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Ausgabe:

1995

Spalte:

44-46

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Mager, Inge

Titel/Untertitel:

Die Konkordienformel im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel 1995

Rezensent:

Dingel, Irene

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 1

44

Kirchengeschichte:
Reformationszeit

Kötter, Ralf: Johannes Bugenhagens Rechtfertigungslehre
und der römische Katholizismus. Studien zum Sendbrief an
die Hamburger (1525). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1994. 489 S. gr.8° = Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte
, 59. Lw. DM 138,-. ISBN 3-525-55167-3.

Im Mittelpunkt dieser in Münster angenommenen Dissertation
steht Bugenhagens in niederdeutscher Sprache verfaßter sog.
Sendbrief an die Hamburger (Originaltitel: Van dem Christen
louen vnde rechten guden werken wedder den falschen louen
vnde erdichtede gude wercke) aus dem Jahre 1525. Mit Recht
wurde dieses umfangreiche Werk des Pomeranus als dessen
„Programmschrift" (H.-G. Leder) und „erster Entwurf der Kirchenordnungen
" (E. Wolf) bezeichnet. Wie in keiner anderen
Schrift des Reformators findet sich hier eine breite Darlegung
seiner Rechtfertigungslehre in der Auseinandersetzung mit altgläubigen
Auffassungen.

K.s Arbeit ist nicht die erste Untersuchung zu diesem Sendschreiben
. Bereits 1981 legte Hans Hermann Holfelder mit seiner
Monographie „Solus Christus" (BHTh 63) eine, wenn auch
nicht so umfangreiche Studie dazu vor. Holfelder beschäftigte
sich darin mit der Herausbildung von Bugenhagens Rechtfertigungslehre
anhand seiner Paulusauslegung (1521/22 und 1525)
und dem Hamburger Sendbrief. Völlig zu Recht wurde in der
Forschung der letzten Jahre angemahnt, daß mit Holfelders
Arbeit diese grundlegende Bugenhagen-Schrift noch nicht in
ihrer ganzen Tiefe erforscht sei. So ist das Thema dieser von
Wolf-Dieter Hauschild angeregten Dissertation sehr zu begrüs-
sen.

Die Arbeit K.s gliedert sich in vier etwa gleich lange Teile.
Der erste Abschnitt will eine Hinführung zum Sendbrief sein, in
dem der Werdegang der Theologie Bugenhagens und der Reformation
in Hamburg bis in das Jahr 1525 betrachtet werden. Der
zweite Teil gibt Einblick in die Entstehung und Gliederung des
Hamburger Sendschreibens. Im Zentrum des dritten Teiles steht
eine inhaltliche Analyse dieser Schrift. Im abschließenden vierten
Teil wird das Leben und die Theologie des Dominikaners
Augustin von Getelen vorgestellt, mit dem sich Bugenhagen in
einem Brief auseinandersetzte, der dem eigentlichen Sendschreiben
angehängt ist.

Der erste Teil umfaßt zwei Kapitel. Zunächst beschreibt K. die
theologische Entwicklung Bugenhagens unter besonderer Berücksichtigung
seiner Rechtfertigungslehre anhand einer leider
nur teilweisen kritischen Sichtung der Ergebnisse der bisherigen
Bugenhagen-Forschung. Dieses Kapitel hätte in seinen langen
referierenden Abschnitten kürzer gefaßt werden können, da die
entsprechende Literatur leicht zugänglich bzw. dem interessierten
Leserkreis bekannt sein dürfte. Dies gilt auch für das zweite
Kapitel, in dem auf der Grundlage vor allem von R. Posteis
Reformationsgeschichte der Stadt Hamburg aus dem Jahre 1986
in das dortige reformatorische Geschehen eingeführt wird. Auch
hier hätte sich K. auf die zum Verständnis des Sendbriefes notwendigen
Fakten beschränken können, zumal er zu Beginn des
zweiten Teiles seiner Arbeit speziell auf Bugenhagens Kontakte
zu Hamburg eingeht und eine historische Ordnung des Sendschreibens
gibt.

Das folgende Kapitel beinhaltet eine literarische Untersuchung
dieser Schrift, in deren Ergebnis K. zu einer gut begründeten
Gliederung des gesamten Sendbriefcs kommt, die teilweise stark
von der von Holfelder erarbeiteten Einteilung abweicht. Wie vor
ihm Holfelder stellt K. dann in der stilkritischen Analyse fest,
daß die Schrift in der Ausdrucksweise eines apostolischen Sendschreibens
verfaßt wurde. Meinte Holfelder Vorarbeiten für das
umfangreiche Werk in der Bibelexegese des Reformators zu finden
, so liegen nach K. dem Sendschreiben vor allem Predigten
des Wittenberger Stadtpfarrers zugrunde. In einem weiteren
Kapitel kann K. dies mit Bezügen zu Predigten Bugenhagens aus
dem Jahr 1525 belegen und an zwei Predigten, die die Vorlagen
für je eine Zusammenfassung bilden, direkt beweisen.

Der dritte Teil bietet eine umfangreiche inhaltliche Analyse
des Sendschreibens ohne dessen zwei Anhänge (ersterer findet in
der gesamten Arbeit kaum Erwähnung!). Aufschlußreich wird
K.s Untersuchung vor allem dadurch, daß er die Grundaussagen
des Sendbriefes mit einer Fülle von Zitaten aus anderen Werken
Bugenhagens vergleicht, die neben der deutlichen Kontinuität im
Denken des Reformators auch Veränderungen in seiner Theologie
aufzeigen. Zudem macht K. in der Gegenüberstellung von
Äußerungen Luthers und Melanchthons sowohl die Abhängigkeit
Bugenhagens von beiden als auch seine Eigenständigkeit
deutlich. Entgegen den Ergebnissen der bisherigen Forschung
meint K. dabei, eine nicht so feste Bindung des Pomeranus an die
Theologie Melanchthons aufzeigen zu können. Mit dieser akkuraten
Studie ist K. ein ausgezeichneter Überblick über Grundaussagen
der Theologie Bugenhagens gelungen.

In einem sich anschließenden Kapitel wird dem in der Literatur
oft vermuteten Bezug von Bugenhagens Hamburger Sendschreiben
zu Luthers Freiheitstraktat nachgegangen. K. setzt sich
hier mit den von Holfeldcr vorgelegten Ergebnissen auseinander
und geht weit darüber hinaus. Daß aber damit noch nicht das
letzte Wort zu dem interessanten Verhältnis der Theologie Bugenhagens
zu der Luthers gesprochen ist, wird dem Leser bei der
Lektüre leicht deutlich.

In den Mittelpunkt des vierten Teiles seiner Arbeit stellt K.
Leben und Theologie des Dominikaners Augustin von Getelen.
Zu den wenigen bisher bekannten biographischen Fakten kann er
kaum etwas Neues hinzufügen. Bedeutend dagegen ist seine Einführung
in die Theologie des Dominikaners. Die Grundlage
dafür bilden neben Getelens im Druck erschienener Widerlegung
von Bugenhagens Angriff gegen ihn aus dem Jahre 1526 fünf
weitere, teilweise sehr kurze und handschriftlich überlieferte
Schriften aus den dreißiger Jahren. Leider stehen damit nur
Schriften Getelens nach der Abfassung von Bugenhagens Sendbrief
an die Hamburger zur Verfügung, so daß man mit K. annehmen
muß, daß die aus den späteren Werken eruierte Theologie in
etwa der der zwanziger Jahre entspricht. K. zeichnet in einer sehr
genauen Studie ein eindrucksvolles und vielgestaltiges Bild von
diesem altgläubigen Theologen, das weit über das für das Verstehen
des Sendbriefes Notwendige hinausgeht. Dies wird deutlich
am kurzen Schlußkapitel, in dem K. Bugenhagens Auseinandersetzung
mit dem Katholizismus in Hamburg behandelt. Es ist
sehr zu wünschen, daß die vorbildliche Untersuchung der Theologie
Getelens bei einem breiteren Kreis der reformationsgeschichtlichen
Forschung Beachtung findet.

Alles in allem ist mit K.s Arbeit ein weiterer gewichtiger
Schritt in der Erforschung des Theologen Bugenhagen getan.
Neben der kritischen Auseinandersetzung mit den Ergebnissen
der Forschung liegt die Bedeutung der Studien K.s darin, auf
grund genauer Analysen die Rechtfertigungslehre, das Zentrum
der Theologie Bugenhagens, in ihrer Entwicklung dargestellt zu
haben.

Greifswakl Volker Gummelt

Mager, Inge: Die Konkordienformel im Fürstentum Braunschweig
-Wolfenbüttel. Entstchungsbeitrag - Rezeption
Geltung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993. 548 S.
m. 15 Abb. gr.8° = Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens
. 33. Kart. DM 94,-. ISBN 3-525-55238-6.