen neben dem Jahwisten für eine eigenständige Quelle hält
• Aporie). Ob aber die neueste Anlehnung R. nicht zu mehr
Hypothetik verleitet hat. als gut tut (zu Gen 46,1-5)? Redaktion
skriri sehe Untersuchungen scheinen zu einer wahren Unersättlichkeit
an Schichtenannahmen zu führen.

2) Für R.s theologisches Vermögen typisch scheint mir etwa
der Beitrag zu Gen und der „zufriedenen Ruhe" Ptahs. Wie in
seinem ganzen Werk verbindet R. hier die Leidenschaft religi-
onsgeschichllicher und -phänomenologischer Aulklärung mit der
sorgfältigen Erhebung der spezifisch israelitischen Umformung.
Hier schließt sich auch der Beilrag zu den Disputationsworten
bei Deuterojesaja und der zum Dürsten nach Gott an. Der Absieht
nach findet man dasselbe in den beiden Beiträgen zum
Buch Tobit; aber der Stoff gibt wohl nicht so viel her wie der der
anderen Beiträge. Immer entsagungsvoll wird die Beschäftigung
mit Hos 1-3 bleiben. Wie der Beitrag „Erwägungen" zeigt, leitet
auch hier R. ein gut einsichtiges theologisches Interesse.

Insgesamt hätte ich mir etwas mehr von dem weniger bekannten
Ruppert in der Art von „Dürsten nach Gott" etc. und etwas
weniger an längst gewürdigten Arbeiten gewünscht.

Bonn Horst Seehass

Scholtissek. Klaus: Vollmacht im Alten Testament und Judentum
. Begriffs- und motivgeschichtliche Studien zu einem
bibeltheologischen Thema (mit einem Ausblick auf das Neue
Testament). Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh
1993. 186 S. gr.80 = Paderborner theologische Studien, 24.
ISBN 3-506-76274-5.

Mit der vorgelegten Arbeit veröffentlicht Sch. in einem
erweiterten Rahmen Studien, die er im Zuge der Erarbeitung
seiner neutestamentlichen Dissertation über die „Exousia Jesu
"1 erstellte. Dabei hat er ein ausgesprochenes „Interesse
an einem gesamtbiblischen Verständnis von „Vollmacht" (9).
Nieht im Rückgriff vom Neuen auf das Alte Testament, sondern
durch eine Analyse des Eigenverständnisses der altteslament-
■'«-•h-jüdisehen Schriften verfolgt er in ihnen begriffs- und mo-
llvgeschichllich das Vollmachtsverständnis der Bibel.

Nach einer Einleitung (9-11), werden Vollmachtsvorstellungen
im Alten Testament analysiert. Dabei geht der Vf. von den
hebräischen Termini aus, „die sich aufgrund der e^oiuna -Be-
'ege der Septuaginta ermitteln lassen" (12).

Die Wurzeln >i/o, T>n; mfa, mi, i* und ihre Derivate
werden in ihrer Bedeutung für das Thema untersucht (16-26).
Der motivgeschichtliche Teil setzt mit der m.E. zu undifferenzierten
These ein, daß die hebräischen und biblisch-aramäischen
Wortfelder von „Vollmacht" (für das ein dem griechischen
E^ovoiu -Begriff entsprechendes Äquivalent im Hebräischen
fehlt), „Autorität" und ..Herrschaft" auf „Jahwe als
Ursprung und Quelle aller Macht bzw. Herrschaft in Israel" verweisen
(26). In diesem Sinne könne dann auch von der „Exousia
Jahwes" (29) im Alten Testament die Rede sein. Da der Vf.
darauf verzichtet, seine Befunde literargeschichtlich den jeweiligen
Schriften und ihrer Entstehungszeit zuzuordnen (12),
nimmt er sich selbst die Möglichkeit, aufzuzeigen, daß sich das
von ihm postulierte Vollmachtsverständnis JHWHs erst im
Zuge eines langen Prozesses gegen eine Fülle von Widerständen
und Rückschlägen durchgesetzt hat. In diesem Zusammenhang
hätten dann auch die all. Erwähnungen der JHWH-feindli-
chen Mächte eine intensivere Berücksichtigung verdient. Von
der Ausgangsthese her ist nach Sch. alle menschliche Macht
und Autorität letztlich „Partizipation an der Exousia Gottes"
(29-76). Unter dieser Überschrift wird die Macht des Königs
(35-37), der Propheten (37-46), des Messias (46-55), des Gottesknechtes
(55-60) und des Menschensohn-Gleichen in Dan 7
(61-76) auf den Akspekt des vollmächtigen Handelns hin
befragt. Die zu diesen Einzelkomplexen durchaus erhellenden
und klaren Ausführungen kommen zu dem Ergebnis:

„Gemeinsam ist den alttestamentlichen .Vollmachts'-vorslellungen der
Grundgedanke der Partizipation an der Heils- und Herrschaftsmaeht Gottes:
Gottes Initiative und seiner Delegation verdankt sieh die (Voll-)Maeht der
Könige und Propheten Israels, des Messias' und Menschensohnes. In diesem
Sinn kennt die alttestamentliche Tradition ein theologisch-soteriolo-
gisch qualifiziertes Verständnis von .Vollmacht': Zur Verkündigung seines
Heils- und Herrschaftswillens läßt Gott Menschen... an der eigenen Autorität
und Souveränität teilhaben" (142).

In einem'eigenen Abschnitt geht der Vf. dann dem Terminus
'EiSjouatu in der griechischen Literatur nach (77-85). wobei er
dessen differentia specjfica zum öv>vuu.ic,-Begriff in seinem
durchgängig profanen Gebrauch gegenüber den magisch-religiösen
Konnotationen von öiWapic, festhält. Daran schließen
sich Untersuchungen zu „T£|ovot(t in der Septuaginta" (86-88)
und der frühjüdischen Literatur (89-117) an. Hier wird vor
allem im Unterschied zum Allen Testament und seinen innerge-
schichtlichen Vollmachtskonzeptionen eine eschatologische
Verschiebung der durch Vollmacht heraufgeführten Heilserwartungen
festgehalten (145). Der letzte Textbereich, der vom
Vf. nach Vollmachtsvorstellungen befragt wird, ist die rabbini-
schc Literatur (118-138). In ihr geht er vor allem dem fori -
Begrifft 120- 129) und dem n»>o -Institut (129-138) nach.
Bevor schließlich clie Brücke zum Neuen Testament geschlagen
wird, nimmt Sch. eine kurze Bilanzierung seiner Ergebnisse vor
(139-146). In einem Ausblick werden diese dann zum neutestamentlichen
"E^ovoUx-Verständnis exemplarisch am Markuse-
vangelium in Beziehung gesetzt. Die Untersuchung schließt mit
der Feststellung:

„Das vielschichtige Zeugnis alttestamentlich-jüdischer Vollmaehtskon-
/eplionen erfährt in der urehristliehen Reflexion eine überbielend-christolo-
gisehe Konzentration, die im Ausgang von der Sendung Jesu seine Exousia
als wirksamen Ausdruck und verbindliehe Gestalt des eschatologisehen
Heilswillens Gottes bestimmt."

Die vorgelegte Studie, in der umfangreiches Material gesichtet
und eine Fülle von Literatur verarbeitet wurde, gibt abgesehen
von den bereits angedeuteten Fragen einen nützlichen Einblick
in die biblischen Vollmachtskonzeptionen. Dabei werden
trotz aller Verbindungen zwischen dem Alten und Neuen Testament
die Brüche durchaus markiert. Angesichts der bibeltheolo-
gischen Ausrichtung hätte man sich im letzten Teil aber doch
eine intensivere Reflexion der aufgezeigten Einsichten gewünscht
. Was z.B. bedeutet die ..überbietend christologische
Konzentralion" der ntl. Vollmachtskonzeption(-en?) für das ge-
sanitbiblische Zeugnis von der Exousia Gottes? Wurden damit
die spezifischen atl. Vollmachtskonzeptionen ein für allemal
überholt? Oder wie läßt sich in diesem gesamtbiblischen Konzept
am Begriff der Überbietung festhalten, ohne daß damit das