Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1995 |
Spalte: | 271-273 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Dogmatik |
Autor/Hrsg.: | Basse, Michael |
Titel/Untertitel: | Certitudo spei 1995 |
Rezensent: | Schröer, Christian |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
271
Theologische Literuturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 3
272
Augen des Glaubens - im Grunde war das ja genau der Rat Max
Schelers an G.! - und ist das entscheidende, ja alles entscheidende
theologische Koordinatensystem G.s das der Korrelation
von Offenbarung, Hören und Glauben (s.o.), so dürfte die Voraussetzung
gegeben sein, auch von evangelischer Seite her
zumindest einmal die Diskussion über die Frage der Möglichkeit
einer christlichen Weltanschauung zu beginnen.6 Also verweise
ich auf das „Nachwort" zu „Guardini Weiterdenken" von
Hans Maier (236ff.) und bitte, es mit wohlwollenden evangelischen
Augen zu lesen. Es bleibt sicher hier und dort beim „protestantischen
" Widerspruch. Aber es kommt hoffentlich zum
ökumenischen Gespräch! Was die Frage der Weltanschauung
angeht, nun, hier sollte der evangelische Theologe wirklich
„Guardini weiterdenken", freilich auf seine Art. Anders gesagt:
Es geht darum, auf evangelischer Seite mit Energie das fundamentaltheologische
Defizit aufzuholen.
Göttingen Hans Hühner
1 Leipzig 1990 = geringfügig gekürzt gegenüber der Westausgabe Mainz
^ 1987, dafür aber wesentliehe Erweiterung des Biiderteils. S. auch Heinz
Robert Schiene, Romano Guardini. Werk und Wirkung, Bonn 21985.
2 ThLZ 1 16, 1991,401-416.
* Daß am Anfang ein Aufsatz mit dem zunächst befremdlichen Titel
Fachwort und Deutung" erscheint, hängt damit zusammen, daß es sich um
den Nachdruck des Nachdrucks der in Anm. 4 genannten Publikation
Guclardinis handelt.
4 R. Guardini, Vom Wesen katholischer Weltanschauung. Nachwort von
H. Fries, Basel 1953; ursprünglich veröffentlicht in: Schildgenossen 4
(1923), 66-79.
" S. Gerl, Rom, Romano Guardini, 276ff, Exkurs: Freundschaft im
Dienst der kirchlichen Erneuerung. Die Beziehung Heinrich Kuhlefelds zu
Guardini.
6 S. meinen Beitrag „Der Begriff .Weltanschauung' bei Rudolf Bultmann
" in der 1995 herauskommenden Festschrift für Bernd Jaspert: Wandel
und Bestand. Denkanstöße zum 21. Jahrhundert, hg. von M. Hebler OSB,
H. Gehrke und H.-W. Stork, Paderborn/Frankfurt 1995.
Systematische Theologie: Dogmatik
Basse, Michael: Certitudo Spei. Thomas von Aquins Begründung
der Hoffnungsgewißheit und ihre Rezeption bis zu in
Konzil von Trient als ein Beitrag zur Verhältnisbestimmung
von Eschatologie und Rechtfertigungslehrc. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht 1993. 261 S. gr.8° = Forschungen zur
syst. u. ökum. Theologie, 69. ISBN 3-525-56276-4.
Vor dem Hintergrund der kontroverstheologischen Auseinandersetzung
um den Begriff der Heilsgewißheit zwischen Luther
und der Konzilstheologie von Trient sowie im Blick auf die
neueren Versuche (Pfürtner, O.-H. Pesch), unter Hinweis auf
die thomanische Lehre von der Hoffnungsgewißheit in dieser
Kontroverse zu vermitteln, fragt B. in seiner Studie (Diss. Bonn
1992), was bei Thomas von Aquin mit dem Begriff der certitudo
spei gemeint ist und wie Thomas die Absolutheit dieser
Gewißheit begründet. Nach einer eingehenden Darstellung der
Position des Thomas' (23-143) verfolgt B. die Rezeption dieser
Lehre im Spätmittelalter (144-165), um sodann das Gewißheitsverständnis
Luthers dagegen abheben (166-207) und den geringen
Einfluß Thomas' in dieser Frage auf die Konzilstheologie
von Trient aufweisen zu können (208-217). Ein Schlußkapitel
beleuchtet den „Ertrag" der Untersuchung im Hinblick auf die
gegenwärtige Diskussion (218-240).
Nach B. stellte sich die Frage, ob die Hoffnungsgewißheit
absolut gelte oder vom Glauben, von der Gnade oder auch von
Verdiensten abhängig sei, insbesondere im Anschluß an die
Definition der christlichen Hoffnung durch Petrus Lombardus,
welcher sie als eine „Tugend, durch die geistliche und ewige
Güter erhofft werden," und als „eine gewisse Erwartung der
künftigen Glückseligkeit, welche aus der Gnade Gottes und
vorangehenden Verdiensten hervorgeht," bestimmte (14f). Die
Lösung des Thomas' beschreibt B. als „eine Synthese des biblischen
Hoffnungsbegriffs mit der aristotelischen Tugendlehre"
(97), der eine aristotelisch orientierte Gesamtsicht menschlichen
Handelns sowie ein spezilisch praktischer Begriff der
Gewißheit zugrundeliege. Nach Thomas sei der Mensch von
Gott zum eigenständigen Handeln geschaffen, finde sich aber
auf ein letztes Ziel hin ausgerichtet, das zu erreichen seine natürlichen
Kräfte wesentlich übersteige; durch seine in der Offenbarung
vermittelten Gnade begründe Gott jedoch die an sich
übernatürliche Möglichkeit, Gott ausdrücklich im Glauben zu
erkennen, alle Hoffnung auf ihn zu setzen, um ihn schließlich in
der Gotteslicbe selbst zu erreichen (51-63). Gewißheit der Hoffnung
meine in diesem Kontext kein theoretisches Wissen darum
, daß das Ewige Leben auch wirklich erreicht werde, sondern
allein dies, daß Gott dem Menschen die Hoffnung als feste
„Ausrichtung des Strebens auf das künftige höchste Gut, das
trotz Hindernisse erreicht werden kann" (35-51), unwiderruflich
geschenkt und eröffnet hat. Die Hoffnung sei für Thomas
im absoluten Sinne gewiß, weil sie allein durch die unfehlbare
Allmacht und Barmherzigkeil Gottes aufgerichtet wird und
insofern durch kein Versagen des Menschen in Frage gestellt
werden kann (86; 97-102). Somit besiehe die Hoffnungsgewißheit
auch ungeachtet der Ungewißheit des persönlichen
Gnadenstandes. Selbst von der Glaubensgewißheil hänge sie
nicht deduktiv, sondern nur teilhabend ab, insofern die Festigkeit
eines Willensaktes stets an der für gewiß gehaltenen Erfassung
des gewollten Ziels partizipiere (83f).
Die Crux dieser Lehre des Thomas' sieht B. in der beschränkten
Funktion und Reichweite der Hoffnungsgewißheit, insofern
die gottgewirkte Gnade (gratia operans), indem sie der Mensch
annimmt und in seinen Akten des Glaubens, der Hoffnung und
der Liebe wirksam werden läßt, zur gratia cooperans werde;
denn diese wiederum werde zum Prinzip der übernatürlichen
Verdienste des Menschen, die Thomas zwar nicht im Sinne von
Ursachen, wohl aber im Sinne einer „Angemessenheit" für ein
Erfordernis der Ewigen Glückseligkeit hält (301, 50f, 102).
Somit vertrete der Aquinate zwar eine absolute Hoffnungs-,
zugleich aber eine konditionale Heilsgewißhcit (138), die sich
damit wesentlich von der christozentrisch. eschatologisch und
rechtfertigungstheologisch begründeten Heilsgewißheit bei
Luther unterscheide. Wohl finde die Barmherzigkeit Gottes
auch nach Thomas im Heilswerk Christi ihre „äußerste Reali
sierung" (110), so daß auch „die fundamentale Bedeutung des
Todes Christi im Gesamtgefüge der thomanischen Theologie
gesichert" sei (I 1 1). Doch erscheine die Vermittlung der Heilstat
Christi durch ihre sakramentale Einbindung lediglich als
„die durch das meritum Christi neu eröffnete Möglichkeit, mit
Hilfe der Tugenden und der ihnen zugeordneten Sakramente
das Ewige Heil zu erlangen (122). So sieht B. insbesondere in
der handlungstheoretischcn, von der conditio huinana her aufsteigenden
Grundperspektive bei Thomas den Grund dafür, daß
„weder die Christologie noch die Gnadenlehrc - und darin eingeschlossen
auch die Rechtfertigungslehre - [...] über diese
grundsätzliche Orientierung an den Möglichkeiten des Menschen
hinauslgeht |" (119). Im Gegensalz hierzu habe Luther
diese eingeschränkte Funktion der Hoffnungsgewißheit „entgrenzt
" (194) und so den Menschen vom Zwang befreit, seine
Gerechtigkeit erst noch verwirklichen zu müssen (205); denn
„nicht das Sein und Tun des Menschen, sondern allein der
Glaube" an das verheißene Wort Christi und an das Heilshandeln
Gottes an Christus in Kreuz, und Auferstehung rechtfertige
und könne dem Sünder Halt geben (184-189). So meine Holl
nungsgewißheit bei Luther die „eschalologische Dimension der