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Ausgabe:

1995

Spalte:

27-29

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fuchs, Gisela

Titel/Untertitel:

Mythos und Hiobdichtung 1995

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. I

2X

gen. (Der Tempel Salomos will nach lKön 8,13 nichts anderes
als eine solche Wohnung Gottes sein). Die vermutete Auseinandersetzung
zwischen David und Gott ist aber die entscheidende
Stütze für die Bestimmung der rhetorischen Situation. Aus ihr
resultiert die Vorstellung, daß David mit seinem Tod nach V.12
aus der an ihn gerichteten Verheißung ausgeschlossen ist sowie
die Bewertung des Gebets als Zeugnis eines trickreichen und
unverbesserlichen Taktikers. Daß gerade die Stellen, die für E.
das Königtum (Salomos) am deutlichsten an den sinaitischen
Bundesgehorsam binden, ein makelloses Bild Davids zeichnen,
wird dabei übersehen (vgl. lKön 3,14; 9,4).

Die Ununterscheidbarkeit von konditionierter und nichtkonditionierter
Zusage, die der Vf. als Ergebnis präsentiert, hat er
methodisch von vornherein bereits mit der Annahme präjudiziell
, daß jede Verheißung auch Verpflichtung und Gehorsam
beinhaltet. Auf diese Weise vermag er sowohl in den geschichtlichen
Rückblicken wie in den reinen Gnadenzusagen an David
immer (wenn auch oft mit Hilfe des Zauberwortes "implicit")
die Verpflichtung auf den Bundesgehorsam betonen.

Uberhaupt konzentrieren sich E.s Bemühungen vor allem
darauf, Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit (nicht nur) am
Gesamttext von 2Sam 7 aufzuweisen. Die Vielfalt der Stimmen
, die Disparatheit der in 2Sam 7 kombinierten Inhalte, die
für manche Reiz und Reichtum dieses komplexen Kapitels ausmachen
, und die ein eindringliches "Close Reading" allemal
rechtfertigen, existieren für E. nicht. Wohin er auch hört, überall
hört er nur die eine Stimme jenes unwandelbaren Gottes, der
am Sinai genauso gesprochen hat wie er zu David, Salomo und
zu allen andern redet. Daß auch diese Stimme in einer „rhetorischen
Analyse" noch nicht die Stimme Gottes selbst sein kann,
sondern zunächst allein für den "Point of View" einer in Israel
gewiß einflußreichen theologischen Verfassergruppe in Anschlag
gebracht werden kann, die (ihren) Gott hier reden läßt,
wäre von E. im Rahmen seines rhetorisch-kritischen Ansatzes
genauer zu reflektieren.

Bern Thomas Naumann

Fuchs. Gisela: Mythos und Hiobdichtung. Aufnahme und
Umdeutung altorientalischer Vorstellungen. Stuttgart-Berlin-
Köln: Kohlhammer 1993. 319 S. gr.80. ISBN 3-17-012498-6.

Vorliegende Arbeit stellt die Druckfassung einer im Jahre 1992
von der Ev.-Theol. Fakultät der Universität Bonn angenommenen
Dissertation dar. die unter der Betreuung von W. H. Schmidt
stand. Ihr Interesse gilt der Herausarbeitung antiker mythischer
Vorstellungen, deren sich die Hiobdichtung bei ihrer Darlegung
theologisch-anthropologischer Grundprobleme bedient.

Nach einer Einleitung (11-28), in welcher die Vfn. zu „Ziel
und Grenzen" ihrer Untersuchung Stellung nimmt, folgt unter
„A. Allgemeiner Teil: Zur Grundstruktur altorientalischer Cha-
oskampfversionen" (29-64) die Durchsicht des antiken Materials
anhand von fünf exemplarisch herausgestellten Texten aus
dem mesopotamischen, kanaanäischen (ugaritischen), hurri-
tisch-hethitischen, griechischen (Hesiod) und mandäischen
Kulturkreis. Bei aller Differenzierung wird versucht, ein Grundschema
der Chaoskampf-Mythologie sichtbar werden zu lassen.
Hier ist auch noch eine Verhältnisbestimmung von ,Chaoskampf
und alttestamentlichem Glauben' (A.6.3., 62ff.) untergebracht
, in welcher die Spezifik der alttestamentlichen Theologie
und Anthropologie gegenüber den Gottes-, Menschen- und
Weltbildern der antiken Mythen bewußt gemacht wird.

Der Hauptakzent der Monographie liegt auf den Untersuchungen
von „B. Exegetischer Teil: Bilder vom Chaoskampf in
der Hiobdichtung" (65-264). In sechs Unterkapiteln, die in sich
weiter untergliedert sind, befaßt sich die Autorin gesondert mit

Elementen des Chaoskampfmythos in den Hiobklagen, den
Freundesreden, der Herausforderung Gottes durch Hiob, den
beiden Gottesreden und bemüht sich darum, im dritten Redegang
Spuren eines Himmelskampfes aufzuweisen. Dabei unternimmt
es die Vfn., verschiedene Typen des Chaoskampfes herauszuarbeiten
. Es wird ferner festgestellt, daß in der Auseinandersetzung
zwischen Hiob und Gott und zwischen den Freunden
und Hiob das Chaos zunächst als durch Gott und dann als
durch Hiob repräsentiert vorgestellt ist.

Auch wenn nach den exegetischen Analysen der Autorin das
Mythologem des Chaoskampfes im Überlieferungsbestand des
Hiobbuches besonders häufig Verwendung gefunden hat, darf
nicht übersehen werden, daß auch andere mythische Motive
verarbeitet worden sind. Diesem Sachverhalt widmet sich der
Teil „C. Weltenbaum und Chaoskampf - zur Traditionsmischung
in Hiobdichtung und Altem Testament" (265-282). An
sich war davon schon unter B. IV. 1 (141) die Rede. Die Vfn.
sieht in der Aufnahme von Assoziationen aus anderen mythischen
Zusammenhängen keine Überlagerung der Chaoskampfthematik
, sondern eher eine „Umkehrung mythischer Intentionen
", wie etwa die Positivbesetzung des Mythos vom Weltenbaum
in eine Negativaussage. Die Schlüssigkeit der Gedankenführung
ist gerade in diesem Abschnitt der Arbeit nicht immer
gegeben.

Den Beschluß der Studie bilden die Ausführungen zum „Ertrag
: Die Bedeutung des Mythos vom Chaoskampf für die
Hiobdichtung" (283-295). Überraschenderweise fügt die Autorin
der Markierung von Ergebnissen hier noch Reflexionen zu
Verständnis und Definition des Mythosbegriftes an, die ihren
sinnvollen Ort eigentlich in der Einleitung gehabt hätten. Der
Leser wird dankbar sein für das ausführliche Literaturverzeichnis
sowie für Stellenregister zu verschiedenen Quellen-Corpora
(297-319).

Frau F. hat an der vorgestellten Thematik sehr engagiert gearbeitet
und sich in der einschlägigen Literatur gründlich umgesehen
. Sie vermag deutlich zu machen, daß sich in der Hiobdichtung
zahlreiche Rückgriffe auf mythische Aussageelemente
nachweisen lassen, die vornehmlich dem Chaoskampfmythos
sowohl des orientalischen als auch des klassischen Altertums
entlehnt sind. Man muß sich freilich darüber im klaren sein, daß
immer nur einzelne Topoi des vorausgesetzten ursprünglichen
Mythos übernommen worden sind, mit denen der Hiobdichter
bestimmte Grundsachverhalte zum Ausdruck bringen wollte.
Wichtig ist zu berücksichtigen, daß die mythischen Redewendungen
zuweilen bereits in einer großen Entfernung zum
Mythos stehen und Spuren eines längeren Gebrauchs erkennen
lassen. Sie gehören zum Gefäß der Rede, der Inhalt ist kein
Mythos - e.s sei denn, man hielte schon jede Darstellung einer
gott-menschlichen Interaktion für Mythologie. Die Vfn. hat im
Überschwang der Entdeckerfreude vielleicht allzu viele farbig
und bildhaft gezeichnete Einzelstellen im Lichte des Mythos
gesehen. Es ist wohl nicht strittig, daß das Hiobbuch der Weisheitsliteratur
zuzuordnen ist. So wären Erwägungen darüber
anzustellen, wie sich Mythos und Weisheit zueinander verhalten
. Liegt eine Sapientialisierung von Mythos vor oder eine
Mythisierung von Weisheit?

Auf alle Fälle bleibt es eine dringliche Aufgabe, sich um die
Erfassung des Sinnes mythischer Redeweise zu mühen, vor
allem, wenn erkannt und zugestanden wird, daß alttestamentli-
che Autoren, so auch der Hiobdichter, letztlich entmythisieren
und eine in der konkreten Geschichte gründende theologische
Aussage machen wollen. Das Verdienst der vorliegenden Arbeit
besteht darin, deutlicher ins Bewußtsein gerückt zu haben,
wieviele Redefiguren innerhalb der Überlieferungen des Hiobbuches
mythischem Denken, vornehmlich dem des Chaoskampfmythos
, entnommen sind. Die Vfn. hat weiterhin zu zeigen
vermocht, daß sich verschiedene bislang dunkel gebliebene