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Ausgabe:

1995

Spalte:

547-548

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Bunge, Gabriel

Titel/Untertitel:

Der andere Paraklet 1995

Rezensent:

Döpmann, Hans-Dieter

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 6

548

Bonkhol'f, Bernhard H.: Die Reformation in Kirrberg: Geschichte einer
protestantischen Gemeinde in Aufbruch, Untergang und Neuanfang
(BPfKG 61, 1994. 113-134).

Dienst. Kurl: Die Reformation: Segen oder Last für Europa? (BPfKG 61.
1994. 319-332).

Dingel. Irene: Ablehnung und Aneignung: die Bewertung der Autorität
Martin Luthers in den Auseinandersetzungen um die Konkordienformel
(ZKG 105, 1994,35-57).

Gummelt. Volker: Bugenhagens Tätigkeit an der Wittenberger Universität
(ZKG 105, 1994. 191-201).

Hagemann. Ludwig: Der Islam in Verständnis und Kritik bei Martin
Luther (TThZ 103. 1994. 131-151).

Hahn. Gerhard: Luther als Schriftsteller (BPIKG 61. 1994, 239-251).

Hammann, Gottried: Die ekklesiologisehen Hintergründe zur Bildung
von Bucers ..Christlichen Gemeinschaften" in Straßburg (1546-154X1 (ZKG
105. 1994. 344-360).

Hojlund. AsgerChr.: Ved gaven helbrederhan naturen. Helbredelsestan-
ken i Luthers retftcrdiggOrelsesUere. Arhus: Forlaget Kolon 1992. 352 S.
gr.X" = Menighedsfakultetets Videnskabelige Serie, 4. Kart. DDK 225.-.
ISBN 87-87737-07-8.

Kötter, Kall: Zur Entwicklung der Rechtfertigungslehre Johannes
Bugenhagens 1521-1525 (ZKG 105. 1994, 18-34).

Mentzel-Reuters. Arno: Zwei Tübinger Exemplare der deutschen Loci
theologici mit Autographen von Melanehthon (BWKG 92. 1992. 158-164).

Molitär. Amedeo: Die Waldenser. Geschichte und europäisches Ausmaß
einer Ketzerbewegung. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1993. 456 S. 8° =
Herder Spektrum. 4233. Kart. DM 29.80. ISBN 3-451-04233-9. (Orig.
Ausg. besprochen von E. Peschke 101. 1976. 859).

Rödel. Walter G.: Protestanten und Katholiken im Johanniterorden: Cie-
wissensentseheid und Versorgungsdenken in der Reformationszeit (BPIKG
61, 1994, 253-273).

Schäfer, Anja: Ulrichs von Hutten publizistischer Kampf um die Reform
des Reiches (BPIKG 61. 1994, 279-304).

Seguenny. Andre: La christologie de Caspar von Sehwenekfeld. 1489-
1561 (non aliud sed aliter) (RHPR 74. 1994, 129-152).

Smolinsky. Heribert: Aspekle altgläubiger Theologie im albertinisehen
Sachsen in der Reformationszeit bis 1542 (HerChr 18. 1993/94, 29-43).

Staats. Reinhart: Noch einmal: Luthers Geburtsjahr 1484 (BPfKG 61.
1994. 275-278).

Zschoch. Hellmut: Gehorsamschristentum: die ..göttliche und gründliche
Offenbarung" des Augsburger Täuferführers Jakob Dachser (ZKG 105.
1994.30-45).

- : Bileams Eselinnen. Frauen in der Publizistik der Reformationszeit
(PTh 83. 1994,477-497).

Christliche Kunst und Literatur

Bunge. Gabriel: Der andere Paraklet. Die Ikone der Heiligen
Dreifaltigkeit des Malermönchs Andrej Rubljov. Mit einem
Geleitwort von S. S. Averintsev. Würzburg: Verlag Der
Christliche Osten 1994. 127 S. m. 24 Abb. 4«. Pp. DM 45,80.
ISBN 3-927894-13-3.

P. Gabriel Bunge. Bendiktinermönch im Tessin. bereichert die
bereits zahlreichen Publikationen über die berühmteste, etwa
/.wischen 1422 und 1427 gemalte, russische Ikone mit einer Ausgabe
, die schon in der äußeren Gestaltung und den zumeist farbigen
Abbildungen dieses Werk des russischen Heiligen [kanonisiert
übrigens erst /(AV<S'/ Andrej Rubljov dem Leser veranschaulichen
will. Sein erklärtes ..Ziel ist nicht, das Wissen über die
Ikone Rubljovs zu vermehren, sondern vor allem dem gläubigen
Beter unserer Zeil einen Zugang zu ihrer zeitlosen Botschaft /u
eröffnen". Deshalb verzichtet er auf eine Auseinandersetzung mit
der umfangreichen Sekundärliteratur, will vielmehr zu dem
führen. ..was Sergij von Radonesh nach dem Zeugnis seines Biographen
vor einer Ikone der Heiligen Dreifaltigkeit tat: geisterfülltes
Gebet, verständige Anbetung des unermüdlichen Mysteriums
der Allerheiligsten Dreifaltigkeit", denn die Ikone soll ..über
die Darstellung hinaus zum Dargestellten führen" (9f.).

Der Vf. sieht Rubljovs Ikone als Höhepunkt einer Uber tausendjährigen
ikonographischen Entwicklung, als durchaus traditionell
und doch zugleich einmalig. Da der Maler Rubljov
vermutlich nie ein Werk eines der großen Kirchenväter gelesen
hat, verdeutlicht B. dessen theologisch-spirituelle Frömmigkeitshaltung
anhand des reichen Gebetsschatzes ostkirchlicher
liturgischer Hymnen, verweist dabei besonders auf das tägliche
Stundengebet. In seinen historisch-theologischen und kunsthistorischen
Auslührungen stützt sich der Vf. vor allem auf die
einschlägigen Publikationen von R. M. Mainka. Ludolf Müller.
G. I. Vzdomov, aber auch auf Gedanken von Pavel Florenskij.

Zum Verständnis der Schöpfung Andrej Rubljovs als reifer
Frucht einer bis in die Frühzeit des Christentums hinaufreichenden
theologischen und ikonographischen Entwicklung innerhalb
der ostkirchlichen Tradilion unternimmt es B.. diesen Weg
in großen Linien nachzugehen. In den elf Kapiteln wird der
Leset dabei allmählich zur besprochenen Ikone hingeführt. Im
Kapitel „Urbild und Abbild" geht es um die lebendige Beziehung
, die ..Zwiesprache" des Geistes mit Gott. Allerdings hat es
der theologisch nicht vorgebildete Leser keinesw egs leicht. Begriffe
wie„Verähnlichung",„gleichgestaltig",„vergöttlichen" zu
verstehen. Das Kapitel ..Die ikonographische Tradition" veranschaulicht
die Entwicklung der trinitarisch gedeuteten christlichen
Darstellung der Philoxenia Abrahams (Gen 18) und ilie
daraus entstandenen ikonographischen Typen. Daß der Vf. hierzu
nicht das von Eusebios von Kaisareia beschriebene Bild
zählt, erläutert er in einem abschließenden Exkurs. Das Kapitel
„Die theologische Deutung" behandelt die drei Ansätze: ange-
lologisch, christologisch, trinitarisch.

„Diese komplexe und ikonographische Vorgeschichte war
Andrej Rubljov natürlich weder bekannt noch bewußt gegen
wattig" (61). Wohl aber kennzeichnete all dies die für den
Maler prägend gewordene Spiritualität, die der Vf. in den folgenden
Kapiteln darlegt: die Frömmigkeit des .Sergij von Radonesh
, die von Nikon errichteten Klosterkirchen, die Geisteswell
des palamitischen Hesychasmus. Um den gottesdienstlichen Ort
der Dreifaltigkeitsikone als Festtagsikone von Pfingsten zu erläutern
, wird auf den orthodoxen Kirchenbau und dessen
Ostung, die Feier der Göttlichen Liturgie als Abbild und Konze-
lebration des Menschen mit den himmlischen Mächten eingegangen
. Danach folgen die auf all dem aulhauenden Darlegungen
zu Rubljovs Ikone: das Kompositionsschema, die beabsichtigte
Aussage der Ikone als der allein darstellbaren „ökonomischen
Dreifaltigkeit", ihres Seins „für uns" (95). „Die Troiza
Rubljovs, deren theologischer Raum ja die Pentekoste ist. läßt
sich... als eine Bildwerdung der johanneischen Abschiedsreden
Jesu »lesen«, die gänzlich von dem sich nun offenbarenden
Geheimnis des dreifaltig-einen Gott durchdrungen sind" (105).

Die in reichem Maße wiedergegebenen, vor allem trinitäts-
theologischen Hymnen könnten für die geistliche Betrachtung
noch besser genutzt werden, wenn ihr liturgischer Ort in den
Gottesdiensten des Kirchenjahres angegeben würde. Viele der
erwähnten Namen setzen beim Leser Fachkenntnisse voraus. Es
überrascht, daß für den Altarraum nur der Vergegenwärtigung
lies Kreuzesopfers, nicht aber zugleich der Auferstehung und
der Geistausgießung gedacht, das Öffnen der Ikonostastüren als
Zeichen, daß durch Christi Auferstehung der Zugang zum Paradies
ollen ist. nur auf Ostern bezogen wird, obwohl all dies den
Vollzug der Göttlichen Liturgie im gesamten Kirchenjahr prägt.
Schließlich sei gefragt, ob der theologisch kaum gebildete
Maler Rubljov nicht wenigstens Kenntnis vom damals in Rußland
existierenden - im Buch unerwähnten - Typ der „neutesla-
mentlichen Trinität". der sog. „Vaterschaft", haben konnte'.'
Obwohl der Fachmann auch weiteres hinterfragen möchte, wird
dieses Buch sicher vielen Lesern einen geistlichen Zugang zur
Begegnung mit Rubljovs Dreifaltigkeits-Ikone ermöglichen.

Berlin Hans-Dieter Döpmann