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Ausgabe:

1995

Spalte:

436-437

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Black, C. Clifton

Titel/Untertitel:

Mark 1995

Rezensent:

Lührmann, Dieter

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5

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schlägt er vor: "Did Israel not know that the gospel was to go to
the Gentiles as well as to Israel?" Die Antwort muß nach B. lauten
: "Yes, Israel did know." (102) Diese Antwort sieht B. von
Paulus mit Dtn 32,21 begründet, wo Mose dem abtrünnigen
Volk Israel vorhersagt, daß Gott selbst sein Volk eifersüchtig
machen wird auf ein Nicht-Volk. Damit hat B. eine grammatisch
mögliche Lösung für diesen umstrittenen Text vorgeschlagen
, freilich um den Preis, daß er in 10,19 einen anderen Begriff
von „erkennen" unterstellen muß als in 10,3, wo Paulus mit
dem Begriff „nicht erkennen" den Unglauben im Blick hat. B.
nennt zu diesem Problem alle wichtigen Lösungsvorschläge, er
diskutiert aber nicht, wie er die Möglichkeit beurteilt, daß Paulus
hier in rhetorischer Wendung gegen die Grammatik eine
negative Antwort unterstellen könnte und damit zum Ausdruck
bringen möchte, daß Israel nicht erkannt hat in dem Sinne, daß
es nicht geglaubt hat. B. gelingt es jedoch, überzeugend zu zeigen
, daß der dann von Paulus thematisierte Ungehorsam Israels
nur im Zusammenhang mit der Frage, wie das Evangelium zu
Juden und Heiden gelangen wird, Gegenstand von Rom 10,14-
21 ist. Nach B. ist die Behauptung des Paulus, daß Israel von
der Rolle seines Ungehorsams im Plan Gottes aufgrund von Dtn
32,1-43 sehr wohl wußte (106).

Ausführlich wendet sich B. Rom 11,1-36 zu. Hier bekommt
das Motiv der Eifersucht eine positive Wendung. Völlig überzeugend
zeigt er mit Blick auf den gesamten Römerbrief, daß
Paulus keinerlei Substitutionstheorie vertritt (168-199). Die
Kirche ersetzt Israel nicht. "Israel remains the people of God."
(125) Die Pointe der in Rom 11,11.14 erwähnten Eifersucht besteht
nun darin, daß Paulus aufgrund des rettenden Glaubens
der Heiden erwartet, daß Israel, das nicht glaubt, diesem Glauben
der Heiden nachzueifern sucht, um so selbst gerettet zu
werden. Denn dies ist für Paulus gewiß: "God will justify both
Jews and Gentiles sola gratia, sola fiele, and propter Christum
"^?)).

Daß Paulus das Motiv der Eifersucht an wichtiger Stelle in seine
theologische Argumentation einbaut, geschieht nicht nebenbei
. Nach Meinung von B. wird dies möglich aufgrund der
großen Bedeutung, die das gesamte Lied des Mose aus Dtn 32
für die Argumentation des Paulus in Rom 9-11 hat. B. zeigt, daß
Dtn 32 im Bereich des palästinischen und hellenistischen Judentums
(so unterscheidet B.; z.B. 269) und auch im frühen Christentum
, insbesondere aber bei Paulus, eine gewichtige Rolle
spielt (209-269). Neben dem Motiv der Eifersucht aus Dtn 32,21
zeigt B. weitere thematische Berührungspunkte zwischen Rom
9-11 und Dtn 32. Er benennt u.a. die Rettung ganz Israels, nicht
nur eines Restes, Dtn 32,39 als Anspielung auf die Auferstehung,
die Sohnschaft Israels, die Liebe Gottes zu Israel, die Uner-
forschlichkeit Gottes sowie die Spannung zwischen Gericht über
Israel und dessen Rettung. B. kommt zu dem Urteil: "Paul not
only quotes from and alludes to Dt. 32, but it was also important
for the development of his theology and in particular for the
jealousy motif." (284) Man wird B. gewiß darin zustimmen können
, daß über das Motiv der Eifersucht hinaus in Rom 9-11 und
Dtn 32 noch weitere inhaltliche Berührungspunkte festzustellen
sind. Es wird freilich zu diskutieren sein, ob Paulus diese Aspekte
eindeutig Dtn 32 verdankt oder nicht doch auch anderen
Texten des Alten Testaments. Daß die genannten Themen in
Dtn 32 auftauchen, ist aufgrund des Charakters des Liedes Moses
als Geschichtsüberblick gut zu erklären, womit freilich noch
nicht eindeutig nachgewiesen ist, daß Paulus alle diese Themen
im Rückgriff auf Dtn 32 aufnimmt.

B. betont, daß das Motiv der Eifersucht für die Missionsstrategie
des Paulus von großer Bedeutung ist. Paulus wollte in
Spanien Heidenmission betreiben, damit die Vollzahl der Heiden
zum Glauben kommen würde, was wiederum Israel zur
Eifersucht reizen und auch zum Glauben führen sollte. Die Rettung
Israels und der Heiden ist das Thema der Missionsarbeit
des Paulus (336-344).

Aufgrund seiner Argumentation kommt B. konsequent zu
dem Schluß, daß das Evangelium auch heute für Juden und Heiden
Geltung hat. Damit nimmt er gut begründet zu einer wichtigen
aktuellen Frage Stellung.

B. hat nicht nur eine Untersuchung zu Rom 9-11 vorgelegt,
er leistet vielmehr auch einen anregenden Beitrag zum Verständnis
der Theologie des Paulus insgesamt. Indem er beschreibt
, wie Paulus auf das Alte Testament zurückgreift, rückt
B. ein Thema Biblischer Theologie in den Blick. Dies geschieht
stets in sorgfältiger Argumentation, die es dem Leser ermöglicht
, auch die den Thesen von B. entgegenstehenden Argumente
zu bedenken und so zu einem eigenen Urteil zu gelangen.

Tübingen Christof Landmesser

Black, C. Clifton: Mark. Images of an Apostolic Interpreter.
Columbia, SC: University of South Carolina 1994. XX, 327
S., 1 Tat", gr.80. Lw. $ 39.95. ISBN 0-87249-973-1.

Es gibt in der Mk-Forschung diejenigen, die sich damit begnügen
, Markus als den (vermutlichen) Namen eines sonst unbekannten
Autors zu nehmen. Es gibt aber immer wieder auch
Ansätze, hinter diesem Namen eine auch sonst aus dem frühen
Christentum bekannte Persönlichkeit zu suchen. Es ist daher zu
begrüßen, daß Clifton Black, Neutestamentier an der Southern
Methodist University in Dallas/Texas, in einer gründlichen, auf
alle Effekthascherei verzichtenden Monographie den altkirchlichen
Zeugnissen über die Verfasserschaft des zweiten Evangeliums
nachgegangen ist.

Ausgangspunkt sind nach einem Forschungsüberblick die
bekannten ntl. Angaben über einen (Johannes) Markus in Apg
sowie im Phm, Kol, 2Tim und IPt, die aber nicht von vornherein
auf ein und dieselbe Person zu beziehen sind (Kap. 1 und 2). Sie
werden, so spröde sie sind, sorgfältig analysiert, wie sich dann
zeigt vor allem im Blick auf ihre mögliche Verwendung in den
späteren Aussagen über den Vf. des Ev.s. Ebenso sorgfältig ist
dann die Analyse der altkirchlichen Zeugnisse, zunächst in Kap.
3 bezüglich des 2. Jh.s. Entscheidend ist hier die traditionsstiften-
de Aussage des Papias von Hierapolis über Markus als herme-
netttes des Petrus, die keinen Anhalt an den ntl. Markus-Stellen
hat, vor allem nicht im Ev. selber. Am Ende des Jh.s steht auch
bei Irenäus noch nicht die Lokalisierung in Rom (100).

Kap. 4 und 5 behandeln das 3. und 4. Jh., unterteilt nach West
und Ost. Italien ist als Abfassungsort in den antimarcionitischen
Evangelienenprologen genannt (119), Rom erstmals bei Klemens
von Alexandrien (138) und dann in weiteren Texten. Gegenüber
der durchgehenden Verbindung mit Petrus findet sich
eine schmale, vielleicht in Syrien beheimatete Tradition (Ada-
mantius, Apostolische Konstitutionen, Johannes Chrysosto-
mus), die auf den Paulus-Begleiter Markus zurückgreift. Euscb
und von ihm abhängig Hieronymus bieten dann das bekannte
Bild: Markus geht nach dem Todes des Petrus von Rom nach
Alexandrien. Auch wenn Vollständigkeit nicht angestrebt ist.
wären doch auch die bisher in die Forschung noch kaum integrierten
neugefundenen Schriften des Didymus von Alexandrien
(313-398) erwähnenswert, auch wenn er nicht mehr als die
bekannte Autorisierung des MkEv durch Petrus und des LkEv
durch Paulus bieten mag (JohT 10,20ff, ed. B. Kramer, 1985,
91, A.5).

Das Gesamtbild, zusammengefaßt in Kap. 6 (183-191), in
das noch viele hier nicht referierte Einzelbeobachtungen einfließen
, z.B. zur erstaunlich spärlichen Nachgeschichte des
MkEv in der handschriftlichen Überlieferung wie in der Kommentarliteratur
, ist sehr bedenkenswert. So gibt es kaum eine
Verbindung zu dem Johannes Markus der Apg (185). auch ist
IPt 5,13 nicht als Ausgangspunkt der Markus-Petrus-Tradition