Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1995

Spalte:

227-228

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Männchen, Julia

Titel/Untertitel:

Gustaf Dalman als Palästinawissenschaftler in Jerusalem und Greifswald 1995

Rezensent:

Hertog, Cornelis G.

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

227

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 3

228

Altertumswissenschaft,
christliche Archäologie

Männchen, Julia: Gustaf Dalman als Palästinawissenschaftler
in Jerusalem und Greifswald 1902-1941. Wiesbaden:
Harrassowitz i. Komm. 1993. IX, 302 S., 1 Porträt gr.8° =
Abhandlungen des deutschen Palästinavereins, 9,2. Kart. DM
98,-. ISBN 3-447-03425-4.

Die Greifswalder Habilitationsschrift ist eine Fortsetzung der
1987 in derselben Reihe erschienenen Dissertation. Das Werk
zerfällt in zwei Teile: Biographischer Teil (3-129, Teil l, Jerusalem
1902-1914; Teil 2, Zwischen Jerusalem und Greifswald
1914-1917; Teil 3, Die Greifswalder Jahre und die Rückkehr nach
Herrnhut 1917-1941) und thematischer Teil (131-251, Teil 1, Die
Person Jesu und das heilige Land; Teil 2, Petra und seine Felshei-
ligtümer; Teil 3, Arbeit und Sitte in Palästina). Die Arbeit wird
mit einer abschließenden Würdigung der Person Dalmans abgerundet
. Ein Namen- und Sachregister erhöht den Gebrauchswert.

Für den biographischen Teil hat die Vfn. neben Material aus
dem Evangelischen Zentralarchiv, Berlin, auch Akten und Dokumente
aus dem Geheimen Staatsarchiv (Merseburg), den
Archiven der Bruderunität Herrnhut und der Universität Greifswald
sowie aus dem Nachlaß Dalmans herangezogen. Der
Quellenbestand ist umfangreich, aber ungleichmäßig verteilt
und zudem nicht immer vollständig, so daß die Vfn. nicht selten
auf Vermutungen angewiesen ist. Für forschungsgeschichtlich
Interessierte liegt hier ein reiches Material vor, aus dem vor
allem die sehr unbefriedigende damalige Organisationsstruktur
des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft
des Heiligen Landes deutlich hervorgeht. Dalman verfügte
über eine sehr eingeschränkte Kompetenz. Viele Entscheidungen
, die eine unmittelbare Kenntnis der Situation
erfordert hätten (etwa kurzfristige Änderungen der Reiseroute
des alljährlich abgehaltenen, mehrwöchigen „Lehrkurses"),
wurden nicht von Dalman in Palästina, sondern vom Vorstand
der Stiftung im fernen Deutschland getroffen. Hier haben auch
die gelegentlichen Arbeitsbesuche durch Mitglieder des Vorstandes
nicht viel bewirken können. Aus den Quellen geht hervor
, daß der Vorstand für Dalmans Anliegen, seine Stellung
nach innen und nach außen hin zu klären, erstaunlich wenig
Verständnis gehabt hat. So hätte Dalman - um ein Beispiel herauszugreifen
- sich gewünscht, zum einen den Titel eines Universitätsprofessors
beibehalten zu können, zum andern, die
Option einer Rückkehr in den Universitätsverband offenzuhalten
. Dafür wäre auch ein Einsatz seitens des Vorstandes erforderlich
gewesen, der diesbezüglich jedoch nie aktiv geworden
ist. Die Tatsache, daß der Stellung Dalmans ein klares Profil
fehlte, machte sich vor allem im Umgang mit den osmanischen
Behörden bemerkbar, für die er nur eine Privatperson sein
konnte. Nicht zuletzt deshalb übernahm Dalman zeitweilig das
Amt des schwedisch-norwegischen Konsuls, das gerade in dieser
Hinsicht Abhilfe schaffen konnte, doch wurde vom Vorstand
der vorläufige Charakter dieser Behelfslösung betont.
Man richtete sich an das Auswärtige Amt mit der Bitte um eine
einschlägige Äußerung, da der Vorstand selbst von Dalmans
Schritten „aufs höchste überrascht" sei. Ein anderes Beispiel:
Um für Dalman aus seiner Stellung Pensionsansprüche erwachsen
zu lassen und ihn besser in die deutsche Gemeinschaft in
Jerusalem einzubinden, wird er 1908 - ohne daß damit eine
größere Belastung einhergeht - zum Geistlichen im Dienste der
deutschen evangelischen Gemeinde in Jerusalem berufen. Er
selber hätte sich lieber in einer den Direktoren deutscher Predigerseminaren
vergleichbaren Stellung gesehen. 1917, als der
Erste Weltkrieg bereits langsam seinem Ende entgegengeht und
Palästina - wo zu dieser Zeit verschiedene ansteckende Krankheiten
grassieren - durch den Einmarsch der Engländer in die
Kriegshandlungen hineingezogen zu werden droht, wird Dalman
vom Vorstand aufgefordert, sich über eine eventuelle
Rückkehr nach Palästina zu äußern, wobei darauf hingewiesen
wird, daß er „in der Eigenschaft eines Hilfspredigers verpflichtet
(sei), dem Propst Dr. Jeremias Hilfe zu leisten". Dalman
äußert zunächst seine grundsätzliche Bereitschaft, wobei er auf
verschiedene Probleme aufmerksam macht und zugleich darauf
hinweist, daß er bisher in Deutschland viel für das Institut gearbeitet
habe. In einem wenig später abgesandten weiteren Brief
bringt Dalman dann seine große Empörung über die Bezeichnung
als „Hilfsprediger" zum Ausdruck, die ihm wohl erst bei
einer nachträglichen Lektüre richtig aufgefallen war.

Von 1917 bis zu seiner Emeritierung 1923 ist Dalman als
Extraordinarius für Altes Testament an der Universität Grcifs-
vvald tätig. 1920 kommt es hier zur Gründung eines Instituts für
Palästinawissenschaft, seit 1925 als .Gustaf-Dalman-Institut für
Palästinawissenschaft' bezeichnet, dessen Direktor natürlich
Gustaf Dalman ist. Er hält palästinakundliche Veranstaltungen
ab, vor allem aber arbeitet er an seinem magnum opus, „Arbeit
und Sitte in Palästina" (Gütersloh, I 1928 - VII 1942). f ür cm
solches Werk war Dalman als enzyklopädischer Geist in hervorragender
Weise geeignet.

Der thematische Teil ist stark referierend, er ist nur insofern
kritisch, als auch zeitgenössische Rezensionen berücksichtigt
werden. Mit Recht vermerkt die Vfn. in der Einleitung, daß eine
wirklich kritische Darstellung weit über den gesteckten Rahmen
hinausgeführt hätte. Doch ist das Ergebnis nicht recht befriedigend
; für eine Darstellung des damaligen Forschungsstandes ist
es zu ausführlich geraten. So muß man hoffen, daß das Referat
möglichst viele Leser zu eigener Lektüre in Dalmans Schriften
ermutigen wird.

Im biographischen Teil hätte man sich Informationen über
die Teilnehmer der jährlichen Lehrkurse des Jerusalemer Instituts
gewünscht, damit der Leser einen Eindruck des Wirkungskreises
Dalmans (außerhalb seiner universitären Tätigkeit in
Leipzig |bis 1902] und Greifswald [von 1917 bis 1938)) hätte
gewinnen können. Auf diese Weise wäre - über die .Multiplikatoren
' - auch die Verbreitung der Palästinakunde im deutschen
Raum sichtbar geworden.

Es ist der Vfn. gelungen, eine materialrciche und gut lesbare
Studie vorzulegen, die man sich in die Hände vieler Leser
wünscht.

Gießen Cornelis G. den Hertog

Majercik, Ruth: The Chaldean Oracles. Text, Translation,
and Commentary. Leiden-New York-Kopenhagen-Köln:
Brill 1989. XIV, 247 S. gr.8<» = Studies in Greek and Roman
Religion, 5. Kart. hfl. 120.-.

"The Chaldean Oracles are a collection of abstruse, hexameter
verses purporled to have been 'handed down by the gods'
(ÜKOJTaQaöoTa) to a certain Julian the Chaldean and/or his son,
Julian the Theurgist, who flourished during the late second Century
C. E."

Mit diesen, ihren Gegenstand definierenden Worten beginnt
die Autorin des vorliegenden Werkes ihre "Introduction" (1).
Aber in diesem Satz kommt noch nicht explizit zum Ausdruck,
was die eigentliche Schwierigkeit der Sache ausmacht, die nämlich
darin besteht, daß von dieser ursprünglichen Sammlung nur
kärgliche Reste (vor allem in den Werken der späteren Neupia-
toniker) erhalten sind. Daß die Beschäftigung mit diesem spröden
Stoff aber keineswegs Zeit- oder Kraftvergeudung ist und
immer wieder große Gelehrte angezogen hat, wie sie auch des
Interesses derer, die auf benachbarten Feldern der Forschung