Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1995

Spalte:

374-375

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Advent bis Himmelfahrt 1995

Rezensent:

Winkler, Eberhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

373

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 4

374

Ordnung beheimatet ist. Der theologischen Argumentation kommt ihm
zufolge nur eine regulierende und somit sekundäre Funktion zu.

Im letzten Abschnitt geht es um die konkreten Instrumente,
welche dem Prediger zur Verfügung stehen.

Jerome Coltin analysiert das Gebiet der „visuellen Fredigt". Zunächst legt
er die homiletische Theorie dar. welche dieser Art von Predigt zugrunde liegt,
ebenso die ästhetischen Fostulate, auf welche sie sich stützt. Anschließend
unterwirft er diese Theorie einer eingehenden Kritik aus zweifacher Sicht:
theologisch und künstlerisch. Zum SchhlB eröffnet er die Diskussion, indem
er fünf Gründe angibt, warum das Bild in die Homilie integriert werden muH.
Jean-Michel Sordet interessiert sich für die technischen Werkzeuge, die dem
Frediger zur Verfügung stehen, insbesondere das Video, welches ihm oder
ihr bei der Analyse von Haltung. Gebärden. Stimme und Mimik helfen kann.
Marc Donze schließlich stellt die Frage nach der Rolle der Exegese bei der
Predigtvorbereitung. Er analysiert besonders die homiletischen Publikationen
, welche dem Prediger Hilfestellungen geben wollen.

Wie man aus dieser Inhaltsbeschrcibung erkennen kann, ist
der Beitrag Gerd T.s nicht nur dem Umfang (mehr als ein Dritte
] des ganzen Buches), sondern auch dem Inhalt nach der bedeutungsvollste
. Er trägt wirklich Neues zur aktuellen homiletischen
Diskussion bei. Die anderen Beiträge sind nicht so
gewichtig, beinhalten aber trotzdem interessante Gedanken und
Vorschläge.

Wezembeek-Oppern Ernest Henau

Müller, Friedrich: Unter Gottes Gericht und Erbarmen. Predigten
1945-1969. Hrsg. von H. Pitters u. G. Schullerus.
Erlangen: Martin-Luther-Verlag 1994. 286 S. 80. ISBN 3-
87513-093-6.

Der 100. Geburtstag des ehemaligen Bischofs der Evangelischen
Kirche AB in Rumänien F. Müller (1884-1969) veranlaß-
te die Hgg. 1984 zu dem Versuch, eine Auswahl seiner unge-
druckten Predigten zu publizieren. Das wurde infolge der politischen
Situation erst jetzt möglich. Die Hgg. bieten eine Einleitung
in die anspruchsvolle und zugleich im besten Sinn erbauliche
Verkündigung eines lutherischen Bischofs, der als Ge-
sehiehtslehrer begann und als Prediger alle Geschichte, besonders
aber die seiner angefochtenen Kirche und ebenso seines
persönlichen Lebens vom Wort Gottes her deutete.

M. verfaßte die Predigten als mündliche und zugleich als zum
Lesen bestimmte Verkündigung. Die Hgg. erlebten den mündlichen
Prediger und urteilen, daß „das geschriebene Wort hinter
dem gesprochenen meistens noch weit zurückbleibt" (10). M.
habe „es sich selbst und seinen Hörern beim Predigtdienst nicht
leicht gemacht", sondern sprachlich und inhaltlich ein gutes
Stück geistiger Arbeit geleistet und den Hörern abverlangt. Interessant
wirkt die von den Hgg. bezeichnete Spannung, „in der sich
das gesamte Denken M.s und damit auch seine Verkündigung
ständig befinden: Beide bewegen sich zwischen exakter wissenschaftlich
geschulter historisch-kritischer Geistesarbeit und einer
Glaubenserfahrung und christlichen Lebenshaltung mit einem
deutlichen pietistischen .Substrat. Öfters wird auf den großen
Wandel des naturwissenschaftlichen Weltbildes und auf die
Grenzen hingewiesen, an die die moderne Physik stößt" (15).

Das „pietistische Substrat" zeigt sich besonders dort, wo M.
persönliche Glaubenserfahrungen bezeugt und aus der eigenen
Biographie erzählt. Zum Beispiel sagt er, daß Gott ihm „durch
Gesichte" in einer Krise der Jugendzeit die Antwort auf seine
Zweifels- und Verzweiflungsfragen erteilte (28). Er berichtet,
daß er durch eine Predigt am Ende des Zweiten Weltkriegs eine
Selbstmordwelle verhindern konnte (43).

Der Titel, den die Hgg. dem Buch gaben, gibt das seelsorgerliche
Ziel der Predigten gut wieder. Der Siebenbürgische Bischof
deutete das schwere Schicksal seiner Kirche als Gottes
Gericht über die menschliche Vermessenheit. die ins Verderben
führt. Die ungeheure Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und

seiner Folgen kam über das Volk der Kirchenburgen, weil es
„nicht wie ein Mann aufstand", um die Blasphemie der neuheidnischen
Volksgruppenführung (gegen die M. gekämpft hatte
) zu verhindern (132).

Zum seelsorgerlichen Charakter der Predigten gehört ebenso,
daß sie den Angefochtenen Gottes Erbarmen bezeugen. Gesetz
und Evangelium werden echt lutherisch unterschieden und aufeinander
bezogen. Die theologischen Grundlagen und die praktischen
Ziele dieser Verkündigung haben die Hgg. mit den
Überschriften umrissen, die sie den acht Abschnitten gaben:

1. Auf reformatorischem Grunde, 2. Deutung der Geschichte
vom Glauben her, 3. Bewältigung der Gegenwart durch den
Glauben, 4. Zurüstung zum geistlichen Dienst, 5. Das geistliche
Amt in der Kirche, 6. Stärkung der Gemeinden, 7. In der Leitung
der Gesamtgemeinde, 8. Unter dem starken Trost des
Evangeliums (Bestattungspredigten).

Das Buch ist ein beeindruckendes Zeugnis für Kirchenleitung
durch die Predigt. Den Hgg. und dem Verlag ist dafür ebenso zu
danken wie dem jetzigen Bischof Christoph Klein, der 1993 im
Martin-Luther-Verlag einen Predigtband veröffentlichte: „Um
die elfte Stunde. Ein Jahrgang Predigten aus der Sicbenbür-
gisch-Sächsischen Kirche im Umbruch".

Halle (Saale) Eberhard Winkler

Calwer Predigthilfen. Neue Folge. Hg. von H. Barie, U.
Grümbel, J. Ch. Janowski, J. Kegler, H. Lachenmann, R.
Marquard, K. Meyerbröker, K.-D. Nörcnberg, H. D. Preuß .
M. Voigt. Reihe V, I. Halbband: Advent bis Himmelfahrt.
Stuttgart: Calwer 1994. 296 S. 8°. geb. DM 39,80. ISBN 3-
7668-3282-4.

Krusche. Peter. Rössler. Dietrich, u. Roman Roessler |Hrsg.|:
Predigtstudien für das Kirchenjahr 1994/1995. Perikopen-
reihe V.l. Stuttgart: Kreuz 1994. 213 S. 8°. Pp. DM 39,80.
ISBN 3-7831-1355-5.

Die Calwer Predigthilfen enthalten für jeden Text sieben Arbeitsschritte
: l. Annäherung (ein erster, meist persönlich formulierter
Eindruck, der oft schon homiletische Anregungen enthält
). 2. Biblische Zusammenhänge. 3. Auslegung. 4. Theologische
Entscheidungen (systematisch-theologische Überlegungen
), 5. Homiletisch-scelsorgerliche Erwägungen, 6. Anregungen
. Anstöße. Kontraste, 7. Zur Predigt. Jeder Beitrag schließt
mit einem Literaturnachweis. Die einzelnen Arbeitsschritte sind
mitunter knapp angedeutet, manchmal auch relativ breit ausgeführt
, insgesamt aber erweist sich die methodische Klarheit als
hilfreich. Die textgeleitete und die persönliche, situationsbezo-
gene Komponente sind gut verbunden. Narrative Stücke, Zitate
aus schöngeistiger Literatur und praktische Konkretionen erleichtern
die Predigtarbeit.

Die Predigtstudien würdigte zuletzt G. Voigt in ThLZ 105,
1980, 382-384 (vgl. 101, 1976, 147-150). Gültig bleibt Voigts
Urteil, daß hier „eine stark anregende, weil von vornherein auf
Vielstimmigkeit angelegte, das homiletische Geschehen auflockernde
, durchaus auf Lebensnähe bedachte Arbeitsweise
vorliegt", aber auch, „daß man zuweilen den Eindruck hat. hier
stehe einer vor dem Spiegel und studiere seine eigenen Anfechtungen
, statt auf das .fremde', ihn erweckende, umwerfende,
aber zugleich aufrichtende Wort zu hören".

Die dialogische Arbeitsform mit Bearbeiter/in A: Wie höre
und verstehe ich den Predigttext? und B: Wie rede ich mit den
Predigthörern und -hörerinnen? blieb erhalten. Der vorgegebene
Rahmen von je drei Arbeitsschritten für A und B wird variabel
ausgefüllt und die Verschiedenheit der jetzt gesamtdeutsch zusammengesetzten
Bearbeiter/innen sorgt inhaltlich und metho-