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Ausgabe:

1995

Spalte:

432-434

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bauer, Johannes Baptist

Titel/Untertitel:

Bibeltheologisches Wörterbuch 1995

Rezensent:

Vogler, Werner

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5

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Book mit seinen Gebetsordnungen für Sabbate, Wochentage
und einfache Feste einzusetzen. Von ihm ausgehend, hätte man
nach Parallelen und Analogien zu jenem Enchiridion evangelischer
Lehre und christlichem Lebens zu fragen, das der Reformator
seinen Gemeinden an die Hand gab. Tatsächlich sind
jedoch die Katechismen Luthers strukturbestimmend. Erwägungen
zu ihren Vorreden mit ihrer an das Rabbinat gemahnenden
hohen Wertschätzung von Lehren und Lernen sind vorangestellt
, ihre fünf Hauptstücke bestimmen den Aufbau. Die Disproportionalität
zwischen Gebetsbuch und Schulbuch läßt sich
nicht völlig überspielen. Man wird berücksichtigen müssen, daß
Parallelität streng genommen nur bei den beiden zentralen Elementen
besteht: Bekenntnis und Hauptgebet, d.h. Sch'ma und
Tefilla hier, Apostolikum und Vaterunser dort lassen sich einander
zuordnen. Der Dekalog hingegen ist - sieht man vom
Zeugnis des Papyrus Nash aus der frühesten Zeit einmal ab, -
keineswegs Bestandteil jüdischer Gebetsordnungen gewesen.
Zwischen Taufe und Beschneidung, Herrenmahl und Passamahl
gibt es schon vom Ursprung her Berührungen, ihre aktuelle
Gegenüberstellung läßt jedoch mehr Trennendes als Verbindendes
aufscheinen.

Wer sich dessen bewußt ist, dem ist mit diesem Band ein vorzügliches
Arbeitsbuch an die Hand gegeben. Er kann sich über
den (jüdischen und reformierten) Einschluß und die (katholische
und lutherische) Weglassung des Bilderverbots im Dekalog
belehren lassen. Ihm wird deutlich, wie die das Sch'ma
umschließenden B'rachot das Bekenntnis unter das Vorzeichen
des Lobpreises stellen, während die Erklärungen Luthers mit
ihrer gleichsam existentialen Interpretation für die Einbeziehung
der Erwählung und der heilsgeschichtlichen Rolle Israels
keinen Raum lassen (P.v.O.-S.s. Stichwort: Israelvergessenheit
). Er mag im Vaterunser den Knotenpunkt zweier Traditionen
sehen: einerseits des jüdischen Betens, wie es sich in Ami-
da, Kaddisch und Habinenu kristallisiert, andererseits der
christlichen liturgischen Ordnungen von der Didache bis zu den
Apost. Const. VII. Daß im Abschnitt über die Taufe die be-
schneidungskritischen Aussagen des Neuen Testaments zugunsten
der Analogie zum „Zeichen Abrahams" zurücktreten, ist
wohl nur in Verbindung mit dem theologischen Konzept des
Autors angemessen zu würdigen. Beim Abendmahl ist der
Rückbezug auf die jüdische Passafeier schon wegen des Ursprungs
unverzichtbar (auch wenn man sich an dieser Stelle
nicht nur dem Nachklang der Forschungen von Joach. Jeremias,
sondern auch den Verweis auf E. Lohmeyer und H. Lielzmann
gewünscht hätte). Neben dem hier völlig zu Recht herangezogenen
Sabbatmahl wäre auch der tägliche Tischsegen zu bedenken
. Wenn Taufe und Eucharistie hier als ceremoniae ceremo-
niarum zusammengefaßt sind, dann ist dadurch auch angezeigt,
daß eben nur der äußere Aspekt, nicht aber die Mitte der myste-
ria fidei wirklich vergleichbar sind. Die oftmals erhellende Präsentation
der Texte Luthers und die zahlreichen rabbinischen
Zeugnisse aus verschiedenen Epochen führen dank gekonnter
Konfrontation an eine Grenze, die die Glaubenswelten von Sid-
dur und Katechismus scheidet. Die Dialektik von Kontinuität
und Bruch, die im je verschiedenen Verständnis des Gesetzes
ihren Ausgang hat, bestimmt letztlich auch die Gegenüberstellung
von Siddur und Katechismus.

Neu hinzugekommen ist in dieser Auflage ein Abschnitt zur
gegenwärtigen Situation (328-348). Er berichtet über den Fortgang
des christlich-jüdischen Dialogs in der evangelischen Kirche
Deutschlands, überschreitet dabei jedoch die Grenze zu
polemischer Parteinahme in einem aktuellen Richtungsstreit. Es
ist bedrückend zu sehen, wie hier eine Art theologischer Variante
der Forderung nach political correctness von Berlin her
gegenüber jenen geltend gemacht wird, die den vom Autor verlangten
christlichen Besitzverzicht gegenüber dem Judentum
nach der Shoa nicht zu folgen vermögen. Walter Schmithals

(wegen einer Auslegung von Mk 2,27), Ernst Käsemann (vgl.
EvTh 52, 1992, 177ff.) und Helmut Traub (ebd., 458-467) und
vor allem der inzwischen verstorbene Georg Strecker (LM 32,
1993, 27-29) sind diesmal die Opfer. Ist der seit der Rheinischen
Synode von 1980 nicht zur Ruhe kommende Streit zwischen
jenen, die auf einer Neudefinition christlicher Identität
angesichts des jüdischen Schicksals in diesem Jahrhundert bestehen
und jenen, die um der Wahrheit des Evangeliums willen
auf der Selbigkeit des christlichen Zeugnisses von und für Israel
beharren, wirklich so unüberbrückbar?

Im Grunde genommen weist das Werk selbst die Richtung.
Indem es den Zeugen Martin Luther, der im christlich-jüdischen
Dialog oft ängstlich beiseite gelassen wurde, zu den Betern der
Synagoge in Beziehung setzt, stößt es zu einer Mitte vor, die
Konsens und Dissens im Beten und Glauben erkennen läßt.
Auch die beigegebenen Dokumente (352-414), die den der Praxis
zugewandten Charakter des Arbeitsbuches bekräftigen, sind
der Mehrzahl nach jenseits des Richtungsstreits angesiedelt,
besonders die aufgenommenen Zeugnisse aus der katholischen
Kirche, vor allem die Konzilskonstitutionen Nostra aetate und
die beigegebenen vatikanischen Richtlinien von 1975 (367-375)
und die aus der evangelischen Kirche der DDR (3641.). Auch
sie verdeutlichen, weshalb ein Werk, das vor kurzem so nicht
hätte geschrieben werden können, nun in erweiterter Gestalt auf
viele lernbereite Leser rechnen kann.

Halle (Saale) Wolfgang Wietel

Neues Testament

Bauer, Johannes B. [Hrsg.] mit Johannes Marböck und Karl
M. Woschitz: Bibeltheologisches Wörterbuch. 4., völlig
neu bearb. Aufl. Graz-Wien-Köln: Styria 1994. 621 S. gr. 8°.
Lw. DM 175,-. ISBN 3-222-12256-3.

Unterscheidet sich die 1962 erschienene 2. Aufl. des Bibeltheologischen
Wörterbuches (BW) von der ersten dadurch, daß aus
dem einbändigen Lexikon ein zweibändiges geworden ist, so
zeichnet sich dessen nunmehr vorliegende 4. Aufl. dadurch aus,
daß es sogar den Umfang der Erstaufl. (von 1959) noch unterbietet
. Das bedeutet - namentlich gegenüber der abermals
erweiterten 3. Aufl. (von 1967) - eine erhebliche Reduzierung
des Stoffes wie Konzentration in der Darstellung: Anstelle von
209 Stichwortbearbeitungen auf 1543 Seiten in der letzten Aufl.
finden sich jetzt nur noch Erklärungen zu 174 (darunter zwölf
neuen) Begriffen auf 600 Seiten (jedoch größeren Formats),
von denen 19 - nach AT und NT getrennt - von zwei Autoren
bearbeitet sind. Indes nicht alle Artikel wurden neu geschrieben
, manche wurden nur gestrafft und auf den neuesten Stand
gebracht.

Gleichgeblieben ist, daß der Hrsg., der schon 1959 für dieses
Lexikon verantwortlich zeichnete, es nach wie vor tut; nunmehr
allerdings von zwei Mitherausgebern unterstützt. Entscheidend
verändert hat sich dagegen der Kreis der Mitarbeiter. Von den
53 Autoren, die an der 3. Aufl. beteiligt waren, wirken an diesem
Band nur 18 mit. 41 neue sind hinzugekommen, zumeist
namhafte Bibelwissenschaftler, darunter mehrere evangelische.
Damit ist das BW nicht nur weiterhin von Fachkompetenz bestimmt
, sondern jetzt auch von Interkonfessionalismus. Letzteres
ist um so mehr der Fall, als dieses Lexikon sich - trotz einzelner
spezifisch röm.-kath. Auffassungen - auch insofern als
überkonfessionell ausweist, als es in vielerlei Hinsicht bezeugt,
daß in der Bibelwissenschaft die Gegensätze zwischen röm.-
kath. und ev. weitgehend überwunden sind.