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Ausgabe:

1995

Spalte:

349-350

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Ockham, Guilelmus de

Titel/Untertitel:

A short discourse on the tyrannical government 1995

Rezensent:

Junghans, Helmar

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349

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 4

350

Phase (1477-1486) vornehmlich liturgische Annentexte gedruckt wurden?
Wird nicht der Einfluß Roms (Aufnahme des Annentages in das römische
Brevier: 1481!) und die Bedeutung des Gottesdienstes für die Annenverehrung
unterschätzt? Hinzuweisen ist auch auf die Gestaltung des Annentages
als Volksfest. (Anhand von Rechnungen lallt sich beispielsweise nachweisen
, daß der Annentag in der erzgebirgischen Stadl Glashütte das Fest des
Jahres war, das weil mehr Kosten verursachte und Spenden einbrachte als
vergleichsweise Ostern oder Weihnachten.) Wäre nicht eine Vielfalt an Methoden
und Zugängen dem Phänomen besser gerecht geworden? In dieser
Hinsicht könnte an diesem Thema gewiß noch weitergearbeitet werden. Zu
denken wäre beispielsweise an die Untersuchung der Vornamengebung: in
welchen Jahren tritt der Name „Anna" gehäuft auf? (Vgl. die Untersuchung
von Berndt Hamm zur Vornamengebung in Nürnberg in bezug auf den
Namen „Hieronymus" im Zusammenhang mit der Verehrung des Kirchenvaters
.) Mancherlei Zuspitzungen in der Darstellung sind wohl zu relativieren
: wenn behauptet wird, die Annenlegende habe „sozialregulierend und
-disziplinierend" gewirkt (258), ist das wohl eine Überforderung dieser Gattung
. Die von der Vfn. kreierte und durchweg angewandte Bezeichnung
„Annologe" als Bezeichnung für Schriftsteller, die zum Lob der hl. Anna
literarisch tätig wurden, erscheint nicht glücklich, zumal die Analogie zum
■.Mariologen" in diesem Sinne nicht zutrifft (38. Anm. 68).

Die äußere Gestaltung des Bandes ist vorzüglich! Bestenfalls
einige „Schönheitsfehler" sind anzuzeigen: Die Personen- und
Ortsregister sind nicht zuverlässig: z.B. bei den Anmerkungen
der S. 50-70 wurden mindestens zwölf Namen übersehen. Zu
bedauern ist, daß Namen von Autoren und Ortsnamen bei .Standortnachweisen
im Register grundsätzlich nicht berücksichtigt
wurden.

Diese Anmerkungen können und sollen jedoch den Gesamteindruck
nicht schmälern: eine beeindruckende Leistung, die
nicht nur einen Fortschritt bei der Untersuchung der Annenverehrung
darstellt, sondern auch methodische Anregungen vermittelt
, die künftig bei der Behandlung hagiographischer Themen
(ruchbar gemacht werden sollten.

Zu korrigierende Druckfehler: S. 138 Anm. und S. 342 muß es richtig
heißen „Bedouelle" statt „Bedonelle"; S. 167 ist ..Annengut" sinngemäß zu
korrigieren in ..Annenschrifttum" o.a.; „Cruciger" statt „Crucinger" S. 2lf
Hehlt im Register!); der Vorname des Heidelberger Druckers „Knoblocht-
zer" ist „Heinrich" (falsch S. 183. 185 „Johannes"; richtig S. 300. 378; die
Vfn. hat offenbar den Heidelberger mit dem Straßburger Drucker verwechselt
). Zu korrigieren ist im Literaturverzeichnis der angezeigte Titel von
Berndt Hamm: ..Frömmigkeitstheologie am Anfang des 16. Jahrhunderts..."

Dresden/Leipzig Hans-Peter Hasse

Ockham, William of: A Short Discourse on the Tyrannical
Government. Over Things Divine and Human, bul Especial-
ly Over the Empire and Those Subject to the Empire, Usur-
ped by Some Who Are Called Highest Pontiffs. Ed. by A. St.
McGrade, transl. by J. KilcuHen. Cambridge: Cambridge
University Press 1992. XXXIV, 213 S. 8° = Cambridge
Texts in (he History of political Thought. Pb. £ 10.95. ISBN
0-521-35803-5.

Der Leipziger Historiker Richard Scholz (1872-1946) entdeckte
1928 die handschriftliche Überlieferung eines bis dahin unge-
druckten Ockhamtextes, den Leon Baudry 1937 unter dem Titel
..Breviloquium de potestalc papae" und Scholz 1944 als „Brcvi-
loquium de prineipatu tyrannico" edierten. Da in den von Hilary
Seton Offler seit 1940 mühsam herausgegebenen „Opera politi-
ca" Ockhams dieser Text noch fehlt, hat Kilcullen seiner Übersetzung
die Ausgabe von Scholz zugrunde gelegt, sich aber
manchmal für eine andere Lesart entschieden und jeweils darüber
Rechenschaft abgelegt (175-185).

Die Quellenangaben von Scholz sind ausgewertet, aber nicht
einlach übernommen worden. Verweise auf inhaltlich verwandte
Texte in Oekhamschriften sind nun seltener, manchmal auch
ändere Stellen angegeben. Während Scholz, bei den von Ockham
aus Kirchenrechtssammlungcn entnommenen Zitaten auch
die ursprüngliche Stelle angab, verrzichtet die vorliegende Ausgabe
darauf, so daß sie wenig Hilfe bietet, Originaltexte mit
ihrer Rezeption zu vergleichen.

Andererseits hat die Übersetzung neu auf Beziehungen zu
mittelalterlichen Autoren hingewiesen und damit Forschungsergebnisse
eingebracht: Aegidius von Rom (1247-1316), Bonaventura
(1221-1274), Richard Fitzralph (um 1295-1360). Papst
Gregor IV. (827-844) und VIII. (1187), Jakob von Viterbo
(1307/08), Johannes Quidort von Paris (um 1270-1306) - wofür
eine englische Übersetzung von 1971, nicht die textkritische
Edition (Stuttgart 1969) herangezogen wird Papsl Leo III.
(795-816) Marsilius von Padua (um 1278-1342/43), Domingo
de Soto (1495-1560). Konrad Summenhart (1450/60-1502).
Petrus Damiani (1007-1072) und Thomas von Aquino (1225-
1274). Luther bleibt unerwähnt.

Da Offler die Kapitelüberschriften für spätere Zusätze hält,
sind sie am Schluß aufgelistet (187-192), ohne daß durch Hinzufügen
von Seitenzahlen daraus ein zweckmäßiges Inhaltsverzeichnis
entstand.

Der Hg., der 1974 mit "The political thought of William of
Ockham" einen wichtigen Beilrag zum Verständnis von Ockhams
politischem Denken geleistet hat, führt in der Einleitung in
Probleme der Ockhamdeutung ein, ehe er kundig über den Inhalt
der einzelnen Bücher der übersetzten Schrift unterrichtet. Hill-
reich für ein rechtes Verstehen sind auch Hinweise auf den Argumentationsaufbau
in den Fußnoten der Übersetzung.

Für McGrade sind einige Punkte besonders wichtig. Ockhams
Kritik am Absoltilhcilsanspruch des Papsttums sollte nicht übersehen
lassen, daß in seiner Ekklesiologie für ein rechtgläubiges
Papsttum Raum ist. McGrade sieht in Ockham einen Kritiker
eines geistlichen und weltlichen Absolutismus, der damit einen
Beitrag zum Konstitutionalismus leistete. Er warnt auch davor.
Ockhams Angriff aufs Papsttum als Vorwegnahme der Reformation
anzusehen. Für ihn besteht der dauerhafteste Wert von Ockhams
politischem Denken in dem Versuch, die Selbständigkeit
der geistlichen und weltlichen Institutionen unter normalen Umständen
zu behaupten, d.h. in seiner Entfaltung der durch Johannes
von Paris erneuerten Zweiregimentenlehre.

Die Erhellung ihrer Beziehung zu den Reformatoren bleibt
allgemein weitgehend vernachlässigt. Behindert wird ihre Erforschung
dadurch, daß noch nicht einmal die Hälfte von Ockhams
politischen Schriften textkritisch ediert ist. Zu einem breiteren
Interesse an Ockhams politischem Denken soll im englischsprachigen
Raum die vorliegende Ubersetzung beitragen,
die nach der Veröffentlichung übersetzter Auswahltexte erstmals
eine politische Ockhamschrift vollständig - soweit überliefert
- bietet. Deutsche Übersetzungen könnten helfen, Parallelen
zu Ausführungen Luthers leichter zu bemerken.

Leipzig Helmar Junghans

Stickelbroeck, Michael: Mysterium Vcnerandum. Der trinita-
rische Gedanke im Werk des Bernhard von Clairvaux.

Münster: Aschendorff 1994. X, 366 S. gr.8° = Beiträge zur
Geschichte der Philosophie und Theologie im Mittelalter, NF
41. Kart. DM 78,-. ISBN 3-402-03936-2.

Im Zusammenhang mit dem 900. Geburtstag des Bernhard von
Clairvaux (=B.) hat man sich viel mit diesem umstrittenen
Theologen befaßt. Neben der neuen deutsch-lateinischen Edition
seiner Werke (hrsg. von G. B. Winkler, 19901T.) sind zahlreiche
Untersuchungen veröffentlicht worden, darunter die vorliegende
, die 1993 der Kath.-Theol. Fakultät Augsburg als Dissertation
(bei A. Ziegenaus) vorlag.

Die Arbeit steht ganz unter dem Anspruch, in der bernhardini-
schen Theologie als einer „monastischen Theologie einen eigenen
Denktyp zu erkennen, da man sonst Bernhard immer vom