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Ausgabe:

1995

Spalte:

416-419

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lohse, Eduard

Titel/Untertitel:

Erneuern und Bewahren 1995

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5

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sich dessen bewußt, daß die von ihnen vorgelegten Aufsätze
„nur Anstöße geben können zu einer umfassenden Bearbeitung
dieser komplexen Fragestellung". Trotzdem hätte man sich als
Leser gewünscht, daß die Hgg. sich nicht nur auf ein zweieinhalbseitiges
„Vorwort" beschränken (davon noch eineinhalb
Seiten über G. Hasenhüttl), sondern sich die Mühe gemacht hätten
, am Ende in einem synthetischen Beitrag ohne Harmonisierung
des Disparaten die verschiedenen Fäden der Beiträge zu
bündeln und so etwas wie ein konsensfähiges Arbeitsprogramm
zu skizzieren, wie denn eine Inkulturation christlicher Gottesvorstellungen
auszusehen hätte. Aber vielleicht überrascht uns
ja Gotthold Hasenhüttl nach wichtigen Vorarbeiten in dieser
Richtung selber mit einem großen Entwurf unter dem Titel
„Der eine Gott in vielen Kulturen". Zuzutrauen wäre es ihm.

Tübingen Karl-Josef Kuschel

Jung, Hans-Gernot: Rechenschaft der Hoffnung. Gesammelte
Beiträge zur öffentlichen Verantwortung der Kirche. In Verb,
mit F. Scholz u. G. Zinn hrsg. von M. Hein. Marburg: El wert
1993. X, 301 S. gr.80 = Marburger theologische Studien, 35.
ISBN 3-7708-1010-4.

Es ist so, wie man es im Geleitwort von Christian Zippen, Jungs
Nachfolger, zu dem vorliegenden Buch liest: Es enthält „ein
gewichtiges Vermächtnis an die Evangelische Kirche von Kurhessen
-Waldeck, der Hans-Gernot Jung als Gemeindepfarrer, als
Studentenpfarrer, als Direktor der Evangelischen Akademie [in
Hofgeismar, d. Rez.], als Oberlandeskirchenrat und als Bischof
im tiefsten Sinne des Wortes gedient hat". (IXf) Der aus einer
weitverzweigten Tätigkeit auch über die landeskirchlichen Grenzen
hinaus am 26.11.91 Herausgerufene hatte ein reiches Leben
hinter sich, dessen Daten in einem kurzen Curriculum vitae
(2791) nachzulesen sind. Die Stationen der Wirksamkeit von J.
geben Auskunft über die Interessenhorizonte, die ihre deutliche
Gemeinsamkeit haben in dem Untertitel, den die Hgg. in angemessener
Weise gewählt haben. Es geht J. in der Tat um die
öffentliche Verantwortung der Kirche, und zwar unter der dem
IPt (3,15) entnommenen Aufforderung, Rechenschaft zu geben
jedermann über die Hoffnung, die in uns ist.

Der Gedenkband, der nicht nur Erinnerung meint, sondern
Anregung zur Weiterarbeit an den behandelten Themen, enthält
ausschließlich Beiträge des verstorbenen Bischofs, und zwar 12
Aufsätze und Vorträge (1-132), 6 Berichte vor Synoden (133-
212) und 12 Predigten (213-277) zu festlichen Anlässen und zu
ausschließlich neutestamentlichen Texten.

Die zumeist bisher unveröffentlichten Beiträge sind jeweils
zeitlich geordnet und wurden in der Mehrzahl der Fälle zwischen
1963 und 1991 mündlich vorgetragen. Darin zeigt sich,
daß J. ein Meister der kurzen prägnanten Rede ist, der die Themen
der Zeit von seinem Verständnis des Wortes Gottes her
beleuchtet und anzugehen versucht. Es ist wohl kaum nur auf
die behandelte Thematik „Amt und Autorität in der evangelischen
Kirche" (39-50) zu beziehen, wenn der Redner 1986 auf
einem wissenschaftlichen Symposium des „Clausthaler Win-
golf zu Marburg" die Lösung des Problems mit dem reformatorischen
„Non vi sed verbo" verbindet. Das gesamtreformatori-
sche biblische Zeugnis ist zweifellos der cantus firmus der hier
ausgewählten Beiträge, wohl aber auch des Lebenswerkes des
Verewigten.

Es ist sehr begrüßenswert, daß die Hgg. die lange bibliographische
Liste zwischen den Jahren 1959 und 1992 - sie enthält
insgesamt 232 Positionen - im Anhang (281-301) mitabgedruckt
haben. In vieler Hinsicht enthalten die ausgewiesenen
Themen bereits die Inhalte der Lebensarbeit von J. Abgesehen

von der 1959 in Marburg abgeschlossenen Dissertation zum
Thema „Die politische Verkündigung der Herrschaft Christi",
kündigen fast alle annotierten Titel Ansprachen mit großenteils
nur wenigen Seiten an, die „Anstöße" und Impulse enthalten,
von denen man heute sagen kann, daß sie weiterhin beachtenswert
sind.

Daß die Themen der Existenz von Kirche in unserer Zeit
mannigfaltig sind und zum zum Teil kontrovers diskutiert werden
, macht es gewissermaßen zwangläufig, daß J. sehr aktuell
zu vielen Komplexen Stellung nimmt. In sich schwierige
Begriffe läßt er dabei keineswegs aus. So werden u.a. behandelt
: Ideologie und Bekenntnis, Buße als radikale Kritik,
Umwelt- und Friedenserziehung, die Kirchen und die Mauer,
das Gewissen.

In all dem, geht es dem Vf. nicht nur einfach um die Kirche,
sondern vor allem um die Liebe zur Kirche, ja auch in Weiterreflexion
der Problematik um „Zukunft der Volkskirche". Ihr
Dienst an der Gesellschaft und in der Gesellschaft öffnet für J.
erst viele Themenbereiche, die in dem anderen deutschen Staat
zur fraglichen Zeit wenig oder gar nicht verhandelt wurden. In
der Aufzählung seiner „Nebenämter" erscheint seit 1979 auch
der Vorsitz des Beirates für evangelische Militärseelsorge
(280), dazu aber auch der Vorsitz der Forschungsstelle der
Evangelischen Studiengemeinschaft. Auffällig ist fernerhin der
gesämtkirchliche Rahmen seiner Wirksamkeit in der EKD und
in der Ökumene.

Aus dem Buch ist viel zu lernen, auch oder gerade für die, die
in dem anderen deutschen Staat jahrzehntelang zum Teil zu
anderen Herausforderungen Stellung zu nehmen hatten. Der
Gedenkband könnte dazu dienen, Brücken zu schlagen, zumal
der Vf. in Vorträgen, Berichten und Predigten erkennen läßt, in
welch hohem Maße er mit den Menschen in der früheren DDR
mitgedacht und für sie gedacht hat. Vielleicht ist dafür besonders
symptomatisch, daß J. 1990 für einen Vortrag an der Uni-
versity of Dubuque/Iowa in denUSA-wo er 1954/55 studierte -
das Thema wählte: "The Churchcs and the Wall", und dieses
auf dem Hintergrund theologischer Aspekte zur deutschen Geschichte
nach dem Zweiten Weltkrieg. (79)

Der vorliegende Band blickt zurück auf ein reiches Leben im
kirchenleitenden Dienst, er hilft uns aber gleichzeitig zum Verstehen
kirchlicher und gesellschaftlicher Gegenwart zur Eröffnung
von Zukunft. Deshalb ist der Kirche von Kurhcssen-Wal-
deck herzlich zu danken, daß sie das Vermächtnis ihres
verstorbenen Bischofs auf solche Weise vielen in und außerhalb
unserer Kirche zugänglich gemacht hat.

Görlitz/Berlin Joachim Rogge

Lohse, Eduard: Erneuern und Bewahren. Evangelische Kirche
1970-1990. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993.
343 S. gr.80. geb. DM 48,-. ISBN 3-525-55423-0.

Superlative ziehen in einer Zeit der Wortinflation nicht und
doch sei's gesagt: Dieses Buch ist ein autobiographischer
Superlativ! Er beschränkt sich auf zwei Jahrzehnte, kann deshalb
auch hinreichend ausführlich sein, ohne im Detail zu ermüden
. Der Professor für Neues Testament, der Universitätsrektor,
der Landesbischof der Ev.-Lutherischen Landeskirche Hannovers
, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in
Deutschland bringt auch darüber hinaus zur Kenntnis, daß er
noch weitere Leitungsfunktionen in Kirche und theologischer
Wissenschaft inne hatte. Also: Ein Glücksfall, daß Eduard Lohse
sich entschloß, buchstäblich extra für dieses Buch seine
Erfahrungen in wichtigen Jahren für die Kirche aufzuschreiben.
Das ist vorbehaltlos zu bejahen und allen Dankes wert.