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Ausgabe:

1995

Spalte:

551-552

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Mennekes, Friedhelm

Titel/Untertitel:

Crucifixus 1995

Rezensent:

Engemann, Wilfried

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 6

552

die Druckfassung der gehaltenen Vorträge und der zusätzlich
erbetenen Beiträge erbracht hat, für die - wenn auch verspätet -
nur ausdrücklich gedankt werden kann.

Leipzig Martin Petzoldt

Mennekes, Friedhelm und Johannes Röhrig: Crucifixus. Das
Kreuz in der Kunst unserer Zeit. Freiburg-Basel-Wien: Herder
1994. 143 S. m. zahlr. z.T. färb. Abb. 4o. Lw. DM 78,-.
ISBN 3-451-23447-5.

Wer sich in dieses Buch vertieft, profitiert davon, daß seine
Verfasser sowohl in der Kunst wie in der Theologie bewandert
sind: Friedhelm Mennekes SJ, Pastoraltheologe und Religionssoziologe
an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St.
Georgen in Frankfurt a.M., hat sich schon seit langem mit zahlreichen
Veröffentlichungen zu Kunst und Religion einen Namen
gemacht; Johannes Röhrig hat sich seinerseits schon mehrfach
zu Themen der Gegenwartskunst geäußert (und unterrichtet
z.Zt. Sprachen und Literatur am Erzbischöflichen Ursuli-
nengymnasium in Köln). Die beiden Autoren haben mit dem
Band „Crucifixus" ein Werk vorgelegt, dessen interessante,
anspruchsvolle Konzeption dem Leser und Betrachter mehrere
Lektüren vorschlägt.

Der vorliegende Band ist erstens eine sorgfältig ausgewählte
und sachkundig kommentierte Dokumentation der Auseinandersetzung
mit Thema und Struktur des Kreuzes in der Kunst
der Gegenwart. Er ist zweitens eine Einführung in das Werk
wichtiger zeitgenössischer Künstler. Und er beteiligt den Leser
bzw. Betrachter drittens an einem jenseits von theologischen
Fachbüchern geführten, höchst aufschlußreichen, wichtigen
Dialog zwischen Theologie und Kunst. So lesen sich denn die
verschiedenen Werk-Repräsentationen bald als detaillierte religionsphilosophische
bzw. -soziologische Miniaturen, bald als
souveräne Beiträge zur Rezeptionsästhetik.

Der Aufbau des Bandes gibt drei Schwerpunkte vor. In einem
ersicii Kapitel werden die wichtigsten Stationen der Darstellung
des Kreuzes in Geschichte und Gegenwart benannt, aus ihrem
Kontext erklärt, z.T. mit Abbildungen dokumentiert und - wenn
es sich anbietet - in ihrer jeweiligen Akzentuierung einander
gegenübergestellt. Obwohl dieser Überblick, gemessen an dem
Stoff, den er zusammenträgt, recht knapp gehalten ist, gelingt es
den Autoren, das Kreuz auch als Ausdruck der jeweiligen religiösen
Grundstimmung der Zeit zu signifizieren, in der es entstanden
ist bzw. für die es steht. Diese Darlegungen, insbesondere
die Beobachtungen hinsichtlich der verschiedenen Funktionen
der Kreuzesdarstellungen, bieten zugleich eine Glaubens
- bzw. Christentumsgeschichte ganz besonderer Art.

Einen zweiten Schwerpunkt bilden die Interviews, die die
Autoren mit den Künstlern geführt haben, deren Kreuzesdarstellungen
sie in diesem Band repräsentieren. Dabei handelt es sich
um Alfred Hrdlicka, Francis Bacon. Antonio Saura, Joseph
Beuys. Markus Lüpertz, Antoni Täpies, Arnulf Rainer-und Edu-
ardo Chillida. Der Reigen der Welkrepräsentationen wird mit
Georg Baselitz eröffnet, mit dem jedoch kein eigenes Interview
geführt wurde; zahlreiche Zitate aus anderen Interviews machen
diesen Mangel wett. Die Interviews wurden offensichtlich von
der Mitte des jeweiligen CEvres her vorbereitet und sind außerordentlich
konzentrierte, rezeptionsästhetisch innovative, theologisch
spannende Texte - und alles andere als Plauderei: Ob
Alfred Hrdlicka unvermittelt sein inkarnatorisches Künstler-Credo
- „Alle Macht in der Kunst geht vom Fleisch aus" - formuliert
(22), ob ein sich mürrisch gebender Francis Bacon sich -
anscheinend aus Versehen - dazu verleiten läßt, den Grund seiner
Illustrationsverweigerung zu nennen (37 f.) oder ob man mit
der Theorie der „gelungenen Unzulänglichkeit" (58) als ästhetischer
Kategorie und dem Programm der Entindividualisierung
des Gekreuzigten (63) in der Kunst Antonio Sauras konfrontiert
wird - in jedem Fall wird man ebenso gründlich informiert wie
zu weiteren Folgerungen und Fragen angeregt.

Dritter Schwerpunkt sind die den Interviews jeweils angefügten
, themenzentrierten Werkpräsentationen. Die Autoren haben
versucht, das Gesamtwerte der Künstler jeweils in eine Gesamtperspektive
zu stellen und dabei die eigene Akzentsetzung der
Werke noch deutlicher herauszuarbeiten. In diese Erläuterungen
sind wichtige Veröffentlichungen zum Werk der Künstler
eingearbeitet worden.

Das Buch ist schließlich auch ein essentieller Beitrag zu der
gegenwärtig unter anderem sowohl in der Rezeptionsästhetik
als auch in der Theologie diskutierten Frage hinsichtlich einer
angemessenen Offenheit und Geschlossenheit bzw. Beliebigkeit
und Eindeutigkeit bei der Produktion und Rezeption von
„Texten" jedweder Art - also auch von Kunstwerken. Die
Autoren und Künstler verdeutlichen eindringlich, daß die Offenheit
eines Werkes (Textes) nicht mit Beliebigkeit gepaart
sein muß - weder mit der Beliebigkeit der Struktur noch der
Interpretation. Aber in dem es durch die Individualität seiner
Gestalt die gewohnheitsmäßige Wahrnehmung - den nicht-verstehenden
Hang zum bloßen Wiedererkennen dessen, was man
schon weiß - entautomatisiert, nötigt es den Betrachter bzw.
Leser zu einer konkreten, seinen eigenen Kontext einbeziehenden
und ihn zugleich erweiternden Interpretation. Die Bedeutung
eines Kunstwerks liegt demzufolge nicht in einem ihm ein
für alle Mal vom Künstler beigegebenen Sinn, sondern das Bedeutungsziel
liegt an einem Ort jenseits des Werkes: Es gewinnt
seine Bedeutung erst, wenn sich im Leben des Betrachters
etwas ereignet - an einem Ort, der dem Autor des Kunstwerkes
selbst nicht zugänglich ist (vgl. dazu besonders die Argumentation
Antoni Täpies 10II.)

Der vorgelegte Band bietet ausgezeichnetes Studien- und Anschauungsmaterial
für alle, die in irgendeiner Weise mit Kunst
und Religion zu tun haben. Wenngleich man dabei zuerst an
Lehrende und Studierende denkt, an Seminare und Gemeindeabende
, hat das Buch gewiß auch eine „musische Komponente"
für jedermann, dem das Beieinander von christlicher Religion
und Kunst eine Selbstverständlichkeit geworden ist.

Münster Wilfried Engemann

Philosophie, Religionsphilosophie

Albrecht. Michael: Eklektik. Eine Begriffsgeschichte mit Hin
weisen auf die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte.
Stuttgart: Frommann 1994. 771 S. gr.8° = Quaestiones, 5.
Lw. DM 230.-.

Verkommene Subjekte haben mitunter die interessantesten Geschichten
. Das weiß man nicht erst, seitdem Thomas Mann den
Verfall einer Familie beschrieb, sondern das konnte an den
Schwundstufen einst klassischer philosophischer Begriffe lange
schon bemerkt werden. Die Trierer Habilitationsschrift von
Michael Albrecht widmet sich einem solchen .heruntergekommenen
Begriff (20) und verbindet mit dem hochgesteckten
wissenschaftlichen Ziel einer „lückenlose(n) Begriffsgeschichte
" (29) zugleich die Absicht. ..das Vergnügen, aus der Geschichte
Neues zu lernen", auch den Lesern zu vermitteln.

Thema ist ein Begriff, der heute meist pejorativ verwendet
wird: für ein wahlloses Zusammenmischen philosophischer
Positionen, für jenen „ekelhaften Mischmasch, an dem sich
schale Köpfe laben" (Kant). Doch ein solches Potpourri, das