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Ausgabe:

1995

Spalte:

231-234

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Titel/Untertitel:

Ancient churches revealed 1995

Rezensent:

Jeremias, Gisela

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Theologische Lilcraturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 3

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gewissermaßen „Vorzeichen" für die Durchführung des Ganzen
sind. Davon ist das erste und wichtigste Element der Sachverhalt,
daß die Autorin die Chaldäischen Orakel (außer der Auswertung
ihrer offenkundigen Verbindung mit dem Mittelplatonismus und
der Magie [aus diesem Bereich wird besonders die sogenannte
„Mithras-Liturgie" immer wieder als Parallele herangezogen])
konsequent (auch) im Kontext von Hermetik und Gnosis sieht;
und hinsichtlich der Gnosis spielen entsprechend die Nag Ham-
madi-Texte eine hervorragende Rolle, sonderlich natürlich die
philosophisch bestimmten sethianischen: Marsanes, Allogenes
und Die drei Stelen des Seth. Hier wirkt sich offenbar die Kraft
der Betreuung durch B. Pearson bzw. die Schule, aus der das
kommt, besonders fruchtbar aus. Nun fallt aber im Zusammenhang
damit auch - und das ist der zweite Sachverhalt - ein zweites
(Hermetik und Gnosis mit einbeziehendes) Schlagwort für die
Chaldäischen Orakel: Sie seien die - oder gehörten zur - „Unterwelt
des Piatonismus". "Joint Dillon has aptly labelled this con-
gruence of Gnostic, Hermetic, and Chaldean thought as the
'underworld of Platonism'" (3). Nun hat Dillon damit wohl auf
einen wirklichen und wichtigen Aspekt hinweisen wollen. Aber
im vorliegenden Werk bekommt dieses Schlagwort einen Stellenwert
, der zum Widerspruch reizt. Es ist der unausgesprochene
Gegenbegriff einer „Oberwelt des Piatonismus", an dem die
Schwierigkeit deutlich wird. Eine wirkliche Scheidung des Plato-
nismus in zwei „Welten" dürfte nämlich kaum durchführbar sein.
Der dritte werkbestimmende Sachverhalt, den ich meine, ist. daß
die Autorin bei der Beschreibung und dem Verweis auf die Anschauungen
, Prinzipien. Handlungen von Theurgie und Theurgen
stets vom chaldäischen System spricht (siehe obiges Zitat). Ich
sehe das übrigens mit dem allergrößten Mitgefühl, weil es mir
selbst beim ersten Versuch der Beschreibung der sethianischen
Gnosis genauso ging. Es ist schwer, einen anderen Allgemeinbegriff
zu finden. Bloß, man muß wohl irgendwo doch sagen, daß
man mit „System" nicht System meint (und/oder danach fragen,
ob und welche Elemente des Gesamtphänomens Systemcharak-
ter haben). Denn für die verschwommenen Anschauungen der
chaldäischen Textreste paßt der System-Begriff noch viel weniger
als für den gnostischen Sethianismus.

Dem Neutestamentier wurden beim Studium des vorliegenden
Werkes speziell zwei Phänomene interessant. Man erfährt beiläufig
, daß es eine Theorie für das gibt, was als exegetischer
Sachverhalt jedem Exegeten durch den Vergleich der Versionen
der Geschichte von der Taufe Jesu (unter der Frage, wer dabei
was sieht) wohlvertraut ist. Im Zusammenhang der Beschwörung
von Göttern durch "Binding (and Loosing)" (271.) heißt es: "In
this regard, Iamblichus (De myst., III.6) distinguishes between
apparitions seen by the 'caller' (tü> OeccYtoyotivTi), those viewed
by the 'reeeiver' (iqj öexouivq) ), and those witnessed by all
(totg juloiv GeojQoOoi) - this last apparently the most desired
effect" (28). Und dann ist noch für die paulinische Auffassung
von der Taufe als einem Mit-Christus-Sterben und/oder - Begrabenwerden
von Interesse zu erfahren (oder daran erinnert zu werden
), daß es auch im Ritus der chaldäischen ävaywYr) einen Akt
gab, wo der Körper begraben wurde, um seinen Tod zu symbolisieren
, was als Voraussetzung für den Aufstieg galt. (Vgl. 37f.)

Quebec/Berlin Hans-Marlin Schenke

Tsafrir, Yoram [Ed.]: Ancient Churches Revealed. Jerusalem:
Israel Exploration Society 1993. XII, 358 S. m. zahlr. Abb. i.
Text und auf Tat'.. 1 Faltkte, 24 Farbtaf. 4°. ISBN 965-221-
016-1.

Nach A. Ovadiah's "Corpus of the Byzantine Churches in the
Holy Land" (1970) mit dem dazugehörigen Supplementband
(1984) liegt jetzt mit "Ancient Churches Revealed" ein ansprechender
Sammelband vor, in dem Grabungsergebnisse der 70er
und 80er Jahre in Israel auf dem Gebiet des frühen Kirchenbaues
einem breiteren Publikum in englischer Sprache zugänglich
gemacht werden wollen. Der Hauptanteil der Artikel erschien
erstmalig in der israelischen Vierteljahresschrift Qadmoniot
und stammt aus der Feder der Ausgräber selbst, so daß im
ganzen für sachliche Kompetenz gebürgt ist. Freilich isl eine
große Anzahl der Denkmäler auch schon an anderer Stelle in
den entsprechenden englischsprachigen Zeitschriften publiziert
worden, zuletzt vor allem gehäuft in der Festschrift für V. Cor-
bo (1990). Auf die dort meist ausführlicher behandelten Beiträge
wird im Text jeweils verwiesen.

Es gibt wohl kein anderes Gebiet im Mittelmeerraum, wo auf
relativ enggedrängtem Raum so viele frühchristliche Kirchen
erhaltengeblieben sind. Rund 300 Lagen sind auf der zwischen
S. 6 und 7 eingelegten Landkarte verzeichnet, wobei frühchristliche
Fundstellen selbstverständlich weit über Israels Grenzen
hinaus auf das Gebiet des heutigen Syrien, Libanon und Jordanien
auszuweiten sind.

Der Einzelbesprechung der Denkmäler geht ein einführendes
Kapitel voraus: "Churches in Palestine: from Constantine to the
Crusaders". Die Ausweitung der alten Kirchen in die Kreuzfahrerzeit
überrascht, zumal die spätantike Zeit (in der israelischen
Archäologie als "byzantine period" von 324 bis 640 bezeichnet
), in der die frühchristlichen Denkmäler in Palästina begegnen
, mit dem Persereinfall von 614 und der Islamisierung des
Landes seit 640 ein abruptes und eindeutiges Ende findet. Nach
der l, H. 7. .Ih.s kommt der Kirchenbau in Palästina fast vollständig
zum Erliegen, um erst nach einem jahrhundertelangen
„Loch" im 12713. Jh. in der Kreuzfahrerzeit wieder einzusetzen
, nun allerdings unter westlichem, „fränkischem", Einfluß
und nicht nur zeitlich, sondern auch architektonisch weil entfernt
von den Bauten der frühen Zeit.

Der Hg. eröffnet das Eingangskapitel mit einem Überblick
über "The Development of Ecclesiastical Architecture in
Palestine" (1-16), in dem es ihm gelingt, auch den nicht mil der
Materie Vertrauten in das Gebiet des frühen Kirchenbaus in
Palästina einzuführen, der im Osten wie im Westen erst mit der
konstantinischen Wende einsetzt. Die archäologische Evidenz
von Räumlichkeiten, in denen die Christen der ersten Jahrhunderte
ihre Gottesdienste abhielten, ist - außer bei der Hauskirche
von Dura Europos - in keinem weiteren Fall eindeutig zu
belegen. Für diese ersten christlichen Versammlungsräume hat
sich in der Forschung der Begriff „domus ecclesiae" durchgesetzt
, nicht - wie vom Hg. fälschlich durchgehend gebraucht
(auch im Glossar auf 351) - „domus ecelesia".

Einen fulminanten Auftakt bilden in Palästina die großen kaiserlichen
Kirchengründungen, auf die insgesamt nur knapp verwiesen
wird (J. Wilkinson, Constantinian Churches in Palestine
, 23-27); die neueren Forschungen in der Grabeskirche von
Coüasnon und Corbo werden im Buch vorgelegt (J. Patrich,
The Early Church of the Holy Sepulchre in the Light of Excava-
tions and Restoration, 101-117; M. Broshi, Excavations in the
Holy Sepulchre in the Chapel of St. Vartan and the Armenian
Martyrs, 118-122). Im Laufe des 4. Jh.s entstehen kirchliche
Bauten weiterhin vor allem an den Stätten der biblischen Überlieferungen
des AT und NT; es sind die bevorzugten Pilgerstätten
, von denen die Nonne Actheria am Ende des 4. Jh.s so viele
besucht hat. Im 5. und 6. Jh. steigt die Zahl der einfachen
Gemeindekirchen sowie der Klosterkirchen erheblich an. Nach
der langen Lücke beginnt mit der Kreuzfahrerzeit eine neue
Phase von christlichem Kirchenbau (J. Pringle, Churches in the
Crusaders Kingdom of Jerusalem, 1099-1291,28-39).

Die Gliederung der folgenden Kapitel des Buches folgt der
Geographie des Landes von Galiläa bis zur Sinai-Halbinsel,
wobei der Stadt Jerusalem ein eigenes Kapitel gewidmet isl, aus
dem besonders die justinianische Marienkirche, die sog. Nea