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Ausgabe:

1995

Spalte:

445-447

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Bergjan, Silke-Petra

Titel/Untertitel:

Theodoret von Cyrus und der Neunizänismus 1995

Rezensent:

Ziebritzki, Henning

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5

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vorgelegt worden, der sich auf nur ein einziges Manuskript
stützte (101). Diese Editio princeps wurde 1627 in Paris übernommen
von L Piscator. der eine Anzahl von Fehlern korrigierte
(103). Für Jahrhunderte grundlegend wurde 1698 die Ausgabe
des Mariners Bernard de Fontfaucon, dem freilich auch nur
relativ wenige Manuskripte vorlagen (104). Seine Edition bildete
aber einen Fortschritt; sie wurde übernommen von Migne in
der Patrologia Graeca 26, 1857, 835-976. Auf diesen Text war
man bisher angewiesen. Der Hg. Bartelink war schon 1979 von
Claude Mondesert, dem damaligen Direktor der Sources Chreti-
ennes, mit der Erarbeitung einer modernen Edition beauftragt
worden. Nach 10 Jahren Arbeit entschied sich B. für eine Konzentration
auf etwa 50 Texte aus der übergroßen Zahl von 165
Manuskripten, die er vorstellt (77-95).

Am Anfang der Einführung steht ein Kapitel Uber den Autor
Athanasius und sein Werk, das den Forschungsstand bietet.
Neuere Thesen und ihre Widerlegung werden skizziert: So hatte
z.B. R. Draguet 1980 der syrischen Fassung der Vita Antonii
die größte Bedeutung zugemessen. T. D. Barnes hatte 1986 dieser
Sicht mit Modifikationen zugestimmt; Luise Abramowski
(1988) und Rudolf Lorenz (1989) hatten überzeugende Gegengründe
dargelegt (32-34). Möglicherweise hat Athanasius Teile
der Vita Antonii schon fertig von seinem Freund Serapion von
Thmuis übernommen (nach M. Tetz, 34f.). Aber auch auf ältere
Forscher wird noch eingegangen (z.B. K. Heussi, 67). Nützlich
ist eine Liste ..Testimonia", die die Erwähnungen der Vita
Antonii bei anderen Kirchenvätern aufzählt, beginnend mit
Hieronymus und Gregor von Nazianz über Augustin. Rufin u.a.
bis hin zu Johannes von Damaskus (37-42). Biblische Einflüsse
werden aufgewiesen, die Forderungen der Bergpredigt werden
zitiert, daneben sind jedoch vor allem die Gottesmänner des
Alten Testaments als Vorbilder wichtig (48-52). Aber auch der
Teufel und Dämonen spielten bekanntlich bei Antonius eine
Rolle (54-56); das gilt gerade auch für die Geschichte der
Kunst: Hieronymus Bosch. Tintoretto, Matthias Grünewald
(76). Antonius wurde von Athanasius als ein Verteidiger der
Kirche gegen Häretiker und Schismatiker dargestellt, doch
bleibt umstritten, welches Ausmaß seine Stellung gegen die
Arianer gehabt hat (59); unumstritten ist seine Stellung als
Vater der Mönche (61 f.).

Die Vita Antonii wirkte nach u.a. in der Vita Martini, der
Vita Pachomii, der Historia Lausiaca (68f.). Schließlich beeindrucken
die alten Übersetzungen in die lateinische, syrische,
koptische und slawische Sprache (95-101). Text und Übersetzung
füllen die Seiten 124-377: am Rande stehen die Seitenzahlen
in der alten Migne-Ausgabe. Der Reihe Sources Chretiennes
darf man allgemein gratulieren zum Erscheinen ihres 400. Bandes
und ebenso auch ganz speziell zur Qualität dieses Bandes.

Rostock Gert Haendler

Bergjan. Silke-Petra: Theodoret von Cyrus und der Neuni-
zänismus. Aspekte der Altkirchlichen Trinitätslehre. Berlin-
New York: de Gruyter 1994. X, 246 S. gr.80 = Arbeiten zur
Kirchengeschichte, 60. Lw. DM 148,-. ISBN 3-11-013955-3.

Da das Forschungsinteresse an Theodoret von Cyrus bislang
primär dessen Christologie galt, erschließt diese Münchener
Dissertation einen unbearbeiteten Gegenstand der altkirchlichen
Theologiegeschichte. Wie der Titel der Arbeit anzeigt, stellt
Theodorets Verhältnis zum Neunizänismus das sachliche Leitmotiv
der Untersuchung dar. Mit dem Begriff „neunizänisch"
möchte die Vfn. das Phänomen bezeichnet wissen, daß im vierten
und fünften Jh. eine Interpretationstradition des Nizänums
vorliegt, die von den drei Kappadokiern wirkmächtig entfaltet
und auf der Basis von deren Ausführungen von späteren, sog.

nach-kappadokischen Theologen fortgeführt wird (2-4). Inhaltlich
definiert die Vfn. den Begriff des Neunizänismus durch
zwei „Grundkonstanten", nämlich erstens die Differenzierung
von Ousie und Hypostase und zweitens die damit gewonnene
„Möglichkeit, die Hypostasen nicht mehr subordinatianisch zu
verstehen" (31). Vor diesem Hintergrund verfolgt die Untersuchung
das Ziel, Theodorets Trinitätslehre als die traditionsgeschichtlich
spätere Variante einer neunizänischen Theologie zu
interpretieren, die durch ihren Bezug auf die Theologie der
Kappadokier verständlich wird (4; 33; 150).

Im ersten Kapitel „Antiochien. Historische Grundlegung" (5-
33) wird zum einen das monastische Milieu als der gemeinsame
kirchlich-soziale Hintergrund der antiochenischen Theologie
herausgearbeitet (5-14), zum anderen wird gezeigt, daß mit der
Präsenz eustathianischer und meletianischer Traditionen „das
Grundproblem der neunizänischen Theologie ... in Antiochien
in besonderem Maße gestellt" sei (14-33; 33). Ein zweites
Kapitel „Kontinuität und Entwicklung in der kappadokischen
Trinitätslehre" (34-104) stellt nacheinander die Trinitätslehren
von Basilius von Caesarea (34-58), Gregor von Nazianz (58-79)
und Gregor von Nyssa (79-104) dar; die Vfn. zeigt in subtiler
Argumentation, wie die Kappadokier in jeweils verschiedenen
theologischen Frontstellungen und in kritischer Aneignung von
Positionen zeitgenössischer Philosophie auf jeweils besondere
Weise das neunizänische Grundproblem der Vermittlung von
Hypostasenmodell und Einheitskonzeption zu lösen versuchen
(58f). Gegenüber dem trinitarischen Entwurf des Basilius, der
in „Geschlossenheit die Aspekte von Einheit und Differenz
umfaßt" (211), verlagere sich das trinitarische Thema bei Gregor
von Nazianz und Gregor von Nyssa auf das Thema der Einheit
Gottes (581).

Das dritte Kapitel „Die Gestalt der Trinitätslehre nach Theodoret
von Cyrus" (105-171) bildet den inhaltlichen Schwerpunkt
der Untersuchung. Nach einer kurzen Sichtung der Forschung
zu Theodoret (105-111) erfolgt hier die Darstellung
seiner Trinitätslehre (111-146) sowie deren Interpretation als
..Beispiel der Rezeption des Neunizänismus im 5. Jahrhundert"
(147-171). Die Vfn. beurteilt einleitend das „Grundproblem"
(1 I 1-117) so, daß ein „einheitlicher Entwurf der Trinitätslehre"
(112) bei Theodoret nicht vorliege, sondern daß er „unterschiedliche
Ansätze in der Darstellung des trinitarischen Gegenstandes
" (116) verwende, und zwar im wesentlichen vier.
Implizit axiomatisch sei erstens die in Exp. 4-7 exemplarisch
ausformulierte Unterscheidung von Geschaffen und Ungeschaffen
, mit der sowohl die Gemeinsamkeit der göttlichen Bestimmungen
wie auch das ungeschiedene Sein von Vater und Sohn
begründet werde (117-123). Zweitens werde durch die „Ableitung
des Sohnes aus dem Vater" (123) deren Wesenseinheit in
einer Weise begründet, die zur Auflösung der individuellen
Subsistcnz der Hypostasen tendiere; in diesem Zusammenhang
diagnostiziert die Vfn. eiflen plotinischen Einfluß durch das
Theorem von der Zeugung des Nous durch das erste Eine (123-
128; bes. 1261.) Drittens verwende Theodoret mit der Unterscheidung
von Ousie und Hypostase das neunizänische Modell,
das sowohl die individuelle Subsistenz der Personen wie auch
deren identisches göttliches Wesen auszusagen vermöge (128-
133). Viertens schließlich sei Theodoret, wie in der Auseinan-
derstezung mit Cyrill von Alexandrien deutlich werde, an der
Begründung der Gottheit des Geistes gelegen; Theodoret rechne
den Geist innerhalb des Gegensatzes von Ungeschaffen und
Geschaffen zur Gottheit hinzu, ohne in diesem Zusammenhang
allerdings das Problem seiner individuellen Subsistenz zu lösen
(133-143). In ihrer abschließenden Wertung (143-146) hebt die
Vfn. das Hypostasenmodell als den neuralgischen Punkt der
Trinitätslehre hervor. Im Unterschied zum darstellenden Teil
(vgl. 1311.) wird vom Hypostasenmodell als ganzem nun geurteilt
, daß es im Zusammenhang der Einheit begründenden Aus-