Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1995

Spalte:

352-354

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Adamus Goddamus, Lectura secunda in librum primum sententiarum 1995

Rezensent:

Junghans, Helmar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

351

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 4

352

Horizont einer späteren scholastischen Theologie aus beurteilen
würde" (1). Diese „monastische Theologie" skizziert der Vf. eingangs
ebenso wie seine Methode der Schriftauslegung (2-20).
B.s Theologie ziele ..nicht auf Wissensvermittlung, sondern auf
jene conversio, die den ins Kloster gekommenen Weltmenschen
in den monastischen Lebensvollzug integriert"; B. versteht seine
Schriftauslegung als ..Weg der Erfahrung" (.3. IS).

In Teil I „Das Geheimnis Gottes als I i inilas increata" (21-
120) geht der Vf. auf B.s „Trinitarische Begriffe in Brief 190
gegen Abaelard". auf „Spekulative Ansätze im Kontext der
Auseinandersetzung mit Gilbert v. Portiers" und auf „Bernhards
personale(n) Zugang zur immanenten Trinität" ein. Die Auseinandersetzung
mit beiden Denkern führt B. auf dem Hintergrund
der artes liberales, wobei auch er die Begrifflichkeit von Aristoteles
und Bocthius übernimmt. Der Vf. behauptet. B. erweise
sich als geschulter Dialektiker, der es mit Abaelard habe aufnehmen
können (119. anders 25). B. „beläßt das theologische
Wissen nicht in seiner dialektischen Prülbarkeit oder sprachlichen
Aussagbarkeit". sein Interesse ..speist sich weit stärker
von der Liturgie und den Vätern und bezieht ihr Wissen wieder
auf den Glaubensvollzug zurück: darum befürchtet er. bei Abaelard
und Gilbert würden Glauben und Bekenntnis verfremdet
(119). In Bezug auf die Trinitätslehre will B. keine Theorie oder
Spekulation der immanenten Trinität vorlegen, sondern es gehe
ihm darum, „das Geheimnis Gottes, wie es auf uns zutritt, für
die Anbetung und Verehrung zu erschließen" (120). Die Trinität
werde bei B. ganz als „Liebe" verstanden. B. räume Abaelard
gegenüber ein. es sei berechtigt zu sagen, der Heilige Geist
sei de substantia Patris, doch bedeute das keine volle Identität,
sondern lasse eine relative Differenz der Personen zu (29). Gilbert
gegenüber betont er, die Unterscheidung von zwei Substanzen
in Gott sei absurd und widerspreche dem katholischen
Glauben (53). B. sieht in der menschlichen Seele und nicht nur
in der besonderen Konstitution der Person Christi ein Gegenbild
der Trinität: er zieht damit „das Geheimnis des dreifältigen
Gottes auf die geschöpfliche Wirklichkeit aus" (60).

In Teil 2 „Trinitas creata: Die Abspiegelung der Trinität im
geschaffenen Bereich" (121-198) legt der Vf. dar. das Trinitari-
sche sei grundlegend für B.s ganze Theologie. Das gelte auch
für die Anthropologie: „Weil Christus... das wahre Bild Gottes
ist. darum ist es das ureigene Werk des Sohnes, das entstellte
Bild im Menschen wiederherzustellen" (147): das Bild Gottes
im Menschen leite sieh „von der trinitarischen Struktur der Seelenkräfte
" her (158). B. gebraucht vielfach Ternare. so den vo-
luntas - caro - ratio: „Alle drei sind dem Menschen notwendig,
denn durch den Willen wird er bewegt, durch das Fleisch wirkt
er und durch die Vernunft wird er regiert". B. kann auch von
einer schaffenden und von geschaffenen Trinitäten sprechen
(I64ff.); freilich fällt auf, daß der Vf. nicht klar zwischen Trinität
und Ternar unterscheidet, vielmehr erliegt er der Versuchung
, jede Dreierformel trinitarisch zu deuten. Richtig aber ist
sicher: „In sich selbst berührt der Mensch - trinitas creata - die
umfassende Wirklichkeit des dreieinen Gottes. Aufgrund dieser
geschaffenen Grund-Struktur seines Seines kann er zu einer
authentischen Glaubenserfahrung gelangen, die aber immer
durch Christus und den Heiligen Geist getragen ist. durch das
Wort und das Bild Gottes und durch das Band und die Liebe
Gottes. ...So ist denn auch die Trinitälserkenntnis nichts anderes
als der gegenwärtige Milvollzug des dreifältigen Lebensgeheimnisses
Gottes" ( 198).

In Teil 3 „Das Geheimnis der Selbstöffnung Gottes in den
missiones" (199-399) betont der Vf.. daß B. den Menschen in
die Sohnes-Existenz Christi hineinnimmt: „Weil Christus inner-
trinitarisch immer schon Sohn ist, werden wir in ihm zu Kindern
Gottes angenommen" (214). B. betont den Geheimnischarakter
der Trinität. wir können sie nur anbeten, aber nicht ausforschen
(220ff.). wir kennen sie nur durch Gottes Selbster-

schließung in der Sendung der Personen. Dabei betont B. das
„pro me". Bekannt ist, daß B. die Marien Verehrung förderte.
Der Vf. sagt: „Dadurch, daß Maria Christus empfängt, ist auch
in ihr die Fülle der Gottheit anwesend" (242): diese Behauptung
sieht der Rez. durch die Zitate nicht begründet. Die Taufe Jesu
begreift B. als .,militärische Thcophanic": „Der Vater wurde
gehört, der Heilige Geist gesehen, der Sohn getauft" (279).
ebenso die Sakramente als „das Ausströmen von Blut und Wasser
aus dem geöffneten Leib Jesu hin auf die Verströmung des
Geistes in die Kirche hinein" (283), schließlich selbst die
Schriftauslegung: „Lectio divina ist eine Lesung zu zweit. Mit
dem Heiligen Geist ist auch Jesus immer schon gegenwärtig,
der uns den Vater offenbart" (300).

Zusammenfassend bemerkt der Vf.. B.s trinitarisches Denken
sei von personalen Kategorien bestimmt, es betone die Einheil
Gottes und verstehe die Trinität „als ein Mitteilungsgeschehen".
B. interessiert nicht die spekulative Durchdringung theologischer
Probleme, „sondern die immer neu bewegende Frage, wie
der Mensch durch die Gnade des Heiligen Geistes tatsächlich
beginnen könne, das Leben Gottes zu leben" ( 33511.).

Einzelne Fehler fallen auf: So hat das „filioque" beim Schisma
von 1054 keine große Rolle gespielt (zu 113). Es ist ganz
gewiß nicht das „luthersche Gottesbild", „nach dem der Vater
in sich selbst grausam ist" und dem Menschen schreckend, richtend
, vernichtend begegnet (zu 168) - übrigens der einzige Hinweis
auf Luther im ganzen Buch, wo dieser doch B. so überaus
geschätzt hat!

Das Literaturverzeichnis ist (gegen 340) ebenso unvollständig
« ie das Register. Manche Zitate kann man nicht verifizieren
(Scheffczyk. Oeing-Hanhoff. Schwanz u.a.). Unschön sind einige
Ausdrücke, so Mysterialität, sohnliche Sendung, intimierl,
sursumaktiv.

Der Vf. legt eine fleißige Arbeit vor. Er hat (.las Schrifttum B.s
intensiv auf trini tarische Aussagen hin durchforscht und dabei
erkannt, daß die Trinitätslehre grundlegend für seine ganze
Theologie ist. Freilich wird man fragen müssen, ob der Vf. dabei
nicht des Guten zuviel tut und die Propria der Theologie B.s zu
kurz kommen läßt. Es fällt auf, daß Christologie und Pneumato-
logie ausführlich zu Wort kommen, dagegen kaum die Gottesleh-
re. Richtig aber ist. daß der Vf. Gottes Barmherzigkeit als „für
das Goltesbild des gesamten .Bernhardinischen Zeitalters' prägend
ansieht - bis hin zur Architektur, die die „neue menschliche
Gottesnähe (Sedlmayr) betont (219). Es wird sich zeigen, wie die
Forschung das. worum es dem Vf. geht, aufnimmt und ihn nicht
nur in Einzelheiten, sondern im Gcsamtduklus zustimmt oder
nicht. Da ist der Rez. etwas skeptisch.

Freiberg Karl-Hermann Kandier

Wodcham. Adam de: Lectura secunda in librum primuni
Sententiarum. Hrsg. von Rega Wood u. Gedeon Gäl. 3 Bde.
St. Bonaventura, N.Y.: St. Bonaventure University 1990.
49*S, 351 S., 374 S., 491 S. $ 125.-.

Bedarf es einer Werkausgabe eines Scholastikers, der im Lexikon
„Die Religion in Geschichte und Gegenwart" und in "A
history of Philosophy" von Frederick Copleston unerwähnt
blieb, dem das die Spätscholastik gut berücksichtigende Handbuch
„Christliche Philosophie: von ihren Anfängen bis Nikolaus
von Cues" von Philotheus Böhner und Etienne Gilson
(Paderborn 1954) gerade einen Halbsatz widmete (627) und
der in "The Cambridge history of later medieval philosophy"
(Cambridge 1982) allein im Zusammenhang mit den lutura
contingentia behandelt sowie an wenigen Stellen noch erwähnt
wird und im „Lexikon für Theologie und Kirche" gerade mit
einem Dutzend Zeilen berücksichtigt worden ist'.' Die Antwort