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Ausgabe:

1995

Spalte:

358-360

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Hamann, Johann Georg

Titel/Untertitel:

Londoner Schriften 1995

Rezensent:

Seils, Martin

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 4

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zu geben" (6). Unter Beachtung der Intention des Hg.s, „nur"
eine Einfühlung in das eigene Studium der theologischen Literatur
zu geben, ist dies gelungen. Insofern ist es nicht verwunderlich
, daß es sich nach seiner englischen Erstveröffentlichung
1989 im anglo-amerikanischen Raum einen festen Platz als
Lehrbuch erobern konnte, worauf Christoph Schwöbel als
Ubersetzer ausdrücklich hinweist.

Gründe dafür sind s.E. der ökumenische Charakter dieser
theologiegeschichtlichcn Darstellung des 20. Jh.s - sowohl in
Blick auf die Beiträge selbst als auch auf ihre Autorinnen und
Autoren - und der in einzelnen Kapiteln unternommene ..Versuch
eines kritischen und kontruktiven Gesprächs" (5) mit den
behandelten Konzeptionen. Für das deutschsprachige Publikum
ist es außerdem interessant, die eigene theologische Tradition
dieses Jh.s, die das Thema vieler Kapitel dieses Buches bildet,
einmal im Spiegel vorwiegend englischsprachiger Theologin-
nen und Theologen betrachten zu können. Hit das nie unumstrittene
Problem der Auswahl wurden vor allem die Folgenden
Kriterien zur Anwendung gebracht: Die dargestellten Theologen
sollten „ein weites Feld theologischer Themen bearbeitet
haben" und ihr Werk sollte gegenwärtig an vielen Universitäten
und theologischen Allsbildungsstätten studiert werden. (6)

Das Grundschema der meisten Kapitel ist: Einleitung mit
biographischen Notizen, Werkübersicht. Darstellung der wichtigsten
theologischen Inhalte, Vorstellung der Diskussion über
die besprochene Theologie, Bewertung ihrer Leistungen und
Ausblick auf die zukünftigen Aufgabenstellungen. Außerdem
sind die ein/einen Kapitel nach sechs Teilen sortiert, die die
jeweiligen Theologien von vornherein bestimmten theologischen
Ansätzen zuordnen. Der Hg. warnt jedoch davor, in diese
Gruppierung zuviel hincinzulesen, da „andere Zuordnungen
nahezu gleiche Vorteile wie Nachteile zu haben schienen". (7)
Am Anfang jedes solchen Hauptteiles befindet sich eine ein- bis
zweiseilige Einleitung. Das ist sehr knapp, wird jedoch ergänzt
durch eine Einführung des Hg.s zu Beginn des Buches (8-24),
die aber wiederum kein „zusammenfassendes Bild" geben, sondern
„I lintergrundinformalionen" und „allgemeine Aspekte des
Themas" zusammenstellen will. (8) Das Ergebnis all dieser
systematischen Vorüberlegungen sieht dann wie folgt aus:

Teil I: Theologie in Entsprechung zur Offenbarung

1. Karl Barth (von Robert Jenson)

2. Dietrich Bonhoefler ( von John D, Godsey)

3. Thomas F. Torrance (von Daniel W. Harily)

4. Eberhard Jüngel (von J. B. Webster)
Teil II: Existenz und Korrelation

5. Rudolf Btiltmann (von Robert Morgan)

6. Paul Tillich (von David H. Kelsey)

7. Edward Schillebeeckx (von Robert J. Schreitcr CPPS)
K. Hans Kiing (von Werner G. Jcanrond)

I eil III: Transzendentale Thcohtgic
9. Karl Rahner (von J. A. DiNoia OP)
ID. Bernard Lonergan (von Hufo Meynell)
Teil IV: Tradition und Schönheit

11. Ives Congar (von Aidan Nichols OP)

12. Hans Urs von Balthasar (von John Riehes)
Teil V: Geschichte und lischatologie

13. Wolfhart Pannenberg (von Christoph Schwöbel)

14. Jürgen Möllmann (von Richard Bauckham)
Teil VI: Neue Herausforderungen in der Theologie

15. Lateinamerikanische Befreiungstheologie (von Rebecca S. Chopp)

16. Schwatze Theologie (von Patrick A. Kalilombe)

17. Asiatische Theologie (von Kosuke Koyama)

IS. Feministische Theologie (von Doris Brockmann)

Diese Einteilung wird überlagert von einer einführenden
Kurzcharakterisicrung fünf möglicher theologischer Vorgehensweisen
durch den Hg. Er will, daß wir uns eine Linie vorstellen
, „auf der fünf Typen von Theologie durch Punkte nebeneinander
angedeutet sind . Der erste Typ repräsentiere dabei am
einen Ende den Versuch, „eine traditionelle Theologie oder
Ausprägung des Christentums zu wiederholen und alle Wirklichkeit
in diesem Sinne zu interpretieren, ohne die Bedeutung
anderer Perspektiven oder der Veränderungen der letzten Jahrhunderte
zu bedenken" (9). Am entgegengesetzten Ende räume
der fünfte Typ einer säkularen Philosophie oder Weltanschauung
völlige Priorität ein. „so daß das Christentum nur dann Gültigkeit
beanspruchen kann, wenn es mit diesem Wirklichkeitsverständnis
übereinstimmt" (9).

Zwischen diesen indiskutablen Extremen bleiben drei Typen
übrig, nach denen man die meisten der im vorliegenden Band
dargestellten Theologen charakterisieren könnte. Zum zweiten
Typ, der nach Ansicht des Hg.s der „Selbstbeschreibung der
christlichen Gemeinschalt" Priorität einräumt und durch „Anselms
Motto eines Glaubens, der Verstehen sucht," beschrieben
werden könnte, rechnet er Barth. Bonhoelffer, Torrance. Jüngel.
Congar und v. Balthasar. (9) Typ 3 liegt s.E. auf der Mitte der
gedachten Linie und repräsentiert eine Theologie der Korrelation
, die den „überlieferten Glauben und das christliehe Denken in
einen Dialog mit der Moderne" (10) bringt. Zu Recht wird diese
Intention in den meisten Theologien gesehen, besonders ausgeprägt
sei sie aber bei Tillich. Schillebeeckx und Küng. Der vierte
Typ nun gebrauche eine „bestimmte moderne Philosophie, Bc-
grilflichkeit oder Art der Fragestellung, um das Christentum mit
einer Interpretation der Moderne zu integrieren" (10). Diesem
Typ werden Bultmann. Pannenberg und Lonergan zugeordnet -
ebenso wie die Prozeßtheologie und theologische Bewegungen,
die Befreiung und Gerechtigkeit in speziellen Lebensbereichen
als integrierenden Faktor der Theologie verstehen.

Aber auch diesem Schema soll nach dem Willen des Hg.s mit
Vorsicht begegnet werden. Es zeige sich nämlich, daß bei einigen
Theologen keiner dieser Typen vorherrschend ist, sich
sogar ganze theologische Ansätze nicht durch dieses Schema
verdeutlichen lassen und diese Einordnung die jeweiligen Theologien
nicht erschöpfend erfassen kann. Letzteres gelte vor
allem für Barth, den Jenson in seinem entsprechenden Kapitel
übrigens so vorstellt: „Wenn es überhaupt so etwas wie .Post-
modernismus' gibt, dann kann Barth als sein bisher einziger
größter Vertreter betrachtet werden, denn sein Werk ist ein
großangelegter Versuch, nicht nur die Aufklärung, sondern
auch die vorherrschende Art und Weise zu transzendicren, wie
der ,moderne' Protetantismus versucht hat, sich mit der Aufklärung
auseinanderzusetzen." (29)

Eingedenk dieser Einschränkungen ist das vorliegende Buch
vor allem Studentinnen und Studenten zu empfehlen, da seine
Ordnungsmuster ihnen eine Erstorientierung im Geflecht der
ungemein vielfältigen modernen theologischen Ansätze ermöglichen
, ohne die Illusion zu einfacher und festgelegter Schemata
zu geben.

Leipzig Annette Wcidhas

Hamann, Johann Georg: Londoner Schriften. Historisch-kritische
Neuedition von O. Bayer u. B. Weißenborn. München:
Beck 1993. XI, 601 S. m. 25 Abb. gr.8°. Lw. DM 248,-.
ISBN 3-406-35088-7.

Johann Georg Hamann (1730-1788). Sohn eines Königsberger
Stadtarztes, homme de lettres, kaufmännischer Angestellter des
Rigaer Handelshauses Berens, wurde von ebendiesem Haus zur
Zeit des Siebenjährigen Krieges 1757/58 in einer kaufmännischen
und handelspolitischen Mission nach London entsandt,
kam dort weder mit seinem Auftrag noch mit seinem Leben zurecht
und erlebte am 31.3.1758 unter fortwährender Bibellektü-
rc eine „Bekehrung". Sie hatte zur Folge, daß er die Feder
ergriff und zur Selbstverständigung zunächst „Biblische Betrachtungen
eines Christen", dann „Gedanken über meinen
Lebenslauf', danach Gedanken über Kirchenlieder sowie einige