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Ausgabe:

1995

Spalte:

337-339

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Dunderberg, Ismo

Titel/Untertitel:

Johannes und die Synoptiker 1995

Rezensent:

Bull, Klaus-Michael

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Theologisehe Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 4

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Leben, also doch seine Funktion (wenn auch nie nur uns gegenüber
), von seinem Sein unterscheiden? Daß Bonhoeffer, Jüngel,
Küng, Moltmann. Rahner. Schillebeeckx, Tillich und Torrance
(Belege in meinem Beitrag zu B. Jaspert (ed.|. R. Bultmanns
Werk und Wirkung, Darmstadt 1984. 146) grundlegend für
ökonomische, nicht immanente Trinität plädieren, zeigt das
Problem dieser (theologisch freilich zu bedenkenden |Jüngel|)
Unterscheidung. Jedenfalls ist sie nur so möglich, daß man festhält
, daß Gottes Leben (zentral sein Lieben!) ein Handeln ist.
das aber nie nur ein Teil seines Lebens ausmacht, also mit Haß
oder Gleichgültigkeit wechseln könnte, sondern sein Wesen
selbst ist und bleibt. Genau das sagen wir aus, wenn wir Jesus
„nicht metaphysisch" (Brown 189). sondern funktional Gott
nennen, d.h. von ihm als der Inkarnation der Liebe Gottes selbst
reden. Diese Erkenntnis ist gewachsen von den ersten noch vom
einen Gott des AT bestimmten Formeln bis zu Jo 20,28 und der
weiteren Entwicklung, wo Ignatius dann auch den Irdischen
Gott nennt (Brown 190-195).

Zürich Eduard Schweizer

Dunderbern. Ismo: Johannes und die Synoptiker. Studien zu
Joh 1-9. Helsinki: Suomalainen Tiedeakatemia 1994. 228 S.
gr.8o = Dissertationes Humanarum Lilterarum, 69. Kart. FIM
140.-. ISBN 951-41-0731-4.

Die Frage nach dem Verhältnis des Johannesevangeliums zu
den Synoptikern ist in den vergangenen Jahren wieder in das
Zentrum des Interesses gerückt. Das kann angesichts der intensiven
Diskussion um die Entstehungsgeschichte des Jo und den
Ort der jo Gemeinden im Lirchristentum auch nicht verwundern
. So hängt z.B. die Antwort auf die Frage, ob die jo Entwicklungslinie
im Urchristentum ein isoliertes Dasein am Rande
führte, wesentlich davon ab, ob man im Jo eine Kenntnis der
Synoptiker voraussetzen kann oder nicht. Oft spitzt sich das
Problem auf die Frage nach einem etwaigen „Verkirehliehungs-
prozeß" der jo Gemeinden zu, für den die bewußte Aufnahme
der Synoptiker Indiz sein könnte. Die bisherige Diskussion hat
aber auch gezeigt, daß mangels auswertbarer Textbasis kaum
neue Argumente beigebracht werden, obwohl immer neue Texte
des Jo auf synoptische Einflüsse befragt werden.

Man mag daher zunächst skeptisch sein, wenn man die neue
Untersuchung von Ismo Dunderberg in die Hand nimmt, zumal
der Vf. die einschlägig bekannten Texte aus Jo 1-9 (1,19-51;
4,43-54; 5,1-18; 7,19-24; 6.1-25.60-71; 9,1-41) einer erneuten
Betrachtung unterzieht. (Auf eine Untersuchung von Jo 2,13-22
verzichtet der Vf., um seine Arbeit von den komplizierten Problemen
um die jo Passionsgeschichte zu entlasten.) Schon bei
der Darstellung der bisherigen Forschung zum Thema bemerkt
man aber, mit welchem Pfund der Vf. zu wuchern gedenkt - mit
seiner bewundernswerten methodischen Disziplin.

Die eigenen methodischen Überlegungen sind von dem
Bemühen geprägt. Zirkelschlüsse soweit als irgend möglich
auszuschließen und sich auf die Erzählwelt des Jo zu beschränken
. Er konzentriert sich auf die Frage nach erzählerischen
Spannungen und Brüchen im vorliegenden Text des Jo und
•ragt dann danach, ob diese Spannungen und Brüche etwa durch
die red. Endgestalt der synoptischen Parallelstellen bzw. deren
Kenntnis durch den jo Autor zu erklären seien. Auf diese Weise
vermeidet er den Fehlschluß, mögliche gemeinsame Traditionen
bzw. usuelle Topoi und Redewendungen als Indizien für
Beeinflussung durch die Synoptiker zu werten. Durch die Beschränkung
auf die Analyse der Erzählwelt des Jo gelingt es
dem Vf., die Klippen der Diskussion um unterschiedliche theologische
Akzentsetzungen im Jo zu umschiffen. Damit ist
sowohl eine Stärke als auch zugleich eine Schwäche der Untersuchung
benannt. Der Vf. kann sich auf diese Weise ganz, auf
die ihn interessierende Fragestellung konzentrieren, zugleich
aber bleibt die von ihm mit Recht angenommene red. Bearbei-
tungsschicht merkwürdig konturenlos, da ihre einzelnen Teile
theologisch unverbunden nebeneinander stehen bleiben. Der
Vf. beschränkt sich hier auf wenige Bemerkungen, begibt sich
damit aber der Möglichkeit, seine literarkritischen Erkenntnisse
theologisch zu verifizieren.

Im einzelnen kommt der Vf. zu folgenden Ergebnissen: In Jo
1,19-51 schreibt er die V. 20-21.24-27.32-34.41-43.51 der jo
Red. zu. auf die auch Jo 21 zurückgeht. Dabei dient dem Vf. das
Vokabular dieses Kapitels hier wie auch sonst mehrfach dazu,
red. Passagen zu identifizieren. Neben der red. Bearbeitung des
Abschnittes rechnet der Vf. mit der Möglichkeit, daß schon der
Grundschrift ein früherer Bericht über den Beginn der öffentlichen
Wirksamkeit Jesu vorgelegen habe (48). Synoptischen
Einfluß hält er für möglich in V. 20 (Lk 3,15; Act 13,25) und V.
43 (Mk 2.130 und wahrschienlich in V. 26f (Mt 3,1 If. 16). Die
jo Red. benutzt das synoptische Material kreativ, um Tendenzen
der Grundschrift zu verstärken, gleicht also nicht an die
Synoptiker an.

Bei der Analyse von Jo 4.43-54 kommt der Vf. zu dem Ergebnis
, daß die V. 44-45a.46-54, also die gesamte Wundergeschichte
, auf die jo Red. zurückzuführen seien. Er schließt sich
damit dem größer werdenden Kreis derer an, die m.E. zu Recht
die Existenz einer Semciaquelle bestreiten. ..Die Exposition der
jo Fassung (der Wundergeschichte KMB) weist Nähe zur luka-
nischen Erzählvariante auf." (89) Eine Beeinflussung durch das
Lk ist letztlich aber nicht verifizierbar. Dagegen führt der Vf.
die unerwartete Konkretisierung der Krankheit als Fieber in V.
52c auf den Einfluß des Mt zurück, in dessen Komposition die
Geschichte von der Heilung der Schwiegermutter des Petrus
unmittelbar folgt. Wieder muß aber festgestellt werden, daß
eine Aufnahme der Intention der mt Red. gerade nicht erfolgt.
Im Gegenteil sieht die jo Red. den Glauben, der sieh auf die
Wunder bezieht, kritisch, während ihn Mt als Vertrauen auf die
Wundermaeht Jesu lobt (96).

In der Erzählung von der Heilung des Lahmen (5.1-9c) und
den darauf Bezug nehmenden Streitgesprächen (5,9d-l8: 7.19-
24) identifiziert der Vf. 5.6b-7.9d-18 und 7,19-24 als sekundäre
Erweiterungen. Von diesen rechnet er 5.13-15a und 7.19-24 der
jo Red. zu. während die übrigen Passagen schon auf das Konto
der Grundschrift und ihrer Interpretation der ursprünglichen
Wundergeschichte gehen. Einen Einfluß der Synoptiker kann
der Vf. nicht erkennen, hält aber einen tradilionsgeschichtlichen
Zusammenhang zwischen Jo 5.2-9c* und Mk 2.1-12* für möglich
. Dieser sei aber aufgrund der mk Red., deren Umfang der
Vf. m.E. überschätzt, nicht mehr genauer zu klären (115).

In Jo 9,1-41 führt der Vf. die V. 40f auf die jo Red. zurück,
rechnet aber wiederum damit, daß die traditionelle Wundergeschichte
schon in der Grundschrift umfangreich bearbeitet worden
ist. Einen Einfluß der Synoptiker hält er nur in V. 4()f für
denkbar (Mt 15,14). aber eher für unwahrscheinlich.

Besonderes Interesse verdienen die Untersuchungen des Vf.s
zu Jo 6,1-25.60-71. Das gilt zunächst natürlich deshalb, weil in
diesen Abschnitten die Parallelen zu den Synoptikern (Mk
6,36.52; 8.27-33 parr) sofort ins Auge fallen. Zugleich gehört
Jo 6 aber auch zu den Texten im Jo. die im Zentrum der Diskussion
um seine Entstehungsgeschichte stehen. Der Vf. setzt hier
durchaus eigene Akzente.

Der Vf. beginnt mit der bekannten Beobachtung, daß die
Verknüpfung zwischen Jo 5 und 6 nur sehr oberflächlich ist.
Die Wendung „auf der anderen Seite des Sees von Galiläa bei
Tiberias" (6,1) hängt in der Luft, da ihr das Pendant in Jo 5
fehlt. Der Vf. verweigert sich aber der gängigen Vermutung,
daß Jo 6 ursprünglich auf Jo 4 gefolgt sei. und stellt die These
auf. daß das Kapitel red. zwischen Jo 5 und 7 eingeschoben