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Ausgabe:

1995

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 6

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häufig zitiert er die Lima-Erklärungen zu Taufe, Eucharistie
und Amt, die erwähnte Auslegung des Glaubensbekenntnisses
von 381 „Gemeinsam den einen Glauben bekennen" sowie aus
den beiden umfangreichen Bänden von „Dokumente wachsender
Übereinstimmung". Auf diese Weise wird der Leser mit
einer Fülle von ökumenischen Dialogdokumenten und ihren
inhaltlichen Ergebnissen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil
vertraut gemacht. Dank seiner profunden Kenntnis einer fasl
unübersehbaren Zahl von Dokumenten gelingt es Sch. weitgehend
, die wegweisenden Erkenntnisse aus diesen Dialogen der
vergangenen dreißig Jahre dem interessierten Leser zu vermitteln
. Dabei stellt sich bei fortschreitender Lektüre ein größer
werdendes Staunen darüber ein, wie weit die gemeinsame Glaubenserkenntnis
innerhalb einer Generation theologischer Kärrner
-Arbeit fortgeschritten ist. Hier geschieht, was oft gefordert
wird und nur selten gelingt: Weitergabe ökumenischer Ergebnisse
an die sog. Laien, sofern sie sich denn zum Lesen bereitfinden
. Und welcher theologische Fachmann wäre nicht bei
dem neuen und noch unüberschaubaren Genre ökumenischer
Dialoge auch als Laie anzusprechen? Sch. beschließt die Auslührungen
zu einem Thema häufig mit Liedversen und Gebetstexten
aus der gottesdienstlichen und liturgischen Tradition verschiedener
Kirchen.

Ich empfinde diese Abschnitte als besondere Bereicherung, einmal weil
sie den Bereich der theologischen Einsichten im engeren Sinne in Richtung
auf eine spirituelle Ganzheitlichkeit überschreiten, sodann weil in den zitierten
Texten oft beglückend deutlich wird, wieviel gemeinsames Glaubensgut
in Liedern. Liturgien und Gebeten der verschiedenen Kirchen erhalten
geblieben ist.

Wegen ihrer ökumenischen Tragweite legt Sch. besonderes
Gewicht auf die Themen Rechtfertigung (90-100) und Sakramente
(126-165), bei denen alle sieben nach katholischer Zählung
infrage Stehenden auch zur Sprache kommen, mit einem
Schwerpunkt auf Eucharistie und Abendmahl (136-150). Das
Thema Rechtfertigung steht unter der Gesamtüberschrift „Rechtfertigung
allein durch Gnade, allein durch Glauben". In Unterabschnitten
geht es der Reihe nach um solus Christus (9()ff). sola
gratia und sola fide (92ff). Reformatorischer kann man in konzeptioneller
Hinsicht das Thema kaum angehen. Zur sola scriptu-
ra-Problematikäußertsich Sch. in seinem einleitenden Kapitel anhand
der Thesen-Formulierung: „Der Streit .Allein die Schrift -
.Schrift und Tradition' ist weitgehend behoben" (29f). Sch.s
wichtigste Thesen zur Rechtfertigung lauten: „.Gerechtigkeit
Gottes' in Römer 3.26 bedeutet: Gott ist gerecht und macht
gerecht." Das Heil wird dem Menschen geschenkt: Die Rechtfertigung
erfolgt „allein durch Gnade" („sola gratia"). Rechtfertigung
ist Gerechtsprechung. Freispruch durch Gott. Sie bewirkt
im Menschen Gerechtmachung. Erneuerung. Heiligung. (Die
Kern-These!) Der Mensch wird gerechtfertigt „allein durch den
Glauben" („sola fide").....In der Rechtfertigungslehre gibt es keine
trennenden Gegensätze mehr." (1891).

So wird deutlich: Sch. überwindet die frühere lutherischkatholische
Antithese von imputativer und effektiver Gerechtigkeit
in einer ganzheitlichen Interpretation des Rechtfertigungsgeschehens
. Er zitiert dazu nicht nur ausführlich Paulus-Texte,
sondern auch das Augsburger Bekenntnis, aus dem Rechtfertigungs
-Dekret des Konzils von Trient sowie Thomas, Luther
und Barth als wichtigste Kronzeugen. Nicht jeder evangelische
Theologe kennt die zitierte Trient-Passage von 1547:

„Wir werden .ohne Verdienst' gerechtfertigt: So heißt es deshalb, weil
nichts von dem. was der Rechtfertigung vorausgeht, weder Glaube noch
Werke, die Gnade der Rechfertigung verdient. Denn wenn sie Gnade ist.
dann ist sie nicht aus Werken, sonst wäre die Gnade, wie der Apostel sagt,
eben nicht Gnade" (Rö 11,6: DS 1532: Schütte 94).

Sch. läßt es auch nicht an der sich daraus ergebenden, nötigen
Abgrenzung fehlen: „Es ist irrig zu meinen, man könne sein
Heil durch Werke verdienen" (ebd.). So kann Sch. den von der
Deutschen Bischofskonferenz 1985 herausgegebenen offiziellen
katholischen Erwachsenen-Katechismus zustimmend zitieren
, in dem bereits zu lesen steht: „Christliche Existenz ist ganz
und gar verdankte Existenz... In diesem Punkt besteht volle
Übereinstimmung mit den Reformatoren" (aaO. 238, Sch. 94).

Dazu paßt trefflich das zitierte Liedgebet des Reformators Christoph
Fischer von 1568. das sowohl im evangelischen Kirchengesangbuch (Nr.
59) wie im katholischen Gotteslob (Nr. 178) Aufnahme gefunden hat:

„Wir danken dir, Herr Jesu Christ, daß du für uns gestorben bist.

und hast uns durch dein teures Blut, gemacht vor Gott gerecht und gut".

Unterschiedliche Akzentsetz.ungen bleiben durchaus vorhanden
, so wenn Sch. z.B. die Unterthese aufstellt: „Die Rechtfertigung
als Gabe ist Aufgabe." Als evangelischer Theologe würde
man hier anders formulieren, etwa: „Das Rechtfertigungsge-
schehen umfaßt sowohl eine Gabe Gottes als auch eine Aufgabe
des Menschen." Sch. mag denn auch des Guten etwas zuviel
getan haben, wenn er formuliert, daß es in der Rechtfertigungslehre
überhaupt „keine trennenden Gegensätze mehr" (100)
gibt. Ihm ist aber sicherlich zuzustimmen, wenn es um kirchen
n ennende Gegensätze geht. Darin beruft er sich zurecht auf den
Beschluß der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland
vom 12. Januar 1993, der bejaht, daß die beiderseitigen Verwerfungsaussagen
des 16. Jh.s zur Rechtfertigungslehre „nicht
mehr mit kirchentrennender Wirkung den Partner von heute"
treffen (ebd.).

Was mancher Leser dem Verfahren von Sch. zum Vorwurf macht, fast
nur mit Zitaten zu arbeiten, scheint mir durchaus angemessen zu sein. Denn
bei einem „Katechismus" kommt es nicht so sehr auf die Privatmeinung
eines Vf.s an als vielmehr auf den magnus consensus fidelium, den Sch.
durch die Zitate zu belegen weiß. Man kann - und so möchte ich es sehen -
Sch.s Verfahren auch als einen Ausweis gediegener theologischer Kompetenz
und zugleich persönlicher Bescheidenheit verstehen. Seine eigene und
eigentliche Leistung in diesem Buch findet sich komprimiert auf den 10
Thesenseiten des ..Kurzkatechismus".

Das Wahrheitsmoment des genannten Vorwurfs liegt m.E. darin, daß
dem Buch eine gewisse unpersönliche Kühle zu eigen ist. Man kann auch
die Frage stellen, ob Sch. mit dem Anspruch, einen „Ökumenischen Katechismus
" vorzulegen, nicht insofern zu hoch greift, als ein solches Unternehmen
eigentlich nur von mehreren Autoren aus verschiedenen Traditionen
, am besten von einer Gruppe zu bewerkstelligen ist. Das daher in der
inhaltlichen Ausarbeitung Fehlende gleicht Sch. gleichermaßen geschickt
und glanzvoll durch nicht weniger als fünf Empfehlungsschreiben aus. mit
denen er sein Werk zu schmücken weiß.

Folgende fünf illustre Kirchenfürsten empfehlen das Opus
Schuettensium Paderbornense: der griechisch-orthodoxe Metropolit
von Deutsehland und Exarch von Zentraleuropa, Augou-
slinos; der Erzbischof von Paderborn, Dr. Johannes Joachim
Degenhardt: der Landesbischof der Ev.-Lutherischen Kirche in
Bayern, D. Dr. Johannes Hanselmann D.D., der Landessuperintendent
der (reformierten) Lippischen Landeskirche. D. Dr.
Ako Haarbeck und der Präses der Evangelischen (Linierten) Kirche
von Westfalen, D. Hans-Martin Linnemann.

Dem lutherischen wie dem reformierten Kirchenführer ist die von Sch.
dargelegte Übereinstimmung in der Rechtfertigungslehre, dem reformatorischen
articulus stantis et cadentis ecclcsiac. als überraschender und ermutigender
Akzent des Buches aufgefallen. Der orthodoxe Metropolit wie der
katholische Erzbischof unterstreichen je auf ihre Weise die ökumenisch entscheidende
„Gemeinschaft des Glaubens und Bekennens" (8). um die sich
Sch. müht. Lediglich dem Präses der unierten Kriche scheint zu dem Buch
nichts Besonderes ein- und aufgefallen zu sein - ob er es gelesen hat? Meine
Abschlußfrage: Hat ein Buch, das so dezidiert neue Bahnen einschlägt
und in ökumenisches Neuland vorstößt, es nötig, sich mit zahlreichen
(fremden) Federn kirchlicher Autoritäten auszustaffieren? Ich meine, es
spricht für sich selbst.

Köln Hans-Georg Link

Anders. Christoph: Kubas Kirchen in der Krise (JK 56. 1995. 22-27).

Asheim. Ivar: 0kumenisk selvbesinnelse (TTK 65, 1994, 257-266).

Heffa. Pierre: Ecumenism and Libraries: A Commitment to Lively Ecu-
menical Research (ER 46. 1994. 361-367).

Falcke. Heino: Der konziliare Prozeß - bleibende Verpflichtung im
Wandel (ÖR 43. 1994, 415-421).