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Ausgabe:

1995

Spalte:

377-379

Kategorie:

Kirchenrecht

Titel/Untertitel:

Ortskirche - Gesamtkirche 1995

Rezensent:

Stein, Albert

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Theologische l.ilcraturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 4

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III GG. wenn er sich allen Religionsgemeinschaften gegenüber
zu gleichmäßiger Förderung. Kooperation. Vertragsschließung
bereit hält" (87). Keine Religionsgemeinschaft muß Krankenhäuser
, Kindergärten. Theologie in staatlichen Universitäten.
Religionsunterricht an staatlichen Schulen betreiben. Insoweit
gibt es keinen Zang zur Erfolgsgleichheit. Der diskriminierende
Ausschluß der Religion ist ebenso verfassungswidrig, wie die
ääkularisierenda Ignorierung des Religiösen. Beide oft, wie in
der früheren DDR. nebenander praktizierten Ignorierungen des
Religiösen verletzen die Gleichheit.

Die Schrift von H. beruht auf zwei Paragraphen, die er zu
dem soeben erschienenen Handbuch des Staatskirchenrechts1
beigesteuert hat. Er hat seine Beiträge (§ 20 Die religionsrccht-
Hche Parität. § 21 Das Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf
die Religion) zu einer in sich geschlossenen Monographie ausgearbeitet
. Die Schrift ist für Juristen wie Theologen gleichermaßen
grundlegend und hilfreich. Sie liest sich angenehm. Der
Vf. beherrsch! den Stoff souverän. Die vergleichsweise schmale
Schrift lügt sich würdig ein in die Reihe bedeutender Beiträge,
mit denen der Autor die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht
in den letzten Jahrzehnten so maßgeblich beeinflußt hat.

Hannover Axel Frhr. v. Campenhausen

Joseph Lisil. Dietrich Pirson |Hrsg.). Handbuch des Staatskirchenrecht
der Bundesrepublik Deutschland. Band 1, 2. Aufl.. Berlin 1994.

Krämer. Peter: Kirchenrecht II. Ortskirche - Gesamtkirche.
Stutigart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1993. 154 S. gr.8° =
Kohlhammer Studienbücher Theologie, 24,2. Kart. DM 28.-.
ISBN 3-17-010307-5.

Der jetzt anzuzeigende zweite Teilband vollendet das Studienbuch
, dessen erster Teil bereits angezeigt wurde (ThLZ 118,
1993. 97f.). Wiederum bietet der Vf. verläßliche, übersichtliche
und konzentrierte Orientierung. Dabei nimmt er mit Nachdruck
Denkanstöße des Zweiten Vatikanischen Konzils auf und bringt
sie in die Auslegung der Bestimmungen des neuen kirchlichen
Rechtsbuches (CIC/1983) ein. das gleich zu Beginn eigenständige
Lösungen für die Begrifflichkeit und den Aufbau nicht
scheut (9ff). Die jetzt behandelten Fragen des kirchlichen Ver-
'assungsrechtes stellen sich mehr und mehr als die eigentlichen
Stolpersteine auf dem Wege zu versöhnter Verschiedenheit der
Kirchen heraus. Sie in solch ökumenischem Verständnis behandelt
zu sehen, stellt ein erfreuliches Zeichen dar und verdient
Aufmerksamkeit über den Rahmen kirchenrechtlicher Fachgespräehe
hinaus.

Bei der Darstellung des Rechtes der Kirchenzugehörigkeit wird
der Fortschritt betont, der eine positivere Bewertung der nichtkatholischen
Christen bzw. der getrennten Kirchen und kirchlichen
Gemeinschaften ermöglicht (19). Schon jetzt sind nichtkatholische
Christen mit bestimmten Ausnahmen von dem Geltungsanspruch
des katholischen Kirchenrechts ausgenommen (61 f.).

Im Rahmen der Interpretation von Menschen- und Christen-
echten in der Kirche wird ein verstärkter Rechtsschulz angeregt
(29) und das Problem der Rechtsgleichheit von männlichen
und weiblichen Laien im Blick auf kirchliche Dienste befürwortet
(33). Zur unterschiedlichen Stellung der Kleriker und Laien
in der katholischen Kirche wird betont, daß die frühere deutliche
Trennung zwischen ihnen nunmehr einer allerdings nicht
immer kirchenrechtlich konsequent durchgeführten ..wahren
Gleichheit in der Würde und Tätigkeif gewichen ist. Duch sie
werden ..sendungsspezifische Unterschiede nicht ausgeschlossen
" (23). die allerdings ..nur in ihrem Zusammenspiel für die

Auferbauung der Kirche als des einen priesterlichen Gottesvolkes
fruchtbar gemacht werden" (27).

Als „Glaubige im besonderen Dienst der Kirche" sind die Kleriker „aufgrund
der sakramentalen Weihe auf eine unwiderrufliche Indienstnahme
hingeordnet" (35). Für die Zölibatsverpflichtung können nur Angemessen-
heitsgründe vorgebracht werden und es gibt deshalb nach geltendem Recht
auch Ausnahmen: Da/u zählt laut verschiedenen päpstlichen Dokumenten
auch der Fall, daß ein verheirateter Geistlicher zur katholischen Kirche konvertiert
(38f.). Die vielfältigen Möglichkeiten der Übertragung von kirchlichen
Ämtern und Aufgaben auch an Laien werden eingehend dargestellt
(42ff„ 53C). ebenso die diffizilen Unterscheidungen im Bereiche kirchlicher
Ämter und geistlicher Vollmachten verständlich gemacht (45ff.).

Grundsätzliche Fragen des Kirchenrechtes werden, wohl wegen
ihres Zusammenhanges mit dem kirchlichen Leitungsdienst
an diese Stelle, sodann in den Abschnitten über Gesetz und Gewohnheit
(57ff.) und über Einzelfallgerechtigkeit (65ff.) behandelt
. Besonderheiten der kirchlichen Gesetze werden darin gesehen
, daß sie ihren rechtlich verbindlichen Charakter nur mit
denjenigen Mitteln durchsetzen können, welche der Kirche als
einer geistlichen Gemeinschaft zur Verfügung stehen (581.).
Ferner gehört zu ihrem Wesen der Bezug auf das „bonum commune
" der Kirche; sie müssen in heilsökumenischer Ausrichtung
das durch den Glauben Geforderte in vernünftiger Weise
konkretisieren. Damit rechtfertigt sich auch die Anregung, die
Glaubensgemeinschaft insgesamt solle zur Vermeidung unzulänglicher
Gesetze und zur Erleichterung ihrer Annahme durch
Konsultationen in stärkerem Maße an der Vorbereitung kirchlicher
Entscheidungen beteiligt werden (65). Der Einzellallgerechtigkeit
dient nicht nur die, jetzt weitgehend den Diözesan-
bischöfen zustehende Dispensbefugnis (65ff.), sondern auch die
Bemühung um kanonische Billigkeit als aequitas und miseri
cordia bei der Gesetzesanwendung durch den zuständigen geistlichen
Amtsträger(68f.)sowie die Epikie als Beachtung der sittlichen
Grenzen für die Verpflichtungskraft eines Gesetzes in
der Gewissensentscheidung des Einzelnen (70).

Die übersichtliche Darstellung der Organe und Zuständigkeiten
in der katholischen Kirche erleichtet das Verständnis vieler
kirchlicher Nachrichten und Vorgänge. Vorgestellt werden in
einer für das Konzept der Darstellung charakteristischen Folge
die „Ortskirche" (d.h. Diözesen und Pfarrgemeinden, 7111). Gesamtkirche
(99ff.) und „Ortskirchenfamilien" (d.h, Kirchenprovinzen
und Kirchenregionen, I30ff.). Für den ökumenischen Leser
ist dabei z.B. interessant, daß das katholische Bischofsamt
nicht nur personal, sondern auch synodal angelegt ist (73). Der
Bischof steht nicht über der Kirche, sondern ist in sie eingebunden
und trägt die Letztverantwortung (81). Aus dieser Sicht ergeben
sieh dann auch Verbesserungsvorschläge für die Mitwirkung
von Ortekirche und Zwischeninstanzen bei der Bischofswahl (78).

Dem Bisehof obliegt ebenso das Bemühen um tiefere Einheit
mit den getrennten Kirchen und Gemeinschaften (74). Zu der Diö-
zesansynode können nach ausdrücklicher Gesetzesbestimmung
auch nichtkatholische Christen als Gäste eingeladen werden (82).
Selbst für das ökumenische Konzil der Gesamtkirche ist die Möglichkeit
der Teilnahme von nichtkatholischen Christen und Amtsträgern
nicht ausgeschlossen, deren Mitwirkung sich nicht auf
den Beobachterstatus beschränken muß (III). Für das Papstami
wird bedauert, daß die Konzilsaussagen über die einheitsstiften-
de Funktion des Petrusdiensles nicht in die Vollmachtsbeschreibung
des kirchlichen Rechtsbuches aufgenommen wurden (102).

Ortskirche und Gesamtkirche werden nicht als voneinander
trennbare oder gar in Konkurrenz, stehende Größen dargestellt,
sondern als unterschiedliche Aspekte der einen Kirche Christi
(11). Den evangelischen Leser interessiert naturgemäß besonders
, wie und wieweit das in der Darstellung des Papstamtes
zum Ausdruck kommt. Diesbezüglich wird zunächst bedauert,
daß das kirchliche Gesetzbuch eine klarere Bestimmung des
Verhältnisses zwischen der päpstlichen und der bischöflichen
Vollmacht versäumt hat (101). Insoweit es gelingt, daß die