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Ausgabe:

1995

Spalte:

279-281

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Cramer, Peter

Titel/Untertitel:

Baptism and change in the early Middle Ages 1995

Rezensent:

Hammerich, Holger

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 3

2X0

Dannowski. Hans Werner u. Jobst von Stuckrad-Barre: Im Feiern sind
wir eins. Zwei Berichte Uber neue Kasualien (ZGP 12, 1994, 25-31).

Dienst, Karl: Kirche bei Gelegenheit? Der alte und immer wieder neue
Streit um die Ortsgemeinde (LM 94, 1994. 3-5).

Kntrich. Manfred: Glaubensverkündigung auf den Straßen des Lebens:
zur Krise der Verkündigung (StZ 119. 1994, 763-770).

Kalcke, Heina: Die Kirche in der Jahrtausendwende. Neue Herausforderungen
und Prioritäten (Zeitschrift für dialektische Theologie 9. 1993. 153-172).

Greinacher. Norbert: Praktische Theologie und die ökumenische t rage:
sieben Thesen (ThQ 174, 1994, 17-22).

Heinz. Hanspeter: Demokratie in der Kirche: /ur Mitverantwortung und
Beteiligung aller Getauften (StZ 119, 1994, 579-592).

Josuttis, Manfred: Mitarbeit und Mitgliedschaft in der Kirche (LM .34,
1994, 18-20).

Kirche - Mission - Gemeindeaufbau. Biblische Erörterung beim dritten
Evangelischen Kirchentag in Schäßburg (Kirchliche Blätter der evang.
Kirche in Rumänien 60, 1994, 7, 7).

Knall. Dieter: Evangelisches Zeugnis in der Minderheit (EvDia 63, 1994.
47-57).

Knigge, Heinz-Dieter: Kinder bei Beerdigungen (ZGP 12, 1994. 32-35).

Kronig. Waldemar u. Klaus-Dieter Müller: Evangelische Studentengemeinde
: inSBZu. DDR von 1945 bis 1958 (DtPfrBl 94, 1994,315-317).

Müller. Hans Martin: Werden und Wandel evangelischer Pfarrerausbildung
(ZEvKR 39, 1994, 19-29).

Neubauer. Reinhard: Auslaufmodell Volkskirche - was kommt danach'1
Stuttgart: Quell 1994. 142 S. 8°. Kart. DM 29.80. ISBN 3-7918-1426-5.

Oesch. Johannes: Richtungsgemeinde oder Parochie? Eine falsche Polarisierung
! (DtPfrBl 94, 1994, 215-219).

Poerwowidagdo, Judo: Asian Perspective of Ministerial Training (Ban-
galore Theological Forum 26, 1994. 11-20).

Ringleben. Joachim, u. Klaus Winkler: Umgang mit Fremden. Hannover
: Luth. Verlagshaus 1994. 53 S. kl.8° = Vorlagen, NF 21, Kart. DM
7,80.

Ringseisen. Paul: Morgen- und Abendlob mit der Gemeinde. Geistliche
Erschließung, Erfahrungen und Modelle. Mit einem Beitrag von M.
Klöckener. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1994. 248 S. 8°. Kart. DM 24,80.
ISBN 3-451-23337-1.

SchlntoiT, Bernd: Den Aufbruch wagen. Zehn Thesen zur Zukunft der
Kirche. Wuppertal-Zürich: Brockhaus 1994. 125 S. 8° = Brockhaus Taschenbuch
, 501. ISBN 3-417-20501-8.

Wegener. Hildburg: Macht von Frauen - Macht von Männern (PTh 83.
1994, 4.33-444).

Winkler, Eberhard: Diaspora in ihren Beziehungen zur Volkskirche
(EvDia 63, 1994, 15-28).

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Cramer, Peter: Baptism and Change in the Karly Middle

Ages c. 200 - c 1150. Cambridge: Cambridge Universitj
Press 1993. XX, 3.56 S. 8° = Cambridge Studies in Medieval
Life & Thought, 20. Lw. £40.-. ISBN 0-521-35163-4.

Es gibt kaum elwas Konservativeres als die Liturgie. Über die
last tausend Jahre, die Peter Cramer untersueht hat, ist das
Taufritual ..relativ" unverändert geblieben (2). Selbst als man
last ausschließlich Säuglinge taufte, hat man das Formular der
Erwachsenentaufe beibehalten. Aber natürlich hat sieh sein
Verständnis dureh die neue Zielgruppe verändert. Diesem
schwer greifbaren Wandel möchte der Vf. nachgehen. Herkömmliche
historische Methoden reichen dazu nicht aus. Da die
Liturgie durch ihren sozialgeschichtlichen Kontext bestimmt
wird, legt sich eine sozialgesehiehtliche Untersuchung nahe.
Aber ihre „Armut" kann die vielfältigen Aspekte der Liturgie
nicht erlassen (X). Auch eine Anthropologie des MA würde zu
kurz greifen (181 A 7). obwohl anthropologische Deutungs-
ansätze neben Ricceurs Symboltheorie zu den wichtigsten Ele
menten der differenzierten Methodik gehören. Eine „Performance
" ist die Liturgie im allgemeinen und die Taufhandlung
im besonderen, so wird immer wieder betont, eine künstlerische
Aktion also, bei der wie im Theater die Vorstellungskraft des

Publikums beteiligt ist (5). Damit komplettiert die Kunsttheorie
das Mcthodenensemblc (236-243). Zeitgenössische Kunstwerke
werden durchgehend herangezogen und auch in den beiden
abschließenden Exkursen über die Stellung der Baptisterien in
norditalienischen Städten (267-290) und die Deutung des Bild-
programmes von Concordia Sagittaria in Venetien (291-319)
schwerpunktmäßig behandelt.

Was im liturgischen Augenblick konzentriert und bei der
Taufe an die symbolträchtigen Zeiten von Ostern und Pfingsten
gebunden ist, das verschwindet, wenn es theologisch interpretiert
oder erzählerisch entfaltet wird. Den allmählichen Verlall
der Taufe bis zum ,Talling sbort" im 12. Jh. versucht C. nachzuzeichnen
. Weil das frühe MA die Traditionen der Antike aufgreift
, setzt er schon bei der ersten ausgeführten Taufordnung
an, die wir Hippolyt von Rom verdanken (9-45). Kurze eigenständige
Essays (4) charakterisieren Tertullian weniger geglückt
als Rationalisten. Ambrosius einleuchtender als an das
Gefühl appellierenden Theologen (46-86). Die Schlüsselstelle
zum MA bildet natürlich der „janusköpfige" Augustin. Vor tiein
pelagianischen Streit entlallet er die laufe als cultus dei, als
„starke" liturgische Erinnerung (87-109). Einen Bruch stell!
dann die Verbindung der Taufe mit der Erbsündenlehre dar
(109-124), die das MA in semipelagianischer Korrektur (I31f)
oder unkritischer Wiederholung (1361) aufnimmt. Quellenmäs-
sig schwer zu erfassen ist der Ubergang von Augustin zur karo-
lingischen Zeit (130-178). C. hält sich an die liturgischen Zeugnisse
, die verschiedenen Sakramentare, und ergänzt sie überzeugend
durch volkssprachliche Texte, Herausgehoben wird
hier besonders ilie Betonung formaler Gesichtspunkte, des richtigen
Vollzuges der Taufe. Die karolingische Zeit führt dann
zum „Verschwinden der Taufe" (179-220).

Ausschlaggebend dafür sind neben dem Entstehen der Firmung (179-
184) vor allem die pädagogischen Absichten der karolingischen Mission,
die dazu führen, das Taufritual zu erklären. Endgültig problematisch werden
das Symbol und der liturgische Vollzug im 12. Jh. (221-266). Der
Abendmahlstreil /wischen Berengar von Tours und Lanfranc von Bcc ist
der eigentliche Zielpunkt der Untersuchung (I). In der Auseinanderset/ung
Uber das Wie und Wo des Leibes Christi im Mahl geht ..die Unschuld des
sakramentalen Symbols" verloren (I). Auch das ..Selbst" Lanfrancs gegen
das trotzige „ich" Berengars kann das Problem nicht lösen. Zwar leuchtet
bei Bernhard von Clairvaux noch einmal die alte Kraft der Taufe als liturgischer
Vollzug auf (2621). Aber am Ende steht die „dilfidence" Abelards, die
zusammenhängt mit dem mangelnden Zutrauen zu sich selbst (2651).

So facettenreich wie die 'Taufe ist das Buch. Eine kurze Ski/
ze kann ihm deshalb kaum gerecht werden, Wer mich der
Bedeutung liturgischer Tradition heute fragt, wird vielfältig
fündig werden.

Die komplizierte Methodik sperrt sich aber gegen eine kritische Würdigung
. Man muß nur einmal das Kapitel über Hippolyt (9-45) mit der Darstellung
in der inzwischen klassischen ..Geschichte des Taufgoltesdienstes
in der alten Kirche" von Georg Kretschmar (Kassel 1970) vergleichen, die
C. übrigens nicht berücksichtigt. Er steht in einer anderen Forschungsiradi-
tion. Bei C. erfährt man nichts über mögliche syrische Einflüsse auf die
vielfachen Salbungen. Es geht nur um „crisis". um die gefährliche Begegnung
von Gott und Mensch und die gesellschaftlichen Konsequenzen.
Strukturell gesehen geraten dann jüdische, besonders essenische und gnosti-
sche Taufvorstellungen auf eine Linie mit Hippolyt. Mit keinem Wort wird
erwähnt, daß Hippolyt einer der schärfsten Gegner der Gnosis gewesen ist

Dieser Einwand mag noch die Beckmesserei eines Historikers
sein, der nicht immer nach den Spannungen unter der
Oberfläche der Texte fragt und zwischen zielsicheren meisterhaften
Interpretationen und anachronistischer Zungenrede unterscheidet
. An einer Stelle soll aber exemplarisch die Problematik
der vielfältigen Rückschlüsse aufgezeigt werden: G
weist auf den kindliehen Christus in mehreren Darstellung*1
seiner Taufe hin und wertet ihn als einen Reflex der Kindertaufe
(3; 149 mit A 57), als eine Idcntifikationsligur also. Nun ist
C. entgangen, daß sich eine entsprechende Darstellung des
Christus als Kind vor einem als kynischen Philosophen gekennzeichneten
Johannes schon auf dem ältesten christlichen Sarko-