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Ausgabe:

1995

Spalte:

467-468

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Gremels, Georg

Titel/Untertitel:

Die Trinitätslehre Johann August Urlspergers 1995

Rezensent:

Brändle, Werner

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467

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5

468

beiträgt, Ebelings Dogmatik besser zu verstehen. Allerdings
bestärkt sie letzten Endes die Ansicht, daß der chronisch unter-
bestimmte Begriff der Erfahrung nur bedingt tauglich ist, die
Grundkonstituentien des christlichen Glaubens zum Ausdruck
zu bringen.

Burgdorf Elans Martin Müller

Gremels, Georg: Die Trinitätslehre Johann A. Urlspergers,
dargestellt nach seiner Schrift „Kurzgefaßtes System".

Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1993.
223 S. 80. Kart. DM 59,-. ISBN 3-631-46229-8.

1. Das derzeit zunehmende Interesse der Systematischen Theologie
an der Trinitätslehre zeigt, daß die christliche Theologie
sich nicht nur in einer apologetischen Situation befindet, sondern
nach wie vor auch nach einer systematischen bzw. wissenschaftlich
überzeugenden Begründung ihrer Rede vom heilvollen
Handeln Gottes sucht.

In der Krise der zweiten Hälfte des 18. Jh.s, als sich durch die
Arbeit der Neologen Semler, Spalding, Töllner u.a. die dogmatische
Arbeit von der beginnenden historischen Erforschung der
Heiligen Schrift zu trennen begann, versuchte J. A. Urlsperger
(U.) in mühevoller Arbeit, beide Disziplinen durch seine biblisch
-theologische Begründung der Trinitätslehre sowohl zusammenzuhalten
als auch die Wahrheit „vom dreyeinigen Wesen
Gottes und der Offenbarung desselbigen" zu verifizieren.

2. Es ist deshalb sehr verdienstvoll, daß - wie Paul Wemle
schon 1925 feststellte - zu diesem .unzeitgemäßen Theologen im
Übergang' in unserer Zeit die Dissertation von G. Gremels (von
der Hamburger Fakultät 1992 angenommen) vorgelegt wurde:
denn die heute vielfach umstrittene Unterscheidung zwischen
Wesens- und Offenbarungs- bzw. zwischen immanenter und
ökumenischer Trinität Gottes (man vgl. nur die Arbeiten von K.
Rahner, J. Moltmann, W. Pannenberg) verdient es, in ihrer theo-
logie- und philosophiegeschichtlichen Entwicklung nachgezeichnet
zu werden. Und um es vorweg zu sagen: G. gelingt es auch
eindrucksvoll, die Notwendigkeit dieser Unterscheidung anhand
der Bemühungen U.s deutlich zu machen; ebenso werden aber
auch - durch dessen verengtes Schriftverständnis und seiner
mangelnden philosophischen Begrifflichkeit bedingt - die Grenzen
und Mängel von U.s Trinitätslehre herausgearbeitet.

3. G. geht in seiner Arbeit so vor, daß er nach einem kurzen
Eingangskapitel das Leben bzw. - und man kann berechtigterweise
sagen - das Schicksal U.s darstellt, denn dessen jahrelange
Bemühungen um die Trinitätslehre als auch die Gründung
der Deutschen Christentumsgesellschaft (1780) brachten U. wenig
Anerkennung ein. In einem 2. Kapitel wird dann U.s theologisches
System der Unterscheidung zwischen Wesens- und
Offenbarungstrinität als Versuch einer biblischen Theologie in
Abgrenzung zur altprotestantischen Orthodoxie und der aufkommenden
Neologie nachgezeichnet. Das Verhältnis zwischen
Vater und Sohn begründet nach U. notwendigerweise die
Unterscheidung: „Auf Grund ihres Seins sind Vater und Sohn
gleich; auf Grund ihres Verhältnisses ist der Sohn dem Vater
untergeordnet. Nun bedarf es lediglich des einfachen Schlusses
vom menschlichen auf das göttliche Vater-Sohn-Verhältnis".
(95) Daß bei dieser getroffenen Unterscheidung auch die zeitgenössische
der Leibniz-Wolffschen Kategorien eine Rolle
spielte (Vernunft- und Tatsachenwahrheit), wird von G. durchaus
gesehen und betont. Im 3. Kapitel geht G. dann den Bemühungen
U.s nach, wie die Offenbarungstrinität bzw. wie eine
„vernünftige und biblische Vermittlung zwischen Gott und
Welt" (105) von U. gedacht wurde. G. kommt nach gründlicher
Recherche zum Ergebnis: „An dem Begriff der .eingeschränkten
Ewigkeit' hebt sich U.s so einleuchtend gedachte Vermittlung
wider erklärte Absicht auf. Es entsteht dadurch eine dritte
Wirklichkeit jenseits der beiden zu vermittelnden, die ihrerseits
wiederum vermittelt werden und so zu einer unendlichen Kette
von Vermittlungen führen müßten." (126)

Daß erst an dieser Stelle vom Heiligen Geiste als der dritten
Person der Offenbarungstrinität die Rede ist, zeigt die damalige
wie auch noch heute übliche Vernachlässigung pneumatologi-
scher Überlegungen; interessant sind die Ausführungen zum
Verständnis des ,H1. Geistes als Mutter' bei U.

Spannend zu lesen sind im 4. Kapitel die Darstellung der
Versuche U.s, die Wesenstrinität durch Rückschlußverfahren
von der Offenbarungstrinität her zu gewinnen und dabei nicht
in die Fänge der aristotelischen Substanzmetaphysik zu geraten.
G. beurteilt folgendermaßen: „U. versucht mit großer Intensität
mittels zahlreicher Erläuterungen, das rational eingeengte Verständnis
eines Geistes zu überwinden. U. verläßt den auf die
aristotelischen Bestimmungen zurückgehenden einlachen Substanzbegriff
mit seiner Neubestimmung des Geistes als ,gedrit-
tes unauflösliches Band'. ... In dieser Neubestimmung des Geistes
liegt die eigentlich schöpferische Leistung seines Systems.
Er weist damit die Bestimmung des Geistes als .Verstand und
Wille', d.h. dessen Bestimmung als einfaches, in sich undifferenziertes
Eines zurück. ... Allerdings hat U. trotz dieser Erfolge
seine neue Wesensbestimmung Gottes nicht konsequent durchgehalten
. Immer wieder vermischt er sie mit der von ihm für das
Wesen als unzureichend erkannten traditionellen Begrifflichkeit
." (167).

4. Was die Arbeit G.s auszeichnet, ist das sachgemäße Referat
der theologischen Überlegungen U.s; damit wird auch für
die Gegenwart die Notwendigkeit und Wahrheil der Trinitätslehre
als theologische Methode deutlich; gerade das bedingte
und bestimmte Scheitern von U. ist lehrreich. Es ist verständlich
, daß G. nur ganz am Rande auf die heutigen Trinitätslehren
von K. Barth und W. Pannenberg eingeht. Was auch die Lektüre
teilweise erschwert, ist der Versuch G.s. die verschiedenen
Fassungen U.s und die zeitgenössischen Kritiken miteinander
darzustellen. Leider fehlt auch ein ausführlicher Hinweis einer
Rezeption U.s durch Hegel - U.s Neubestimmung des Geistes
lädt dazu gerade ein. Trotz dieser kleinen kritischen Anmerkungen
: Wer die Schwierigkeiten und die Notwendigkeit trinitäts-
theologischen Denkens heute verstehen will, sollte die Dissertation
von G. unbedingt lesen, zumal die vielen informativen
Belege aus U.s Kurzgefaßtem System von 1777 ihm dessen
Lektüre fast ersparen.

Hildeshciin Werner Brändle

Müller-Fahrenholz, Geiko: Erwecke die Welt. Unser Glaube
an Gottes Geist in dieser bedrohten Zeit. Gütersloh: Kaiser:
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1993. 276 S. 8». Kart.
DM 68,-. ISBN 3-579-01941-4.

Das Buch nimmt seinen Ausgang bei drei Thesen:

1. Die Menschheit ist jetzt in bisher beispielloser Weise „zum
Subjekt ihrer möglichen Selbstzerstörung geworden" (8).

2. Eigentliche Aufgabe theologischer Lehre und kirchlicher
Praxis ist es, ihre „Verantwortung vor diesem apokalyptisch
anmutenden Gefahrenkomplex wahrzunehmen" (ib.).

3. Die Komplexität und Gefährlichkeit der heutigen Welt bildet
in der seelischen Verfassung der Menschen „ein vielschichtiges
Syndrom von Erschöpfung und Verweigerung" (ib.).

Solcher äußeren Gefahr und inneren Not gegenüber glaubt
der Vf. an Gottes Geist (vgl. den Untertitel), sieht er große Verheißung
für die Anrufung dieses Geistes, so daß Widerstand
gegen das Unheil „und eine unbeugsame Freude am Leben"
erweckt werden (ib.).