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Ausgabe:

1995

Spalte:

439-441

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Estrada-Barbier, Bernardo

Titel/Untertitel:

El sembrador 1995

Rezensent:

Stenschke, Christoph W.

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5

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mane (Mk 14,35f: 42-46); wie schließlich auch die „schwierigste
Frage", wie man zu Gott beten kann auch in Situationen
eines offensichtlichen Sieges der widergöttlichen Mächte (vor
allem: „nach Auschwitz", 174-179). Hier bewährt sich für C.
erneut die Spannung zwischen dem „Schon jetzt" der Heilsverwirklichung
in Tod und Auferstehung Christi und dem „Noch
nicht" der ausstehenden endzeitlichen Heilserfüllung (175): Wir
dürfen zwar davon ausgehen, daß Gottes Liebe, die in Jesus
erschienen ist, alle ihr widerstreitenden Mächte endgültig besiegen
wird. Aber wir müssen zugleich erkennen und in geistlicher
Nüchternheit ernstnehmen, daß diese in der gegenwärtigen
„Zwischenzeit" noch durchaus wirksam sind, und Gott sie manche
,Etappen'-Siege erringen läßt, ohne uns erkennen zu lassen,
warum und wozu. Das Gebet zu Gott auch angesichts dieser
Widrigkeiten hat so den Charakter unseres Teilnehmens an
Gottes Kampf gegen das Böse: „Wir gehen fast über das Menschenmögliche
hinaus, wenn wir auch in sein Handeln in seinem
Kampf gegen das Böse eintreten. Das geschieht, wenn
wir... für die Besiegung des Bösen beten." So dürfen wir „die
Aussage wagen, daß wir durch unsere Gebete zu Gottes Helfern
im Kampf gegen das Böse werden. Alle individuellen und kollektiven
Gebete für den Frieden gehören hierher" (179).

Angesichts solcher Dimensionen beschränke ich mich auf
zwei Rückfragen an den hochverehrten Autor: 1) Ist die zentrale
Bedeutung, die in den Schlußthesen (180f) (unter Nr. 2!) der
Fürbitte zukommt: als „Eintreten in seine (Gottes!) Liebe"
(180), im exegetischen Hauptteil angemessen herausgearbeitet
und gewichtet? Gehört doch die ständige Fürbitte des Paulus für
seine Gemeinden zu den zentralen Aufgaben des Apostels, und
gewinnt entsprechend umgekehrt die ständige Fürbitte seiner
Gemeinden für den Apostel eine grundsätzliche, gottesdienstliche
ekklesiologische Bedeutung (zu 107-111).

Und 2) Tritt nicht - besonders bei Paulus - neben die ständige
Fürbitte der entsprechende Für-Dank? Und hat beides nicht
heute eine gewichtige aktuelle Bedeutung für die Entwicklung
einer ökumenischen Gotteslehre und Ekklesiologie - gerade der
evangelischen Kirche? Immerhin ist Oscar Cullmann auch einer
der großen ökumenischen Theologen der evangelischen Kirche!

Weißenhaus Ulrich Wilckens

Estrada-Barbier, Bernardo: El Sembrador: Perspectivas filolö-
gico-hermeneuticas de una paräbola. Salamanca: Publica-
ciones Universidad Pontificia de Salamanca 1994. 250 S. 8° -
Bibliotheca Salamanticensis Estüdios, 165. Pts. 2500. ISBN
84-7299-328-0.

Der aus Kolumbien stammende und am Departamento de Sag-
rada Escritura del Ateneo Romano de la Santa Cruz lehrende B.
Estrada-Barbier hat mit vorliegender Arbeit eine gründliche,
stark philologisch und forschungsgeschichtlich orientierte Studie
zum Gleichnis des Sämanns in der synoptischen Tradition
vorgelegt. Doch holt E. in vier Teilen etwa gleichen Umfangs
weiter aus. Im ersten Teil (1-40) bespricht E. den Maschal im
Alten Testament, der LXX, in frühjüdischer und rabbinischer
Literatur als Grundlage der neutestamentlichen Gleichnisse.
Abschließend diskutiert er deren Verhältnis zum NT. Zu E.s
Hauptgesprächspartnern gehört hier B. Gerhardsson. Ein zweiter
Teil (41-86) behandelt die neutestamentlichen Gleichnisse:
Gleichnis und Parabel, Parabel im NT (u.a. Wortstudie zu para-
bolhv) und die Auslegung der Gleichnisse. Beide Teile bieten
einen guten Forschungsüberblick, in dem E. verschiedene Positionen
anhand ihrer Hauptvertreter darstellt (z.B. A. Jülicher
und P. Fiebig). E. ist mit den Auslegern der letzten hundert Jahre
im Gespräch. Hilfreich ist, daß neben gängigen und weniger
bekannten deutschen, englischen und französischen Werken

auch die uns weniger geläufigen italienischen (gerade die Beiträge
V. Fuscos) und spanischen Arbeiten berücksichtigt werden
, die oft in knappen Zusammenfassungen mit einfließen.
Neben dem abgedeckten Zeitraum und beneidenswerter sprachlicher
Vielseitigkeit besticht E. durch seine Ausgewogenheit,
mit der er neben kritischeren auch konservativere Studien (z.B.
D. Wenham, C. L. Blomberg) beleuchtet. Nicht immer wird in
dieser Art der Darstellung klar, ob E. eine der gebotenen Positionen
selbst vertritt. Methodisch geht E. redaktionsgeschichtlich
auf der Grundlage der Mk-Version vor, doch werden auch
andere Möglichkeiten erörtert. In einer Studie, deren Titel
einem Gleichnis gewidmet ist, würde ich größere Berücksichtigung
auch neuerer methodischer Zugänge erwarten.

Die zweite Hälfte des Werkes ist - aufgrund seiner Bedeutung
als einziges Gleichnis, das mit seiner Auslegung von allen
Synoptikern überliefert ist - dem Gleichnis vom Sämann gewidmet
. Der dritte Teil „El Capitulo de las paräbolas" (87-1 16)
umreißt den Zusammenhang des Gleichnisses in seinen jeweiligen
Kapiteln (Mk 4, Mt 13, Lk 8) und analysiert vergleichend
die Einleitung jeder Fassung. Der letzte Teil bietet die Auslegung
E.s. Zu Beginn betont er die Wichtigkeit des Gleichnisses
(119-120) und faßt Positionen über dessen Auslegung und Bedeutung
zusammen. Paränetische, heilsgeschichtliche und
eschatologische Perspektiven, die die bisherige Interpretation
bestimmt haben, werden umrissen und hinterfragt (140-143).
Nach E. führt nur deren Kombination weiter: „Trotz allem hat
sich Hereinbrechen und Anfang des Reiches Gottes bewahrheitet
, das sich über jedes Hindernis hinweg verwirklichen wird,
da Gott, auch in diesen widrigen Umständen, sein Werk zu
Ende führen wird. Wenn auch nicht in seiner ganzen Härte dargestellt
, steht doch der Anfang der Verkündigung vor der Möglichkeit
des Scheiterns und dies ist zweifelsohne ein eschatolo-
gisches Zeichen. Deshalb handelt es sich um ein Gleichnis über
Hören und Annahme des Gotteswortes, des Evangeliums vom
Reich" (143).

Erst die letzten dreißig Seiten präsentieren die eigentliche Exegese
E.s. In vergleichender Analyse kommentiert er das Gleichnis
und seine Auslegung (152-183). In diesem Teil überwiegen -
wie im Untertitel angekündigt - Wortstudien und sprachliche
Analyse. E. zeigt hier überzeugend (121-133; gegen Jeremias),
daß aus sprachlichen Gründen Gleichnis und Auslegung nicht
getrennt werden müssen, sondern eine harmonische Einheit bilden
. Die Auslegung ist nicht unbedingt der sog. Gemcindebil-
dung zuzuschreiben und könnte durchaus auf Jesus zurückgehen.

Erstaunlich ist E.s Bibliographie. Der spezifisch dem Gleichnis
gewidmete Teil (191-237) präsentiert die enorme Fülle vorher
verarbeiteter Literatur. Hier kommt auch der vor spanischen
Büchern sonst zurückschreckende Interessent voll auf seine
Kosten. Diese knapp 40 Seiten allein lohnen die Anschaffung.
Ein gründliches Stellen- und Namensregister und Inhaltsverzeichnis
beschließen den Band (238-250).

Es wäre hilfreich gewesen, wenn E. - gerade im Wissen um
die dargestellte Wichtigkeit dieses Gleichnisses und seiner Interpretation
- in einem weiteren Teil die Einbettung des
Gleichnisses über das jeweilige Kapitel hinaus in die Theologie
der einzelnen Evangelisten und dessen Funktion im Gesamtaufriß
des Evangeliums beleuchtet hätte. Wo und wie werden
diese Fäden wieder aufgegriffen? Wie z.B. verhalten sich die
Aussage in Lk 8.12 (Satan nimmt nach dem Hören den Samen
des Gotteswortes weg, so daß Menschen nicht glauben und
selig werden) zu anderen Aussagen über den Satan und den
Menschen im lukanischen Doppelwerk, z.B. Acta 26.17f? Wo
beginnt und endet in diesem ersten und im dritten Fall (Dornen
ersticken den Samen) die Verantwortung des Menschen? Welcher
Zusammenhang besteht zwischen diesen Aussagen und
dem Ruf zur Umkehr, der Gerichtsankündigung und den
paränetischen Teilen? Richtungsweisend ist hier B. E. Beck,