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Ausgabe:

1995

Spalte:

240-242

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

DeMaris, Richard E.

Titel/Untertitel:

The Colossian controversy 1995

Rezensent:

Schweizer, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 3

240

Ergebnis, daß sich von den fraglichen Kapiteln aus in der
gesamten Hiobdichtung außer dem ursprünglichen Hiobdichter
und abgesehen vom Elihudichter (32-37) noch eine „Niedrigkeitsredaktion
" (des Menschen), eine „Majestätsredaktion"
(Gottes) und eine „Gerechtigkeitsredaktion" (Synopse der Redaktionen
, 190-192) nebst einigen noch unidentifizierbaren
Glossen nachweisen ließen. Der dritte Teil versucht dann eine
Profilierung der gen. drei Redaktionen aufgrund ihrer intentio-
nalen Zuordnung zu außerkanonischen und besonders Qumran-
schriften (Niedrigkeitsdoxologien) bis hin zu einer theologiegeschichtlichen
Chronologie (der Entstehung) des Hiobbuches
(Ende des 4. Jh.s bis Anfang des 2.Jh.s n.Chr.) mitsamt einem
nochmaligen theologischen Gesamtaufriß „vom Leiden zur
Lehre"; der Rest ist fleißige, doch im Grunde die oben vorgetragenen
Ergebnisse wiederholende Statistik.

Der Rez. teilt mit dem Vf. die Auffassungen, daß I. alle bisherigen
Rekonstruktionsversuche eines 3. Redeganges nicht
befriedigend sind, und daß 2. in dieser Frage ein Weiterkommen
nur durch einen - allerdings auch systemat.-theol. möglichst
unvoreingenommenen! - Blick auf das atl. Ganze mindestens
der Hiobdichtung (3,1-42,6) möglich erscheint, d.h. aber
auch nach allen ihren exegetischen, semantischen, syntaktischen
, form- und traditionskritischen, kontextlichen und dramaturgischen
, nicht nur literarisch-redaktionshistorischen Signalen
und Bezügen. Warum wird aber dann gerade nach kritischer
Prüfung der bisherigen „Lösungen" nicht die methodisch naheliegendste
Schlußfolgerung gezogen bzw. wenigstens erst einmal
untersucht, daß ursprünglich überhaupt kein dritter Rede-
gang jedenfalls in der bisherigen Form beabsichtigt war, sondern
nach Hi 21; 22 schon sehr früh, sozusagen unter dem vorhergehenden
Dialogzwang, mit solchen (erfolglosen) Rekonstruktionsversuchen
begonnen wurde, wofür sich in den Uberlieferungen
neben indirekten noch einige direkte Hinweise finden
?! Besonders unsachgemäß scheint sich dann weiter die Argumentation
auszuwirken, daß sich (nach gegenwärtigem auslegerischen
, theologisch systematisierenden Verständnis!) tendenziell
ausschließende Positionen (Hiobs oder seiner Gesprächspartner
) bereits unmittelbar als literarhistorische Sachverhalte
nur als jeweils aufeinander folgende, bis in einzelne
Versteile hineingehende Redaktionsschichten erklärt werden
könnten. Dafür werden vom Vf. außer der Behauptung jener
„Tendenzen", einigen metrischen Hinweisen und einer im einzelnen
im Sinne jener Tendenzen zusarnmenordnenden, kon-
textlich substituierenden Logik kaum mehr als einige für sich
selbst sprechende Kriterien einer echten redaktionellen Schicht
geliefert. Dies muß man aber, im Unterschied noch zu den
Schichten geschichtlich erzählender atl. Literatur, für eine weisheitliche
Problemdichtung besonders deutlich verlangen, da es
sich um den literar. Niederschlag einer verschiedene Standpunkte
artikulierenden Diskussion, die Problemaspekte des
einen ggf. im Munde des anderen und „Hiob" als Sprecher eines
Kreises von Weisen, mit dem Hiobbuch handelt.

Der Ertrag der vorliegenden Dissertation liegt darin, außer
übersichtlicher Zusammenstellung bisheriger Forschung zum
besonderen Problem eines sogen. 3. Redeganges im Hiobbuch
und der erneuten Druchmusterung vieler Einzeltatbestände auch
auf wichtige theologische Tendenzen dieses vielschichtigen,
weisheitlich-theologischen „Dialogs" hingewiesen zu haben,
nicht zuletzt auch auf deren Wirkungsgeschichte in außerkanonischer
Literatur. Die theologische Dialektik jedoch eines leidenden
Gerechten, der zugleich zu Gott klagt und ihn anklagt,
auf seiner Unschuld bestehen muß und sich doch auflehnt, in
eine systemtisch-beft iedigende Abfolge von verschiedenen,
sich selbst kaum ausweisenden Redaktionen und Einsprüchen
aufzulösen, kann seinerseits keine zwingende „Lösung" darstellen
. Es überzieht nicht nur methodisch den literarisch-redaktionskritischen
Aspekt, sondern widerspricht theologisch auch

einem minimalen Grundkonsens der Mehrzahl bisheriger ernstzunehmender
Hiobexegese, von einer - wenn auch sanften -
Reduktion des Aussagewillens des überlieferten Textbestandes
ganz zu schweigen.

Düsseldorf Hans Strauß

Neues Testament

DeMaris, Richard E.: The Colossian Controversy. Wisdom in
Dispute at Colossae. Sheffield: JSOT Press 1994. 170 S. 8» =
Journal for the Study of the New Testament Suppl.Series 96.
Lw. £ 27.50. ISBN 1-85075-473-X.

Was kann einem alten Mann Besseres geschehen, als daß ein
Jüngerer das von ihm Erreichte als die Plattform sieht, von der
aus er kritisch weiterbauen kann (/ Einführung 11-17)7 Kapitel
II (18-40) bespricht die bisherigen Rekonstruktionen der kolossischen
„Philosophie", auch die von mir vorgeschlagene (36-
38). Kapitel III (41-97) begrenzt die sicher auf diese „Irrlehre"
bezogenen Stellen auf Kol 2,8.16-23. Dann werden die dafür
verwendeten Begriffe diskutiert (46-56): „Philosophie" schließt
oft religiöse Praxis ein. „Menschliche Überlieferung" betont
nur den Gegensatz zu göttlicher Autorität (trotz Mk 7,6-8 nicht
auf jüdische Halakha begrenzt). Daß mit den „Wcltelementen"
nur Erde, Wasser, Luft, Feuer gemeint sein könne, wie ich auch
meine, ist nach Rusams Beitrag (ZNW 1992, 1241") klar. Die die
Praxis schildernden Termini (56-63) zeigen jüdischen und heidnischen
Einfluß (2,16.23), während „Demut" christliche Tugend
ist. Wie ich bezieht DeMaris „EngelVerehrung" (2,18) auf
hellenistische „Dämonen" (s.u.). S. 63-97 beschreiben die kolossische
Philosophie. Sie gründet auf dem, was der Verstand
(nous, 2,18) durch Beobachtung (emhaleuein) erkennen kann.
Nach Besprechung von Francis, Lyonnet, Dibelius-Bornkamm
und Hegermann (71-88) wird auch mein Vorschlag diskutiert.
Richtig ist, daß ich „Pythagoreer", von denen der zentrale Text
des Alexander Polyhistor (1.Jh.v.Chr.) handelt, immer in Anführungszeichen
hätte schreiben sollen, da mir jüdischer und
mittelplatonisehcr Einfluß natürlich deutlich war (z.B. „Demut"
als christlich-jüdischer Terminus, was nicht ausschließt, daß die
Kolosser ihre Dämonenvcrehrung so nannten). Ob die ignatia-
nische Wendung „Judaismus der Unbeschnittenen" auf pagane
Askese hinweist oder nicht, mag offen bleiben. Richtig ist auch,
daß eindeutig pythagoreische Ansichten bei Alexander fehlen
und E. Zellers Verständnis nicht das einzig mögliche ist. Kapitel
IV (98-133) zeigt, daß viel dem als Lehrer Piatos angesehenen
Pythagoras Zugeschriebenes von Plalonikern stammt (98-
109), was ich gern zur Kenntnis nehme. Timaeus Locrus (1 .Jh.
v./n.Chr„ 109-114) betont die Befreiung des Verstands (nous)
vom Körper, was sich mit jüdischen Vorschriften verbinden
kann. Das Lehen nach der Natur (1 14-1 18, vgl. 11 I) ist bei An-
tiochus von Askalon mit stoischer Leidenschaftslosigkeit und
der Begründung der Moral durch vom Verstand geprüfte Sin-
neswahrnchmungen kombiniert. Dann könnten die „Weltelemente
" in Kol 2,8.20 einfach die (normalerweise geordnete)
„Natur" bezeichnen. Solche Hellenisierung jüdischer Ansichten
(und umgekehrt) ist in Alexandrien. Syrien und Kleinasien
belegbar (118-126). Die Rolle der Elemente wäre dann positiv ,
auch wenn ihre Vergänglichkeit nicht vergessen wird, nicht
negativ wie in meiner Rekonstruktion (126-133). In diesem Fall
wäre auch der Hymnus in Kol 1,15-20, nach dem Christus Mitschöpfer
und Versöhner des Alls ist, Zeugnis solcher Philosophie
, wie Kapitel V (134-145) zeigt. Daß der Briefverfasser in
1,2lf diese Versöhnung nicht mehr auf das All. sondern auf die